TE OGH 1972/6/29 2Ob42/72 (2Ob43/72)

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Veröffentlicht am 29.06.1972
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pichler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik, Dr. Piegler, Dr. Fedra und Dr. Reithofer als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Helga P*****, Hausfrau, *****,

2.) mj Claudia P*****, 3.) mj Walter P*****, die beiden letzteren ebendort wohnhaft, und vertreten durch die Erstklägerin als Vormund, diese vertreten durch Dr. Erhart Blechschmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Johann K*****, Kranführer, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Griss, Rechtsanwalt in Graz, 2.) Peter Anthony S*****, Student, *****, 3.) Jonathan K*****, Student, *****, letztere beide vertreten durch Dr. Wolfgang Bauerreiss und Dr. Hannes Priebsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen Schadenersatzes infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil und Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15. November 1971, GZ 2 R 137/71-53, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Juli 1971, GZ 6 Cg 27/70-49, teils bestätigt, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision der Beklagten wird Folge gegeben; der das Ersturteil bestätigende Teil des Berufungsurteils wird aufgehoben und insoweit dem Berufungsgerichte neuerliche Entscheidung aufgetragen. Dem Rekurs der Kläger wird Folge geben, der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes behoben und diesem neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisions- bzw Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 9. 9. 1964 wurde Dipl.-Ing. Walter P***** (geboren 24. 7. 1925) bei einem Verkehrsunfall getötet, seine beiden minderjährigen ehelichen Kinder (Zweitklägerin und Drittkläger) wurden verletzt. Das Verschulden trifft den Erst- und Zweitbeklagten allein. Der Drittbeklagte war Halter des vom Zweitbeklagten gelenkten Fahrzeuges. Dipl.-Ing. Walter P***** war Landesangestellter (Landwirtschaftsrat der Steiermärkischen Landesregierung).

Die Kläger begehrten nach § 1327 ABGB gestaffelte Renten, und zwar die Erstklägerin als Witwe auf Lebenszeit, die am 6. 4. 1963 geborene Zweitklägerin und der am 28. 5. 1964 geborene Drittkläger bis zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit, die sie "ungefähr mit ihrem 25. Lebensjahr" annahmen, ferner die Feststellung der ungeteilten Haftung aller drei Beklagten für künftige Schäden. Zweit- und Drittkläger verlangten außerdem ein Schmerzengeld von 3.000,-- S bzw 4.000,-- S. Im ersten Rechtsgang wurde der Zweitklägerin und dem Drittkläger ein Schmerzengeld zuerkannt, das Feststellungsbegehren sämtlicher Kläger jedoch abgewiesen. Dem Rentenbegehren wurde größtenteils stattgegeben.

Die zuerkannten Schmerzengeldbeträge, die Abweisung des Feststellungsbegehrens und Teilrenten blieben unangefochten, sodaß im zweiten Rechtsgang nur mehr Unterhaltsentgänge zur Entscheidung stehen.

Nach teilweiser Aufhebung des Ersturteils mit Rechtskraftvorbehalt erhoben die Kläger Rekurs. Der Oberste Gerichtshof bestätigte jedoch den Aufhebungsbeschluß (2 Ob 93/70).

Im zweiten Rechtsgang wurde

a) der Erstbeklagte zur ungeteilten Hand mit dem Zweit- und Drittbeklagten schuldig erkannt, der Erstklägerin einen rückständigen Rentenbetrag von 6.280,52 S sA, der minderjährigen Zweitklägerin und dem minderjährigen Drittkläger je einen solchen von 8.100,57 S sA und allen drei Klägern ab 1. 9. 1967 gestaffelte Renten, und zwar der Erstklägerin auf Lebensdauer, der minderjährigen Zweitklägerin und dem minderjährigen Drittkläger bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, zu entrichten;

b)

alle drei Beklagten zur ungeteilten Hand verurteilt, außer den zu

a)

genannten Beträgen der Erstklägerin einen rückständigen Rentenbetrag von 7.806,88 S sA, der minderjährigen Zweitklägerin und dem minderjährigen Drittkläger je einen solchen von 17.236,63 S sA zu bezahlen und allen drei Klägern wiederum ab 1. 9. 1967 weitere gestaffelte Renten zu leisten, und zwar auch hier der Erstklägerin auf Lebensdauer und den beiden minderjährigen Klägern bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit.

Das nur von den Beklagten angerufene Berufungsgericht wies das Begehren auf Zahlung rückständiger Rentenbeträge an die Erstklägerin im Betrage von 6.280,52 S sA sowie an die Zweit- und Drittkläger von je 8.100,57 S sowie auf Leistung von laufenden Monatsrenten an die Kläger für die Zeit vom 1. 9. 1967 bis 31. 3. 1971 durch den Erstbeklagten ab. Hinsichtlich der Verurteilung aller drei Beklagten zur Leistung einer Monatsrente und der Sonderzahlungen an die Erstklägerin ab 1. 1. 1996 wurde das Ersturteil aufgehoben und unter Rechtskraftvorbehalt zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wurde das Ersturteil bestätigt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wenden sich der Rekurs der Kläger und die Revisionen aller Beklagten nach § 503 Z 3 und 4

ZPO.

Die Kläger beantragen, den Aufhebungsbeschluß zu beseitigen und dem Berufungsgericht neuerliche Entscheidung aufzutragen. Die Beklagten beantragen, die über die im zweiten Rechtsgang ausdrücklich anerkannten Rentenrückstände und Rentenbegehren aller drei Kläger hinausgehenden Beträge abzuweisen; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Kläger erheben in der Revisionsbeantwortung das Begehren, den Revisionen nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind begründet.

Für die Erledigung der Rechtsmittel ist zunächst die Frage der Einkommensverteilung in der Familie der Kläger maßgebend, weil davon der Umfang möglicher Ansprüche nach § 1327 ABGB abhängt. Die Untergerichte berechneten die Renten der Kläger unter der Annahme, daß Dipl.-Ing. Walter P***** für sich selbst ein Drittel, die Erstklägerin ebenfalls ein Drittel, Zweitklägerin und Drittkläger je ein Sechstel verbraucht haben und daß ab der Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder das Einkommen zur Hälfte dem Getöteten und zur anderen Hälfte der Erstklägerin zugekommen wäre. Die Revisionswerber meinen, diese Einkommensverteilung widerspreche jeder einschlägigen Erfahrung und auch der üblichen Spruchpraxis der Gerichte. Dipl.-Ing. P***** hätte sich, wäre er mit der Zeit in eine höhere Position gelangt, nicht immer nur mit einem Drittel seines Einkommens bzw mit einer Hälfte begnügt.

Festgestellt wurde, daß Dipl.-Ing. P***** ein äußerst bescheidener und anspruchsloser Mensch war, der seinen Verdienst nur für die Familie verwendete. Er war Nichtraucher, Nichttrinker und hatte auch keine kostspieligen Neigungen. Er hätte auch bei gesteigertem Einkommen, seiner Veranlagung entsprechend, seine Lebensweise nicht geändert und seine Ersparnisse nicht für sich zurückgelegt, sondern hätte sie nur für seine Familie, insbesondere für die Zukunft der Kinder, verwendet.

Den Mutmaßungen der Revisionswerber kann daher nicht gefolgt werden. Die über die Lebensweise des Getöteten und über die Lebensverhältnisse der Familie getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme der Untergerichte (§ 273 ZPO) über den Verteilungsschlüssel bezüglich des Einkommens. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung ist hierin nicht erkennbar.

Das Erstgericht sprach der Erstklägerin eine Rente auf ihre Lebenszeit zu, obwohl die Beklagten die Begrenzung dieser Rente auf die mutmaßliche Lebenszeit ihres Gatten begehrt hatten und dessen Lebenserwartung mit 70 Jahren und somit mit dem 28. 2. 1996 begrenzt hatten.

Das Berufungsgericht hielt den Einwand der Beklagten für grundsätzlich berechtigt und hob daher jenen Teil des Ersturteiles, der der Erstklägerin Renten- und Sonderzahlungen ab 1. 1. 1996 auf ihre Lebensdauer zusprach, auf, weil das Erstgericht die Lebenserwartung des Gatten der Erstklägerin nicht festgestellt hatte. Der Rekurs der Kläger macht geltend, eine derartige Beweisaufnahme sei überflüssig, das Ersturteil wäre zu bestätigen gewesen. Die Untergerichte seien davon ausgegangen, daß der Gatte der Erstklägerin sein Pensionsalter, nämlich den 31. 12. 1990, erlebt hätte. Die Erstklägerin habe für die Deckungsfondsberechnung die Pension ihres Gatten herangezogen und hievon die Quote von 50 % beansprucht. Der ihr zu ersetzende Schaden bestehe daher ab 1. 1. 1991 in der Differenz zwischen 50 % des fiktiven Pensionsbezuges ihres Gatten und jenem Betrag, der ihr laut Amtsbestätigung im gleichen Zeitraum tatsächlich zukommen werde. Unterstelle man jedoch, daß der Ehegatte nach Erreichung seines Pensionsalters und damit Erlangung seines vollen Pensionsanspruches vor der Erstklägerin verstorben wäre, so wäre ihr nach dem Gesetz eine Witwenpension in Höhe von 60 % seiner Pension zugestanden, sodaß sie nicht weniger, sondern mehr erhalten würde als die von ihr angenommene Quote von 50 % der Pension des Gatten. Es sei daher im vorliegenden Fall unerheblich, wie lange allenfalls ihr Gatte seine Pensionierung überlegt hätte, da sich jedenfalls eine Reduzierung oder Beendigung ihrer Ansprüche dadurch nicht ergeben könnte.

Diesen Ausführungen ist beizupflichten. Der grundsätzlich richtige Standpunkt des Berufungsgerichtes kommt im vorliegenden Fall nicht zur Auswirkung, weil die Erstklägerin durch den Tod ihres Gatten nach Übertritt in den Ruhestand nicht schlechter gestellt wäre als im Falle seines Weiterlebens. Es hat daher beim Zuspruch auf Lebenszeit der Erstklägerin zu verbleiben.

Die Revisionen der Beklagten wenden sich gegen die Art, wie die jährlichen beiden Sonderzahlungen berücksichtigt wurden, die dem Verunglückten zugeflossen wären. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß es der Wirklichkeit näher komme, die Sonderzahlungen nur für jene Monate zu berücksichtigen, in denen sie tatsächlich anfallen und somit üblicherweise der Familie zugute kommen. Die Befürchtung der Berufungswerber, daß sie durch die vom Erstgericht praktizierte Berechnung der Sonderzahlungen benachteiligt seien, weil sie bereits rechtskräftig zuerkannte Beträge zu bezahlen hätten, in welche sie selbst die Sonderzahlungen bereits im Durchschnitt einbezogen hätten, treffe nicht zu, weil das Erstgericht dies berücksichtigt habe. Die Beklagten führen dazu in ihrer Revision aus, die Aufteilung des Rentenbegehren, in monatlich zu zahlende Rentenbeträge einerseits und vierteljährlich zu zahlende Sonderzahlungen andererseits erweise sich als unrichtig. Das Berufungsgericht hätte von einer monatlichen Zumessung der Renten ausgehen müssen. Auf diese Weise seien der Erstklägerin um 26.469,65 S mehr zugesprochen worden, als sie im zweiten Rechtsgang begehrt habe.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 2 Ob 75, 76/70 und 2 Ob 79/71 ausgesprochen hat, würde eine überspitzte Anwendung des Grundsatzes der zeitlichen Kongruenz hinsichtlich der Sonderzahlungen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Der Zweck der Zahlungen sei eine Einkommensverbesserung, wobei der Zeitpunkt der Fälligkeit der Sonderzahlungen nicht wesentlich sei. Die Beklagten sind daher mit ihrer Ansicht, daß die Renten nach einem Monatsdurchschnitt zu berechnen seien, im Recht. Deshalb war der das Ersturteil bestätigende Teil des Berufungsurteils, auf den allein sich die Revision der Beklagten bezieht, aufzuheben und dem Berufungsgerichte eine neue Entscheidung unter Beobachtung obiger Rechtsansicht aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E73516 2Ob42.72

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1972:0020OB00042.72.0629.000

Dokumentnummer

JJT_19720629_OGH0002_0020OB00042_7200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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