TE OGH 1968/10/9 6Ob258/68

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Veröffentlicht am 09.10.1968
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Norm

ABGB §914
ABGB §§1295 ff.
Handelsgesetzbuch §346

Kopf

SZ 41/131

Spruch

Geschäftsbedingungen von Elektrizitätsunternehmungen werden auch ohne Kenntnis des Inhaltes seitens des Partners Geschäftsinhalt. Der darin enthaltene Haftungsausschluß befreit aber nicht von der Haftung für Schäden, die durch Unterlassung der Verständigung von der Unterbrechung der Stromlieferung durch längere Zeit entstehen.

Entscheidung vom 9. Oktober 1968, 6 Ob 258/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Baden; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Das EVU. N. & U. in L. (Erstbeklagte) ist das einzige Unternehmen dieser Art in der Marktgemeinde L. und versorgt ausschließlich den Bedarf an elektrischer Energie in dieser Gemeinde. Die Versorgung erfolgt an Hand der "Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Energie aus dem Niederspannungsnetz des EVU.", die mit Bescheid der niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Juli 1952 genehmigt wurden.

Seit November 1966 betreibt der Kläger in L. ein Zweigunternehmen, das im ehemaligen Club-Gebäude der L. Maschinenfabrik untergebracht ist. Der Verwalter dieses Hauses verständigte damals die Erstbeklagte, daß nunmehr ein Gewerbebetrieb in dem Haus untergebracht ist. Daraufhin installierte ein Monteur der Erstbeklagten im Geschäftsbetrieb des Klägers einen Zähler und seither versorgt die Erstbeklagte das Unternehmen mit elektrischer Energie. Es wurde weder ein Antrag schriftlich gestellt, noch eine Urkunde über den Vertragsabschluß errichtet, dem Kläger wurden auch keine allgemeinen Stromlieferungsbedingungen ausgehändigt und auch er verlangte diese nie. Die Abrechnung des Stromverbrauches erfolgte monatlich. Auf der Rückseite der Rechnungen ist ein Vermerk, daß die Stromabnahme nach den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung aus dem Niederspannungsnetz des EVU. L. erfolgt.

Als im Oktober 1967 die Marktgemeinde L. in der R.-Gasse Arbeiten durchführen ließ, verständigte der Bürgermeister zirka eine Woche vor dem 12. Oktober 1967 den Betriebsleiter der Beklagten, daß die Masten in dieser Gasse verlegt werden müßten. Der langjährige Betriebsleiter der Beklagten entschloß sich darauf am 12. Oktober 1967 die Abschaltung des Teiles des Stromnetzes vorzunehmen, aus dem die Gebäude in dieser Straße und ihrer Umgebung versorgt werden. Er beabsichtigte, sämtliche betroffenen Personen von der Abschaltung zu verständigen. Normalerweise wird bei solchen Absperrungen nach den vorhandenen Listen der Abnehmer vorgegangen. Im gegebenen Falle nahm der Betriebsleiter der Beklagten in die entsprechenden Listen aber nicht Einsicht, sondern erfaßte die Abnehmer aus seinem Gedächtnis listenmäßig und ließ sie durch seine Untergebenen verständigen. Dabei vergaß er, daß auch das Unternehmen des Klägers von der Abschaltung betroffen war. Es unterblieb dadurch eine Verständigung des Klägers. Noch am 11. Oktober 1967 war ein angestellter der Beklagten beim Kläger, um die energieverbrauchenden Geräte zu verzeichnen. Diesem Angestellten war die für den nächsten Tag vorgesehene Absperrung bekannt. Er wußte jedoch nicht, daß auch der Betrieb des Klägers davon betroffen sei, weil dieser in den ihm übergebenen Listen nicht verzeichnet war. Er machte daher auch keine Mitteilung von der bevorstehenden Abschaltung.

Über Vorhalte des Klägers wegen der Unterbrechung der Stromlieferung, daß er davon nicht verständigt wurde, erklärte der Betriebsleiter, daß darauf vergessen worden sei. Nach dieser Abschaltung erfolgten zeitweise noch weitere Absperrungen, von denen der Kläger jeweils rechtzeitig verständigt wurde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Ersatz des durch die Stromabschaltung vom 12. Oktober 1967 entstandenen Schadens im Betrage von 5000 S s. A. ab. Es nahm den Standpunkt ein, der Kläger hätte wissen müssen, daß die Energieversorgung auf Grund der Allgemeinen Bedingungen der Beklagten erfolge, da sie mit dem Landesgesetz betreffend die einstweilige Regelung auf dem Gebiet des Elektrizitätswesens in Niederösterreich als öffentlich bekanntgemacht und genehmigt gelten und auf sie überdies in den monatlichen Stromabrechnungen hingewiesen worden sei. Seien sie somit Vertragsinhalt geworden, so sei danach das EVU. aber berechtigt, die Versorgung zur Vornahme betriebsnotwendiger Arbeiten zu unterbrechen. Könne daher schon deswegen kein Schadenersatzanspruch des Klägers bestehen, so komme dazu noch, daß die Allgemeinen Bedingungen auch jeden Schadenersatz ausdrücklich ausschließen. Darin liege auch keine sittenwidrige Ausnützung der Monopolstellung der Beklagten. Das wäre nur der Fall, wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt worden wäre. Eine Verständigungspflicht sei den Beklagten überhaupt nicht auferlegt. Es liege daher auch kein Verschulden vor. Sollte aber eine Verständigungspflicht angenommen werden, wäre ihre Verletzung zwar eine grobe Fahrlässigkeit, für die aber ein Ausschluß der Haftung, da schon bei Vertragsabschluß mit einer solchen Schadensverursachung gerechnet werden mußte, es sich daher um einen typischen Schaden handle, wirksam vereinbart werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Der Haftungsausschluß für grobe Fahrlässigkeit sei, da es sich dabei nicht um eine übliche Bedingung handle, nicht Inhalt des Vertrages der Streitteile geworden. Der von den Beklagten geltend gemachte Ausschluß könne sich auch nur auf die in Art. II der Allgemeinen Bedingungen angeführten Fälle kurzfristiger Unterbrechungen der Versorgung beziehen. Sollte aber tatsächlich der Ausschluß der Haftung auch für grobes Verschulden Vertragsinhalt geworden sein, so sei diese Bestimmung nur unter Ausnützung der Monopolstellung der Beklagten zustande gekommen und aus diesem Gründe wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Es bedürfe daher der Prüfung des Kausalzusammenhanges zwischen dem Stromausfall im Betriebe des Klägers und dem von ihm daraus behaupteten Schaden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage betrifft, ob die von den Beklagten bezogenen Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Energie aus dem Niederspannungsnetz des EVU. auf das Rechtsverhältnis der Parteien Anwendung zu finden haben, haben sie beide Instanzen mit Recht bejaht. Zutreffend geht das Berufungsgericht unter Hinweis auf Gschnitzer in Klang[2] IV 58 f., davon aus, daß die Geschäftsbedingungen von Unternehmungen, die ihrem objektiven Charakter nach wirklich dem Massenbetrieb gewidmet sind, zu denen auch Elektrizitätswerke gehören (ZBl. 1926 Nr. 182), sogar ohne Kenntnis des Inhaltes seitens des anderen Teiles Geschäftsinhalt werden. Jedermann muß wissen, daß sie auf Grund ihres Reglements abzuschließen bereit sind. Dazu kommt, daß im gegebenen Fall der Kläger, wenn es auch zur Aufnahme der Stromlieferung an ihn nicht wie sonst auf Grund einer Anmeldung mittels eines besonderen Vordruckes (Punkt III Z. 1 der Allgemeinen Bedingungen), sondern durch formlose Anzeige des Verwalters des Hauses kam, durch die monatlichen Stromabrechnungen, auf deren Rückseite auf diese Allgemeinen Bedingungen verwiesen wird, auf sie aufmerksam gemacht wurde. Es war daher ihm überlassen, sich mit ihrem Inhalt auch vertraut zu machen.

Danach ist das EVU. im wesentlichen verpflichtet (Art. II) Strom der bezeichneten Art, Spannung und Periodenzahl zur Verfügung zu stellen (Z. 1), Spannung und Periodenzahl auf möglichst gleichbleibender Höhe zu halten (Z. 2), dafür zu sorgen, daß dem Abnehmer, solange der Versorgungsvertrag läuft, dauernd die Möglichkeit gewährt wird, elektrische Energie im Umfange seiner Anmeldung (vgl. III, 1 und V, 4) zu jeder Tages- und Nachtzeit am Ende des Hausanschlusses zu übernehmen, soweit das EVU. nicht durch Fälle höherer Gewalt oder durch sonstige Umstände, die abzuwenden nicht in seiner Macht steht, verhindert ist oder die Vornahme betriebsnotwendiger Arbeiten die Unterbrechnung erfordern (Z. 3). Das EVU. wird bemüht sein, jede Unterbrechung und Unregelmäßigkeit möglichst bald zu beheben (Z. 4). Nachlässe und Schadenersätze werden in keinem Falle (auch nicht bei Abweichungen von der festgelegten Spannung - vgl. II, 1) gewährt (Z. 5).

Soweit sich die Beklagten - im Hinblick auf die vom Berufungsgericht angenommene Sittenwidrigkeit des bedungenen Ausschlusses jeglichen Schadenersatzes - bemühen darzulegen, daß sich diese Bestimmung des Art. II Z. 5 nur auf die typisch betrieblichen Gefahren der Stromversorgung beziehe und aus diesem Gründe gar nicht sittenwidrig sein könne, ist daraus für sie nichts zu gewinnen. Es mag ihnen zugegeben werden, daß gewisse Schwankungen und auch Unterbrechungen in der Stromlieferung betriebsbedingt auftreten können und daß das EVU. für diese Fälle eine Haftung ausschließen will. Solchen Fällen wurde auch von der Rechtsprechung Rechnung getragen, indem etwa mit der von den Beklagten zitierten Entscheidung JBl. 1965 S. 148, eine Haftung für einen aus einer kurzfristigen Unterbrechung der Stromlieferung entstandenen Schaden abgelehnt wurde. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend aber nicht und ebensowenig um einen solchen höherer Gewalt oder einen sonstigen Umstand, den abzuwenden nicht in der Macht des EVU. gestanden wäre, wie es Art. 2 Z. 3 der Allgemeinen Bedingungen bestimmt. Nach den Feststellungen der Untergerichte setzte vielmehr der Bürgermeister den Betriebsleiter der Beklagten bereits zirka eine Woche vor dem 12. Oktober 1967, an welchem Tag der Betriebsleiter dann die Stromabschaltung vornahm, von der Notwendigkeit der Verlegung der Masten in der R.-Gasse und damit einer voraussichtlich längeren Dauer der Unterbrechung der Stromversorgung in Kenntnis. Aus der für die Beklagten bestehenden grundsätzlichen Verpflichtung zur jederzeitigen und ununterbrochenen Stromlieferung (Art. II Z. 3 der Allgemeinen Bedingungen) folgt für sie auch die Verpflichtung, die Abnehmer von einer voraussichtlich längeren Abschaltung in Kenntnis zu setzen. Aus dem Fehlen einer besonderen Vorschrift, die ihnen das ausdrücklich zur Pflicht macht, kann entgegen ihrer Meinung keineswegs der Schluß gezogen werden, dazu nicht verpflichtet zu sein. Bei dieser Auffassung wäre es letztlich ihnen überlassen, ob sie ihrer Vertragspflicht nachkommen wollten oder nicht. Daß der Vertrag nicht in diesem Sinn aufgefaßt werden kann, liegt aber auf der Hand. Auch die Beklagten selbst waren offenkundig nicht dieser Meinung, was sich schon daraus ergibt, daß sie andere Stromabnehmer von der bevorstehenden Abschaltung in Kenntnis setzen ließen. Von einer freiwilligen und unverbindlichen Leistung, wie sie glauben, kann keine Rede sein. Eine Verständigung des Klägers unterblieb dabei lediglich durch ein Versehen des Betriebsleiters, der es im gegebenen Falle entgegen der sonst bestehenden Übung, nach den vorhandenen Unterlagen vorzugehen, unterließ, in diese Einsicht zu nehmen, sondern versuchte, aus dem Gedächtnis die in Betracht kommenden Stromabnehmer zu verzeichnen und diese durch seine Untergebenen verständigen ließ. Dabei wurde auf den Kläger vergessen. In dieser dadurch bedingten Unterbrechung der Stromlieferung kann aber keineswegs eine "typische Betriebsgefahr der Stromversorgung", wie die Beklagten vermeinen, erblickt werden.

Es ist vielmehr davon auszugehen, daß es der Betriebsleiter der Beklagten, obwohl dazu hinreichend Anlaß und auch genug Zeit gewesen wäre und bei anderen Stromabnehmern auch die Verständigung vorgenommen wurde, wegen Unterlassung der Einsicht in die Unterlagen und damit grob fahrlässig versäumte, auch den Kläger in Kenntnis zu setzen. Soweit die Beklagten die Ausschlußklausel des Art. II Z. 5 der Allgemeinen Bedingungen ungeachtet ihrer oben behandelten Ausführungen, daß sie sich nur auf typische Vertragsgefahren beziehe, auch auf den durch die Unterlassung der Verständigung entstandenen Schaden angewendet wissen wollen, sind sie nicht im Recht. Die Rechtsprechung steht auf dem Standpunkt, daß Vereinbarungen über den Ausschluß der Haftung nur insoweit als wirksam angesehen werden können, als die Vertragspartner bei ihrem Abschluß überhaupt mit der Möglichkeit einer Schadensverursachung rechnen konnten. Es kommt darauf an, ob es sich um einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren handelt (EvBl. 1961 Nr. 95, SZ. XXXI 57). In den Fällen, in denen diese Voraussetzungen nicht zutreffen, ist die Haftung in Wahrheit nicht wegen der Sittenwidrigkeit des Haftungsausschlusses, sondern deshalb gegeben, weil auch Vereinbarungen über die Beschränkung oder den Ausschluß der Haftung nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB.) auszulegen sind (SZ. XXXI 57) und diese Auslegung ergibt, daß diese Fälle von der Ausschlußvereinbarung nicht erfaßt sind (in diesem Sinne auch SZ. XXI 88). Es haftet daher das EVU. wohl nicht für Schäden, die durch betriebsbedingte Schwankungen und auch Unterbrechungen der Stromlieferung verursacht werden. Es kann diese Bestimmung der Allgemeinen Bedingungen aber nicht dahin ausgelegt werden, daß vom Haftungsausschluß auch die Schäden erfaßt werden, die durch alle anderen Verstöße gegen die den Angestellten des Werkes als des Vertragspartners des Klägers obliegenden Sorgfaltspflichten verursacht wurden. Um einen derartigen Verstoß handelt es sich aber bei der Unterlassung der Verständigung von der Unterbrechung der Stromlieferung durch längere Zeit.

Können daher die Beklagten die Haftung für den dem Kläger durch den Ausfall der Stromlieferung entstandenen Schaden nicht ablehnen, so bedarf es der Prüfung des Kausalzusammenhanges des schädigenden Ereignisses mit dem vom Kläger geltend gemachten Schaden und der Höhe dieses Schadens. Da das Erstgericht, von seiner abweichenden Rechtsansicht ausgehend, darüber keine Feststellungen vornahm, wurde sein Urteil mit Recht aufgehoben.

Anmerkung

Z41131

Schlagworte

Allgemeine Geschäftsbedingungen, Elektrizitätsunternehmungen, Elektrizitätsunternehmung, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Elektrizitätsunternehmung, Schadenersatz wegen Nichtverständigung von, Unterbrechung der Stromlieferung, Haftungsausschluß, Allgemeine Geschäftsbedingungen von, Elektrizitätsunternehmungen, Schadenersatz, Nichtverständigung von Unterbrechung der Stromlieferung, Stromlieferung, Schadenersatz wegen Nichtverständigung von, Unterbrechung der -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0060OB00258.68.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19681009_OGH0002_0060OB00258_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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