TE OGH 1949/3/16 2Ob295/48

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Veröffentlicht am 16.03.1949
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Norm

ABGB §2
ABGB §1104
ABGB §1105
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §56
Kriegssachschäden- Einwirkungsverordnung vom 28. September 1943. DRGBl. I S. 546 §1

Kopf

SZ 22/35

Spruch

Unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse vom 28. September 1943, DRGBl. I S. 546, erlischt das Mietverhältnis nach Ablauf eines Jahres seit dem Kriegssachschaden von selbst; der Entscheidung der Feststellungsbehörde kommt nur deklaratorische Bedeutung zu. Zinsannahme nach dem Erlöschen des Mietverhältnisses durch den Hauseigentümer führt zu einem neuen Vertrag, u. zw. ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Feststellungsbehörde.

Entscheidung vom 16. März 1949, 2 Ob 295/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Haus des Klägers, in dem der Beklagte eine Wohnung gemietet hatte, wurde anfangs 1945 durch Fliegerbomben schwer beschädigt. Der Beklagte wohnt seither nicht mehr in dem Haus, zahlte jedoch dem Kläger bis zum Sommer 1947 den Mietzins; seither lehnte der Kläger die Annahme des Zinses ab. Der Kläger begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Räumung der Wohnung mit der Begründung, daß die Wohnung infolge des Bombenschadens nicht nur vorübergehend unbenutzbar geworden sei, daß die Instandsetzung nicht innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt des Schadens in Angriff genommen worden sei, daß der Magistrat Wien mit dem Bescheid vom 13. Jänner 1948 diese Tatsache festgestellt habe und daß die Annahme des Zinses irrtümlich erfolgt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Unter Zugrundelegung der Klagebehauptungen ist das Mietverhältnis nach § 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse vom 28. September 1943, DRGBl. I S. 546, erloschen. Es ist daher nur zu prüfen, ob und welche Rechtswirkungen dadurch hervorgerufen worden sind, daß der Kläger durch etwa zweieinhalb Jahre nach der Beschädigung seines Hauses den Zins für die Wohnung des Beklagten entgegengenommen hat. Nach der Rechtsansicht des Prozeßgerichtes ist hiedurch ein neuer Mietvertrag nicht zustande gekommen, da der Kläger erst durch den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien die Kenntnis von dem Erlöschen des Mietvertrages erlangt und nachher einen Zins nicht angenommen habe. Das Berufungsgericht ist jedoch bei seiner Entscheidung von der Auffassung ausgegangen, daß das Bestandverhältnis durch die frühere Annahme der Zinszahlung erneuert worden sei. Das Revisionsgericht pflichtet dieser Auffassung bei.

Nach § 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung vom 28. September 1943 erlischt das Mietverhältnis, wenn das Gebäude, in dem sich die vermieteten Räume befunden haben, von einem Kriegssachschaden betroffen worden ist, wenn die Mieträume infolge des Schadens nicht nur vorübergehend unbenützbar geworden sind und wenn ihre Instandsetzung nicht innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt des Schadens in Angriff genommen worden ist. Wenn zwischen dem Hauseigentümer und dem Mieter Meinungsverschiedenheiten über das Vorhandensein der das Erlöschen des Bestandverhältnisses bewirkenden Voraussetzungen entstehen, hat nach § 1 Abs. 2 der Verordnung in Wien der Magistrat hierüber endgültig zu entscheiden. Da jedoch nach § 1 Abs. 1 lit. b unter den dort angeführten Voraussetzungen das Bestandverhältnis nach Ablauf eines Jahres von selbst erlischt, kann einer Entscheidung der Feststellungsbehörde, die ja nur dann erfolgt, wenn der Hauseigentümer oder der Mieter sie begehren, lediglich eine deklaratorische Bedeutung zukommen. Daraus ergibt sich, daß die weitere Entgegennahme des Mietzinses, nachdem der Mietvertrag bereits kraft Gesetzes erloschen war, zur Fortsetzung des erloschenen Vertrages oder zur Begründung eines neuen Vertrages führen muß. Ein Rechtsirrtum des Vermieters, der nur auf einer Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften beruhen kann, vermag den Eintritt der mit der Zinsannahme verbundenen Rechtsfolgen gemäß § 2 ABGB. nicht zu verhindern. Er ist insbesondere auch deshalb nicht beachtlich, weil der Beklagte dadurch, daß er von den ihm nach den §§ 1104 und 1105 ABGB. zustehenden Befugnissen nicht Gebrauch gemacht und den vollen Zins gezahlt hat, klar zu erkennen gegeben hat, daß er an dem Mietvertrage festhalten wollte. Das Berufungsgericht hat schließlich zutreffend darauf hingewiesen, daß dem Kläger, der Baumeister ist, nicht nur die Verordnung vom 28. September 1943, sondern auch der eine Benutzbarkeit nicht nur vorübergehend ausschließende Zustand der Wohnung des Beklagten bekannt sein mußte.

Anmerkung

Z22035

Schlagworte

Bestandzins, Annahme nach Kriegsschaden, Erneuerung des Bestandvertrages nach Kriegseinwirkung durch Zinsannahme, Kriegsschäden Einwirkung auf Mietverhältnisse, Bedeutung der, Entscheidung der Feststellungsbehörde, Mietvertrag Erlöschen durch Kriegseinwirkung, deklaratorische Bedeutung, des Feststellungsbescheides, Mietzins, Annahme nach Kriegsschaden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00295.48.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19490316_OGH0002_0020OB00295_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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