TE OGH 1978/12/20 10Os183/78

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Veröffentlicht am 20.12.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brachtel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 22. September 1978, GZ. 19 Vr 1139/

78-13, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 54-jährige Maschinist Josef A der Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB (Punkt I des Schuldspruchs) und der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB (Punkt II des Schuldspruchs) schuldig erkannt, weil er am 3. März 1978 in Werfen I. dadurch, daß er gegen den Gendarmeriebeamten Rudolf B, der im Begriffe war, ihn anzuhalten, um ihn einer Verkehrskontrolle zu unterziehen, mit seinem PKW zweimal mit hoher Geschwindigkeit fuhr, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung hinderte und II. den Gendarmeriebeamten Rudolf B dadurch, daß er auf diesen mit seinem PKW zufuhr, wodurch B vom Fahrzeug an der linken Körperhälfte gestreift wurde, am Körper verletzte, wobei die Tat an einem Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben begangen wurde und eine leichte Verletzung dieses Beamten, nämlich eine Kontusion am linken Arm zur Folge hatte.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen lenkte der Angeklagte am 3. März 1978 - von Salzburg kommend -

in alkoholisiertem Zustand und ohne im Besitz eines Führerscheines zu sein, einen PKW auf der Salzachtal-Bundesstraße und bog in die Katschberg-Bundesstraße in Richtung Radstadt ein. Hiebei fuhr er an einer im Verkehrsüberwachungsdienst stehenden motorisierten Gendarmeriepatrouille, bestehend aus den Gendarmen Rudolf B und Herbert C vorbei. Diese wollten den amtsbekannten Angeklagten einer Kontrolle unterziehen, zumal sie den - tatsächlich begründeten - Verdacht hatten, daß er nicht im Besitz eines Führerscheins war. Als der Angeklagte sah, daß ihm das Gendarmeriefahrzeug mit Blaulicht und Folgetonhorn nachfuhr, erhöhte er die Geschwindigkeit und fuhr beim Gasthaus 'G' auf die zur Tauernautobahn, Baulos 7, einbiegende Gemeindestraße und vom Baulos 7 weiter auf die Werfenwenger-Landesstraße bis zu der in der Ortschaft Pfarrwerfen befindlichen Eisenbahnkreuzung. Dort mußte er anhalten, weil die Bahnschranken geschlossen waren. Inzwischen hatte ihn die Gendarmeriepatrouille eingeholt und das Gendarmeriefahrzeug schräg hinter seinem Fahrzeug auf der Fahrbahn abgestellt. Der Angeklagte wendete seinen PKW und benützte dabei, da ein Teil der Straße durch das Gendarmeriefahrzeug blockiert war, den Gehsteig.

Er sah sodann den auf der Straße stehenden Gendarmeriebeamten B und fuhr auf diesen, seine Geschwindigkeit erhöhend, zu; der Gendarm konnte sich nur durch einen Sprung zur Seite vor dem überfahrenwerden retten, jedoch nicht verhindern, daß er vom Fahrzeug des Angeklagten an der linken Körperseite gestreift wurde. Dabei erlitt er die oben erwähnte Kontusion am linken Oberarm (erster Vorfall).

Ungeachtet eines von B abgegebenen Warnschusses setzte der Angeklagte seine Fahrt auf der Werfenwenger-Landesstraße in Richtung Tauernautobahn zum Baulos 7 fort, und geriet in eine Sackgasse. Dort drehte er - von den Gendarmen weiter verfolgt - abermals um und fuhr neuerlich mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit auf den mit der Dienstpistole im Anschlag stehenden Gendarmeriebeamten B los. Dieser konnte sich wiederum nur durch einen Sprung zur Seite vor dem Fahrzeug in Sicherheit bringen (zweiter Vorfall). Trotz abgegebener Warnschüsse entkam der Angeklagte zunächst und wurde erst beim Anwesen des Landwirts Anton D (im Werfen-Gschwandt) nach Androhung des Waffengebrauches festgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen des § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 StPO, der jedoch Berechtigung nicht zukommt. In der vorweg zu behandelnden Mängelrüge wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit der Urteilsbegründung vor, weil es davon ausgehe, daß die Aussagen der beiden Zeugen Rudolf B und Herbert C im wesentlichen durch die Zeugen Rupert E und Sebastian F bestätigt worden seien. Tatsächlich habe aber der Zeuge F ausgesagt, nicht gesehen zu haben, daß B angefahren worden sei, sondern daß er (Zeuge) eher den Eindruck gehabt habe, der Beamte sei hingefallen.

Auch habe der Zeuge E die Möglichkeit nicht ausschließen können, daß B nur gestolpert ist.

Die Mängelrüge ist nicht begründet.

Das Erstgericht hat, vornehmlich gestützt auf die Aussagen der von ihm als glaubwürdig angesehenen Zeugen B und C die oben wiedergegebenen Feststellungen getroffen. Demnach ist der Angeklagte zweimal mit seinem Fahrzeug auf den erstgenannten Gendarmen zugefahren und hat ihn beim ersten Angriff leicht verletzt. Der gegenteiligen, zudem wechselnden Verantwortung des Angeklagten versagte es mit ausführlicher und unbedenklicher Begründung den Glauben.

Das Gericht hat sich in seiner Urteilsbegründung eingehend und aktengetreu auch mit den Aussagen der beiden Zeugen E und F auseinandergesetzt, insbesondere damit, daß diese beiden Zeugen die Ursache des Sturzes des Gendarmen B wegen der Entfernung und weil ihnen die Sicht durch die Fahrzeuge teilweise verstellt war, nicht unmittelbar beobachten konnten (S 117).

Darin allein aber ist ein Widerspruch zwischen den Aussagen dieser Zeugen und den Deponierungen der beiden Gendarmeriebeamten, die unmittelbare Tatzeugen waren, nicht zu erblicken, zumal die Bekundungen der Zeugen E und F nicht geeignet sind, auszuschließen, daß Rudolf B vom Fahrzeug des Angeklagten angefahren wurde. Eine Widersprüchlichkeit oder Unvollständigkeit der Urteilsbegründung liegt nicht vor. Das Urteil ist somit nicht mit den behaupteten Begründungsmängeln behaftet, der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht gegeben.

Mit der Verfahrensrüge wendet sich der Angeklagte gegen die Abweisung seines Beweisantrages auf Durchführung eines Ortsaugenscheins zum Beweise dafür, daß er nicht auf B zugefahren sei und diesen nicht verletzt habe (Seite 108).

Das Schöffengericht wies diesen Antrag mit der Begründung im Zwischenerkenntnis ab, daß durch einen Ortsaugenschein nur das Umkehrmanöver des Angeklagten vor dem geschlossenen Bahnschranken geklärt werden könne - das jedoch unbestritten geblieben sei -, nicht jedoch die Stelle an der die Verletzung des Gendarmen durch das Fahrzeug des Angeklagten erfolgt ist (Seite 109). In der Urteilsbegründung wiederholte das Erstgericht, daß aus der Durchführung eines Ortsaugenscheines keine zusätzlichen Momente (gemeint: für die Wahrheitsfindung) erwartet werden könnten und fügte bei, daß die Örtlichkeiten selbst durch die vorliegenden Lichtbilder und eine von der Gendarmerie angefertigte Skizze hinlänglich klar seien und der Sachverhalt ausreichend beurteilt werden könne. Auch stünden die wesentlichen Umstände bereits durch die Vernehmung der Zeugen fest (Seite 120).

Dementgegen vermeint der Beschwerdeführer, durch die Abhaltung eines Ortsaugenscheins unter Beiziehung und neuerlicher Einvernahme sämtlicher Zeugen hätte erwiesen werden können, daß sich B beim ersten Angriff selbst verletzt habe und ohne sein (des Angeklagten) Zutun zu Sturz gekommen sei; in Ansehung des zweiten Angriffs hätte sich ergeben, daß er (Beschwerdeführer) so weit von B entfernt vorbeigefahren sei, daß dieser gar nicht hätte überfahren werden können.

Die Verfahrensrüge erweist sich schon deshalb als verfehlt, weil bei der gegebenen Sachlage das allein angebotene Beweismittel des Ortsaugenscheins zur Widerlegung der den Angeklagten belastenden Zeugenaussagen nicht geeignet sein kann. Eine Vernehmung von Zeugen an Ort und Stelle aber hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung nach dem Inhalt des ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungs-Protokolls nicht begehrt; in dieser Richtung konnte daher auch keine ihn benachteiligende Entscheidung des Erstgerichtes ergehen und es fehlt insoweit sogar die formelle Legitimation zur Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes.

Bei der gegebenen Sachlage sind somit durch die Abweisung dieses Beweisantrages die Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt worden.

Die offenbar unbegründete, nur auf die Z 4 und 5

des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2

StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. über die von ihm und von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Anmerkung

E01721

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00183.78.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19781220_OGH0002_0100OS00183_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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