Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert A wegen des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit a und lit c PornG. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 13.November 1978, GZ 1 b Vr 488/78-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hoskovec und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß statt der über den Angeklagten verhängten, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 37 Abs 1
StGB und unter Ausschaltung des Ausspruchs über die bedingte Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) eine Geldstrafe von 42 (zweiundvierzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 21 (einundzwanzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wird; der Tagessatz wird mit 100 (hundert) S festgesetzt.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert A des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit a und lit c PornG. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in der Zeit vom März bis zum 11.April 1978 in Wien als Geschäftsführer eines 'Sex-Shop' in gewinnsüchtiger Absicht unzüchtige Schriften und Abbildungen, und zwar neun im Urteilstenor bezeichnete Druckwerke, die unter anderem bildliche und schriftliche Darstellungen lesbischen Umgangs, wie gegenseitiges Lecken an den Geschlechtsteilen und gegenseitiges Onanieren von Frauen, zum Teil unter Verwendung technischer Onaniergeräte, enthalten und deren Inhalt er kannte, zum Zweck der Verbreitung vorrätig hielt, anderen anbot und teils auch überließ.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs 1 Z. 5 und Z. 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Pornographische, also auf sich selbst reduzierte und vom Zusammenhang mit anderen Lebensäußerungen gelöste, anreißerisch verzerrte Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakte sind, wie der Oberste Gerichtshof in einem verstärkten Senat erkannt hat
(13 Os 39/77 vom 6.Juni 1977 =
EvBl 1977/186 = RZ. 1977/95), entsprechend der heterosexuellen
Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft generell als unzüchtig anzusehen; von dieser ständigen Judikatur (vgl. auch 11 Os 130/77, 10 Os 30/78, 12 Os 71/78 =
ÖJZ-LSK. 1978/354) abzugehen, bieten die dagegen remonstrierenden Beschwerdeausführungen keinen Anlaß.
Verfehlt ist insbesondere das Argument, daß es dann, wenn es erlaubt sei, etwas zu tun, auch nicht strafbar sein könne, 'darüber zu schreiben und mit Bildern zu erzählen'.
Denn wenn auch sexuelle Handlungen zwischen Frauen (weitergehend als zwischen Männern, vgl. § 209 StGB) vom Gesetz nicht anders als bisexuelle Handlungen behandelt werden, zeigen die in den § 220, 221 StGB normierten Verbote der Propagierung und der organisierten Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht ohne Rücksicht darauf, ob die Unzuchtshandlungen selbst im Einzelfall strafbar sind oder nicht, daß pornographische Darstellungen, die homosexuelles Verhalten propagieren, auch dem Schutzzweck des Pornographiegesetzes ganz allgemein zuwiderlaufen und deshalb von der Rechtsordnung absolut perhorresziert werden (vgl. abermals 13 Os 39/77 = v.S. und 10 Os 30/78). Aspekte des Belästigungsschutzes sind daher nur für hier nicht in Betracht kommende Fälle bloß relativer Unzüchtigkeit von Belang. Unzutreffend ist aber auch der weitere rechtliche Einwand des Beschwerdeführers, daß die inkriminierten Darstellungen lesbischer Unzucht in Zeitschriften, die ihrem Wesen nach nur zur Lektüre und Betrachtung durch Einzelpersonen bestimmt seien, bei einer deshalb gebotenen Beurteilung 'nach kritischeren Gesichtspunkten' nicht grob gegen das allgemeine Sittlichkeits- und Schamgefühl verstießen. Selbst bei zurückhaltender Wertung nach den Maßstäben normal empfindender, sozial integrierter Durchschnittsmenschen und unter Beachtung dessen, daß nicht jede Art Darstellung von Sexualkontakten (insb. zwischen Frauen) schon pornographisch ist, sind die gegenständlichen anreißerisch verzerrten, ausschließlich der sexuellen Erregung der Konsumenten dienenden und daher propagandistisch wirkenden Darstellungen intensiver (nach den abgebildeten Situationen ersichtlich längerwährender und mit unmittelbarem Körperkontakt, wenngleich auch unter Benützung technischer Hilfsmittel getriebener) gleichgeschlechtlicher Unzucht im Sinn einer groben Störung des Zusammenlebens in der Gesellschaft intolerabel.
Mit der behaupteten Nichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO mangels des objektiven Tatbildmerkmals einer Unzüchtigkeit der in Rede stehenden Schriften und Abbildungen ist das angefochtene Urteil demnach nicht behaftet.
In gleicher Weise versagt die auf Z. 5 der vorerwähnten Verfahrensbestimmung gestützte Mängelrüge des Angeklagten gegen die Feststellung des Schöffengerichts, daß ihm 'zur Tatzeit sehr wohl bewußt war, was weiche und was harte Pornographie darstelle'. Bei beiden Begriffen geht es um die rechtliche Beurteilung bestimmter Objekte in bezug auf die Eigenschaft 'unzüchtig', die im einen Fall von gewissen Begleitumständen (in Ansehung einer Konfrontation der zu beurteilenden Sachen mit der Bevölkerung) abhängig, also bloß relativ, im anderen Fall dagegen unter allen Umständen, sohin absolut, gegeben ist (vgl. hiezu neuerlich 13 Os 39/77 = v.S.).
Ein Irrtum über diese rechtliche Qualität der betreffenden Gegenstände fällt demnach im Sinn der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs in den Bereich des Rechtsirrtums (vgl. 11 Os 134/78, 13 Os 10/75 = SSt. 46/50, EvBl 1973/195
u. v.a.). Der Geschäftsführer eines 'Sex-Shops' ist aber verpflichtet, sich insoweit genaue Kenntnis über die Gesetzeslage und über die Rechtsprechung zu verschaffen (13 Os 102/78, 13 Os 175/76); ein auf dem Nichtbeschaffen einer verläßlichen Information beruhendes irrtümliches Verkennen, daß eine Schrift oder Darstellung, deren Inhalt ihm der Art nach bekannt ist, zur generell verpönten Pornographie zählt, ist ihm daher jedenfalls vorzuwerfen (§ 9 Abs 2 StGB), sodaß er dessenungeachtet für eine dem § 1 PornG. zu subsumierende Vorsatztat nach dieser Strafbestimmung verantwortlich ist (§ 9 Abs 3 StGB). So gesehen betrifft folglich die bekämpfte Feststellung, daß dem Angeklagten der Unterschied zwischen 'weicher' und 'harter' Pornographie zur Tatzeit bewußt war, gar keine entscheidende Tatsache im Sinn des geltendgemachten formellen Nichtigkeitsgrundes, weil ihn im Hinblick auf seinen Beruf auch ein darüber unterlaufener Rechtsirrtum nicht exkulpieren könnte, sodaß die Mängelrüge ins Leere geht.
Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber zur Dartuung einer Relevanz der angefochtenen Konstatierung in bezug auf die (nach dem Gesagten zutreffende) Rechtsansicht des Erstgerichts, er hätte sich (jedenfalls) von der bestehenden Rechtslage Kenntnis verschaffen müssen, die Auffassung vertritt, diese Ansicht wäre nur dann schuldspruchtragend, wenn § 1 PornG. als Schuldform Fahrlässigkeit zuließe, weil Untersuchungen mit Zielrichtung dolus eventualis - gemeint: hinsichtlich der Eigenschaft 'unzüchtig' - nicht angestellt worden seien, bringt er damit die Rechtsmeinung zum Ausdruck, der oben erörterte Irrtum sei als (gemäß § 5 StGB den Vorsatz ausschließender) Tatbildirrtum anzusehen. Diese Annahme ist aber, wie bereits dargelegt, rechtlich verfehlt. Für die subjektive Tatseite des § 1 PornG. genügt es vielmehr, wie der Vollständigkeit halber bemerkt sei, daß sich der Vorsatz des Täters - wovon das Schöffengericht im gegebenen Fall ausging - auf jene Tatsachen erstreckt, die in rechtlicher Hinsicht in concreto das Merkmal der Unzüchtigkeit des Tatobjekts begründen (vgl. 10 Os 165/73, 10 Os 256/71 u.a.).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 1 Abs 2 PornG. zu drei Wochen Freiheitsstrafe, die es ihm gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, den bisher untadelhaften Wandel des Angeklagten und die Sicherstellung des pornographischen Gutes dagegen als mildernd.
Der Berufung des Angeklagten, mit der er die Verhängung einer Geldstrafe statt der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt Berechtigung zu.
Der schon aus der Kürze der in erster Instanz verhängten Freiheitsstrafe erhellende nicht allzugroße Unrechtsgehalt der dem Berufungswerber zur Last fallenden Straftat und dessen bisherige Unbescholtenheit lassen erkennen, daß ungeachtet der Nichtablegung eines Geständnisses durch ihn und trotz des im angefochtenen Urteil ins Treffen geführten vermehrten Umlaufs von Druckwerken lesbischen Inhalts im gegebenen Fall die Anordnung einer Freiheitsstrafe weder aus spezial-, noch aus generalpräventiven Erwägungen erforderlich ist, sodaß gemäß § 37 Abs 1
StGB statt dessen eine Geldstrafe zu verhängen war. Diese entspricht in der Höhe von 42 Tagessätzen der vom Erstgericht unangefochten als angemessen (§ 32 StGB) erkannten Dauer der (nunmehrigen Ersatz-) Freiheitsstrafe von 21 Tagen. Die Höhe des Tagessatzes von 100 S wird bei einem Monatseinkommen des mit keiner Sorgepflicht belasteten Angeklagten von 7.200 S seinen persönlichen Verhältnissen und - ungeachtet der Pfändung seines Einkommens auf die Dauer etwa eines Jahres bis zum Existenzminimum - auch seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz gerecht (§ 19 Abs 2 StGB), bei deren Einschätzung ein unter Bedacht auf die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs (§ 409 a StPO) in Relation zur Höhe der Geldstrafe angemessen langer Beurteilungszeitraum zu berücksichtigen ist.
Im Interesse einer spezialpräventiv erforderlichen Effizienz der verhängten Geldstrafe kam jedoch die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) nicht in Betracht (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/22), sodaß der betreffende Ausspruch - ohne Verstoß gegen das Verschlimmerungsverbot (§ 295 Abs 2 StPO), weil die bedingte Strafnachsicht nur ein Annex jener Strafart darstellt, der sie jeweils zugeordnet wird (SSt. 46/73) - aus dem Ersturteil auszuschalten war.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01938European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00035.79.0426.000Dokumentnummer
JJT_19790426_OGH0002_0130OS00035_7900000_000