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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art141 Abs3 / VolksbefragungLeitsatz
Zurückweisung der Anfechtung einer Bürgerbefragung in Waidhofen/Ybbs wegen Versäumung der Anfechtungsfrist; kein Rechtsmittel gegen das Ergebnis einer BürgerbefragungSpruch
Die Anfechtung wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1.1. Am 26. März 2000 fand in der Stadt Waidhofen an der Ybbs eine auf Grund eines von mehr als 10 % aller wahlberechtigten Stadtbürger unterstützten Initiativantrages angeordnete Bürgerbefragung (§9 Abs1 iVm §8 Abs3 NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz-SROG, LGBl. 1026-0) statt, deren Ergebnis am selben Tag (26.3.2000) kundgemacht wurde.
1.1.2. Mit Bescheid der Stadtwahlbehörde der Stadt Waidhofen an der Ybbs vom 29. Mai 2000 (zugestellt am 31.5.2000) wurde die ua. vom "Zustellungsbevollmächtigten der Bürgerinitiative" eingebrachte Anfechtung des Ergebnisses dieser Bürgerbefragung (in der Eingabe bezeichnet: "Anfechtung der Bürgerwahl nach §56 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994") als unzulässig zurückgewiesen; dies mit der Begründung, dass gemäß §12 Abs1 SROG das Ergebnis einer Bürgerbefragung (spätestens drei Tage nach deren Durchführung kundzumachen sei und) keinem Rechtsmittel unterliege.
1.2. In der nunmehr beim Verfassungsgerichtshof eingereichten, ausdrücklich auf Art141 B-VG gestützten und am 27. Juni 2000 zur Post gegebenen Anfechtungsschrift begehrt die "Überparteiliche Bürgerinitiative - Bürgerbefragung", vertreten durch den Zustellungsbevollmächtigten (sh. Pkt. 1.1.2.), der Verfassungsgerichtshof möge "in Stattgebung dieser Anfechtung das Verfahren zur Bürgerbefragung vom 26. März 2000 ab Befassung des Gemeinderates mit unserem Initiativantrag an für nichtig erklären und als rechtwidrig aufheben".
2. Die Anfechtung ist nicht zulässig.
2.1. Die vorliegende Eingabe ist eine solche nach Art141 (Abs3) B-VG, auf welche Verfassungsbestimmung sich die Anfechtungswerberin auch ausdrücklich beruft (sh. Pkt. 1.2.; insoferne unterscheidet sich der hier vorliegende Fall von jenem, der dem Erk. VfGH 16.6.2000 V103/99 zu Grunde liegt).
Für Verfahren nach Art141 B-VG gilt ua. §68 VerfGG (sinngemäß). Dem Abs1 dieser Bestimmung zufolge muss eine Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.
Gemäß §12 Abs1 SROG ist das Ergebnis der Bürgerbefragung spätestens drei Tage nach deren Durchführung kundzumachen und unterliegt keinem Rechtsmittel.
2.2.1. Die vierwöchige Frist zur Anfechtung der Bürgerbefragung (vom 26.3.2000) begann - da §12 Abs1 SROG gar keinen Instanzenzug kennt, der die unmittelbare Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof ausschlösse - mit der Verlautbarung des Ergebnisses der Bürgerbefragung gemäß §12 Abs1 leg. cit., das ist hier mit 26.3.2000 (sh. Pkt. 1.1.1.).
Der Auffassung der Anfechtungswerberin, dass diese (vierwöchige) Frist erst nach der am 31. Mai 2000 erfolgten Zustellung des Bescheides der Stadtwahlbehörde (sh. Pkt. 1.1.2.) zu laufen beginne, weil das SROG auf die NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl. 0350-1, verweise und dort ein einschlägiger Instanzenzug vorgesehen sei, kann nicht beigepflichtet werden: der gesetzlichen Anordnung in §11 Abs1 SROG, dass für das Verfahren zur Durchführung der Bürgerbefragung die NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 sinngemäß gelte, ist nicht die Bedeutung beizumessen, dass für eine Bürgerbefragung (nach dem SROG) eine Anfechtungsmöglichkeit, wie sie im 10. Abschnitt der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 für Wahlen nach dieser Rechtsvorschrift vorgesehen ist, bestünde. Zum Einen bezieht sich die Anordnung der sinngemäßen Geltung der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 in §11 Abs1 SROG ausdrücklich auf das Verfahren zur Durchführung der Bürgerbefragung; zum Anderen ist die Frage der Rechtsmittelfähigkeit des Ergebnisses einer Bürgerbefragung im SROG gesondert geregelt, und zwar in der schon zitierten Bestimmung des §12 Abs1, wonach das Ergebnis der Bürgerbefragung eben keinem Rechtsmittel unterliegt. Eine irrige Rechtsauffassung über den Instanzenzug geht aber - wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt aussprach - zu Lasten des Anfechtungswerbers (VfSlg. 4316/1962, 9085/1981, 9912/1984, 13.628/1993, 15.091/1998).
Die am 27. Juni 2000 zur Post gegebene Anfechtungsschrift erweist sich darum als verspätet.
2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch nicht veranlasst, - wie von der Anfechtungswerberin angeregt - gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §12 Abs1 SROG einzuleiten. Die Anfechtungswerberin führt dafür - auf das Wesentliche zusammengefasst - ins Treffen, dass das Ergebnis einer Bürgerbefragung nach der zitierten Rechtsvorschrift "selbst bei großen Mängeln im Wahlverfahren oder bezüglich des Wahlergebnisses nicht anfechtbar" sei und §12 Abs1 SROG im Gegensatz zu §16 Abs1 (Bundes)Volksbefragungsgesetz 1989 eine nachträgliche Überprüfung einer Bürgerbefragung (nach dem SROG) "in jedem Fall unmöglich" machte. Diese Argumentation ist schon deshalb nicht stichhältig, weil eine Bürgerbefragung (nach dem SROG) nach Art141 Abs3 B-VG anfechtbar ist (vgl. VfGH 16.6.2000 V103/99, Pkt. II.3.); die Anfechtungswerberin beschritt im vorliegenden Fall selbst diesen Weg.
2.3. Die Anfechtung war daher wegen Versäumung der Anfechtungsfrist gemäß §19 Abs3 Z2 b VerfGG - ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Fristen, VolksbefragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:WI14.2000Dokumentnummer
JFT_09998872_00W0I014_00