TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/19 2000/02/0294

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Veröffentlicht am 19.10.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 1994/314;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des JB in R, vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Mag. Stefan Geisler und Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in 6280 Zell am Ziller, Talstraße 4A, gegen den auf Grund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 25. September 2000, Zl. LGSTi/V/1216/6205 19 03 51-709/2000, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. August 2000 sprach das Arbeitsmarktservice Schwaz aus, dass der Beschwerdeführer gemäß §§ 38 iVm 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609/1977 (AlVG), den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 6. Juli 2000 bis 30. August 2000 verloren habe. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen werde.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 2000 gemäß §§ 56, 58 AlVG und § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und führte begründend aus, der Beschwerdeführer sei seit April 1999 arbeitslos und befinde sich im Anschluss an seinen Arbeitslosenbezug seit 1. Jänner 2000 im Bezug der Notstandshilfe. Zuvor sei der Beschwerdeführer 19 Jahre bei einem näher genannten Unternehmen als kaufmännischer Angestellter beschäftigt gewesen. Zuletzt habe er am 4. Juli 2000 einen Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe gestellt. Am 4. Juli 2000 sei dem Beschwerdeführer von der Behörde erster Instanz der Auftrag erteilt worden, beginnend mit 6. Juli 2000 an einer Arbeitserprobung zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bei der Firma I. teilzunehmen. Die Verwaltungsabteilung der genannten Firma habe mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer als Abteilungsleiter für Obst und Gemüse eingestellt worden wäre. Um die Eignung feststellen zu können, wäre eine Arbeitserprobung unbedingt notwendig gewesen. An einer Einstellung des Beschwerdeführers sei die Firma sehr interessiert gewesen. Der Beschwerdeführer wäre Vorgesetzter von 6 Mitarbeitern gewesen. Auf neuerliche telefonische Anfrage der erstinstanzlichen Behörde sei von der Firma I. mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer als Abteilungsleiter eine kaufmännische Ausbildung vorweisen hätte müssen. Der Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers hätte die Bestellung von Mitarbeitern, die Mitarbeiterführung, sowie die Einteilung der Mitarbeiter und die Organisation der Abläufe innerhalb der Abteilung erfasst. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht zur Arbeitserprobung erschienen. Der Beschwerdeführer habe zufolge einer von der erstinstanzlichen Behörde am 20. Juli 2000 aufgenommenen Niederschrift angegeben, dass das ihm zugewiesene Beschäftigungsverhältnis deshalb nicht zu Stande gekommen sei, weil Herr I. von der Firma I. ihm gegenüber gemeint habe, dass er normalerweise zu alt und zu überqualifiziert für diese Tätigkeit sei, er aber den Beschwerdeführer für 2 Monate gerne beschäftigen würde, weil Personalbedarf vorhanden sei und es für sein Unternehmen keine Kosten verursache. Während oder nach dieser Zeit könne man sich einigen, dass die Firma I. den Beschwerdeführer nicht nehmen würde. Dies sei ihm angetragen worden, weil er von Seiten des Amtsleiters der erstinstanzlichen Behörde dazu gedrängt worden sei, den Beschwerdeführer zu nehmen. Daraufhin habe ihm Hr. I. mitgeteilt, dass er eine Möglichkeit finden werde, innerhalb von 2-3 Wochen dem AMS eine Überqualifikation für diese Stelle zu belegen. In seinem Schreiben vom 6. Juli 2000 habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er sich nicht als Tomatensortierer qualifiziert erachte und auch Herr I. habe ihm bestätigt, dass er als Regalauffüller überqualifiziert sei und er ihn sicher nicht einstellen werde. Mit Schriftsatz vom 14. September 2000 habe der Beschwerdeführer schließlich ausgeführt, dass für die angebotene Tätigkeit keinerlei kaufmännische Kenntnisse erforderlich gewesen seien. Der Aufgabenbereich des Abteilungsleiters habe ausschließlich in untergeordneten Tätigkeiten bestanden. Auch der Einkauf sei nicht vom Abteilungsleiter durchzuführen gewesen, weil die Firma I. über einen Zentraleinkauf verfüge. Der Abteilungsleiter habe nur einmal täglich im Rahmen eines Telefonates die Bestellung bekannt zu geben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass er im Rahmen eines Arbeitstrainings ohne nähere Spezifikation und ohne Vorhalt jener Umstände, auf Grund derer sich das AMS zur Zuweisung berechtigt erachtet habe, der Firma I. zugewiesen worden sei. Die Weigerung, an einer solchen Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen, könne daher nicht zum Ausschluss der Leistungen nach dem AlVG führen.

§ 9 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 314/1994 lautet (auszugsweise):

"(1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist,

-

eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder

-

sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen oder

-

an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen oder

-

von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und

-

auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Zumutbar ist eine Beschäftigung, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, dass der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.

(...)"

§ 10 AlVG in der Fassung BGBl. 201/1996 lautet (auszugsweise):

"(1) Wenn der Arbeitslose

-

sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

-

sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

-

ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

-

auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen,

verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. (...)"

Nach § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung steht es nicht im freien Belieben des Arbeitsmarktservice, einem Arbeitslosen (auch einem Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Diese Subsidiarität der Nach(Um)schulung gilt angesichts des Primates der Erlangung bzw. Vermittlung einer dem Arbeitslosen zumutbaren Beschäftigung durch die von ihm zu entfaltenden Bemühungen oder durch das Arbeitmarktservice in entsprechender Weise auch für die Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Demgemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen, nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn weiters fest steht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Erlangung bzw. Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es deshalb solcher Maßnahmen der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsmarktservice das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an der Maßnahme ablehnt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 98/08/0126, mwN).

Im Beschwerdefall bezeichnet die belangte Behörde die von ihr verfügte Maßnahme als "Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt" (unter der Bedingung einer vorhergehenden "Arbeitserprobung" in nicht festgestellter Dauer). Es fehlen jedoch Feststellungen über Defizite des Beschwerdeführers an Kenntnissen und Fähigkeiten für die Erlangung bzw. Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes, sodass auch nicht nachvollziehbar ist, wie diesen angeblichen Defiziten durch die in Betracht gezogene Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt begegnet hätte werden sollen.

Da sohin weder das objektive Erfordernis für ein "Arbeitstraining" (Arbeitserprobung) noch dessen Inhalt oder die vorgesehene Dauer festgestellt wurden, kann das Verhalten des Beschwerdeführers in Bezug auf diese Zuweisung nicht als Weigerung mit den Rechtsfolgen des § 10 Abs. 1 AlVG angesehen werden. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000020294.X00

Im RIS seit

12.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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