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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §178a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerden der minderjährigen 1.) IF und 2.) KF, beide in H, Ägypten, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schulerstraße 1-3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. März 2004, Zl. 0/912-FNÄ-19/5-2004, betreffend die Änderung der Familiennamen der Beschwerdeführer (mitbeteiligte Partei: GF), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1994 geborene KF und die 1996 geborene IF sind eheliche Kinder aus der mittlerweile geschiedenen Ehe des Mitbeteiligten GF und der DJ. Die beiden Minderjährigen stellten, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, bei der Bezirkshauptmannschaft S. den Antrag auf Änderung ihrer Familiennamen von F auf J. Die alleinige Obsorge für die beiden Minderjährigen obliegt der Mutter, die nach der Scheidung wieder ihren früheren Familiennamen J angenommen hat.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Salzburg in Stattgebung der vom Mitbeteiligten (dem Vater der Beschwerdeführer) erhobenen Berufung die Anträge auf Änderung des Familiennamens in J "gemäß den §§ 1, 2 und 3 Namensänderungsgesetz BGBl. Nr. 195/1988, idgF (NÄG)" als unbegründet ab.
In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges, der (eingangs wiedergegebenen) unstrittigen Familienverhältnisse und der Rechtslage folgenden Sachverhalt fest:
"Die Antragstellerin bzw. ihre Vertreter haben trotz mehrfachen Ersuchens der Behörden über den Zeitraum eines Jahres den Aufenthaltsort der betroffenen Kinder verschwiegen bzw. unwahre Angaben gemacht. Es wurden die Behörden erst mit Schreiben vom 23.2.2004 informiert, dass die betroffenen Kinder seit November 2002 in Ägypten aufhältig seien."
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass zwar der Bewilligungsgrund für die Änderung des Familiennamens nach § 2 Abs. 1 Z. 9 NÄG vorliege, jedoch der im § 3 Abs. 1 Z. 6 NÄG normierte Versagungsgrund verwirklicht sei. Im Beschwerdefall sei es erwiesen, dass die Änderung der Familiennamen der beiden Minderjährigen ihrem Wohl abträglich wäre.
Die Kindesmutter habe während des gesamten Verfahrens trotz wiederholter Bemühungen der Behörde bis zum 23. Februar 2004 mehrfach unwahre Angaben über den Aufenthalt der Minderjährigen gemacht. Diese Täuschung der Behörde über entscheidungsrelevante Umstände sei dem Wohl der Minderjährigen abträglich gewesen. Auch werde deshalb "der Antragstellerin auch hinsichtlich der übrigen von ihr gemachten Angaben nur eine geringe Glaubwürdigkeit zuerkannt". Eine realistische Beurteilung der Lebensumstände der beiden Minderjährigen durch die Behörde sei somit "praktisch verunmöglicht" worden. Das bisherige Verhalten "der Antragstellerin" entspreche in keiner Weise dem Verhalten, das von einem verantwortungsvollen obsorgeberechtigten Elternteil erwartet werden könnte. Die beantragte Namensänderung werde daher derzeit als dem Wohl der Minderjährigen abträglich bewertet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Beschwerdeführer haben unaufgefordert einen ergänzenden Schriftsatz eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes (NÄG), BGBl. Nr. 195/1988, in der mit 1. Mai 1995 in Kraft getretenen Fassung des Namensrechtsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 25/1995, lauten:
"§ 1. (1) Eine Änderung des Familiennamens oder Vornamens ist auf Antrag zu bewilligen, wenn ein Grund im Sinn des § 2 vorliegt, § 3 der Bewilligung nicht entgegensteht und die Namensänderung betrifft
1. einen österreichischen Staatsbürger;
...
(2) Insoweit der Antragsteller in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, hat der gesetzliche Vertreter den Antrag einzubringen. Die Einbringung bedarf der persönlichen Zustimmung des Antragstellers, wenn dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat.
§ 2. (1) Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn
...
9. der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Obsorge für ihn zukommt oder in deren Pflege er sich befindet und das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist;
...
§ 3. (1) Die Änderung des Familiennamens oder Vornamens darf nicht bewilligt werden, wenn
...
6. die beantragte Änderung des Familiennamens oder Vornamens dem Wohl einer hievon betroffenen, nicht eigenberechtigten Person abträglich ist;"
§ 178a ABGB lautet:
"Berücksichtigung des Kindeswohls
§ 178a. Bei Beurteilung des Kindeswohls sind die Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten, sowie die Lebensverhältnisse der Eltern entsprechend zu berücksichtigen."
Unbestritten ist, dass die Obsorge für die Beschwerdeführer, die österreichische Staatsbürger sind, ausschließlich ihrer Mutter zukommt. Da diese nach der Scheidung vom Mitbeteiligten wieder ihren früheren Namen angenommen hat und die Beschwerdeführer anstreben, auch selbst diesen Namen zu erhalten, sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z. 9 NÄG erfüllt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/0303, vom 20. Oktober 1999, Zlen. 98/01/0398 und 0399, sowie vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/01/0444).
Vorauszuschicken ist weiters, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bereits vor dem Namensänderungsgesetz judiziert hat, dass im Allgemeinen dem Wohl des Kindes die Herstellung der Gleichheit seines Familiennamens mit dem derjenigen Familie, in der es aufwächst, in höherem Maße entspricht als die Beibehaltung seines bisherigen (anders lautenden) Familiennamens. Das Namensrechtsänderungsgesetz hat die Möglichkeit der Angleichung des Familiennamens eines Minderjährigen an den des Obsorgeberechtigten erleichtert, wodurch die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zusätzlich Bestätigung erfahren hat. Auch der Oberste Gerichtshof hat sich vor dem Hintergrund der seit 1. Mai 1995 geltenden Fassung des NÄG der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angeschlossen und zusammenfassend wie dieser ausgesprochen, dass im Allgemeinen dem Wohl des Kindes die Herstellung der Gleichheit des Familiennamens des Kindes mit dem der Familie, in der es aufwächst, in höherem Maß entspricht als die Beibehaltung seines bisherigen (anders lautenden) Familiennamens; nur in Ausnahmefällen könne eine davon abweichende Betrachtungsweise geboten sein. Wenn sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, der Angleichung des Familiennamens eines Kindes mit dem seines aktuellen Umfeldes den Vorzug zu geben, so hat er damit zum Ausdruck gebracht, allenfalls erwachsende psychische Belastungen eines Kindes jedenfalls im Regelfall als nicht derart nachteilig für das Kindeswohl zu qualifizieren, dass von einem Überwiegen dieser Nachteile gegenüber den typischerweise mit der Namensänderung verbundenen Vorteilen gesprochen werden könnte (vgl. zuletzt etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1999, Zl. 98/01/0398, und vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/01/0444, jeweils mit weiterem Nachweis der Vorjudikatur).
Das für eine solche Entscheidung wesentliche Kindeswohl ist nach den Maßstäben und Wertvorstellungen auszulegen, die sich in den betreffenden Lebens- und Sachbereichen herausgebildet haben. Als Richtlinie für die Berücksichtigung des "Wohles des Kindes" steht vor allem § 178a ABGB zur Verfügung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 1990, Zl. 90/01/0121, mit weiterem Nachweis der Vorjudikatur). Danach ist eine umfassende Gesamtschau auf die persönliche und soziale Existenz des jeweils betroffenen Kindes erforderlich, wobei jedenfalls Aspekte seiner Erziehung, Pflege, Vermögensverwaltung und Vertretung zu berücksichtigen sind (vgl. Pichler in Klang3, Rz 2 bis 4 zu § 178a ABGB, mit weiteren Nachweisen).
Die Beschwerdeführer machen (zusammengefasst) als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, die belangte Behörde habe sich zur Begründung ihres Bescheides nur auf ein partielles von der Kindesmutter ihr gegenüber gesetztes Verhalten berufen. Sie habe selbst hieraus keinen schlüssigen Bezug zum Kindeswohl hergestellt und insbesondere gänzlich ungeprüft gelassen, in welchem Konnex die Vor- oder Nachteile einer Namensänderung zum Kindeswohl stünden.
Schon mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann keine zutreffende Auseinandersetzung mit der gemäß § 3 Abs. 1 Z. 6 NÄG - angesichts der unstrittigen Sachverhaltselemente - letztlich allein wesentlichen Frage entnommen werden, aus welchen Überlegungen die beantragte Änderung des Familiennamens dem Wohl eines der hievon betroffenen nicht eigenberechtigten Beschwerdeführer abträglich wäre.
Wenn die belangte Behörde einen Ausnahmefall im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 6 NÄG deshalb als gegeben erachtet, weil die Mutter der Beschwerdeführer im Verfahren den Aufenthaltsort der Kinder nicht oder unrichtig angegeben hat, sie deshalb ihre Angaben nur wenig glaubwürdig erachtet und dieses Verhalten der Mutter nicht als derart beurteilt hat, wie es von einem verantwortungsvollen obsorgeberechtigten Elternteil erwartet werden könne, und aus diesem Grund die Namensänderung als dem Kindeswohl abträglich qualifiziert hat, hat sie keine in der Namensänderung gelegene Gründe dargetan, nach denen diese Namensänderung als dem Kindeswohl der Beschwerdeführer abträglich im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 6 NÄG beurteilt hätte werden können. Dass die beiden Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt mit ihrer obsorgeberechtigten Mutter lebten, wird von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen.
Der angefochtene Bescheid war somit von einer unzutreffenden Rechtsansicht getragen und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. März 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005060022.X00Im RIS seit
26.04.2005