TE OGH 1979/8/30 7Ob690/79

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Veröffentlicht am 30.08.1979
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Norm

EO §79

Kopf

SZ 52/127

Spruch

Rückforderung einer in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund falscher Angaben gewährten Rente nach dem Bundesentschädigungsgesetz durch das zuständige Bundesland mangels Vollstreckbarkeit des ausländischen, öffentlich - rechtlichen Rückforderungstitels

OGH 30. August 1979, 7 Ob 690/79 (OLG Wien, 14 R 48/79; LGZ Wien, 39 b Cg 108/78)

Text

Mit Bescheid der Landesrentenbehörde Nordrhein-Westfalen vom 8. April 1960 wurde der Beklagten als rassisch Verfolgter ab 1. Juli 1960 eine monatliche Rente inklusive einer Rentennachzahlung sowie eine Kapitalentschädigung zuerkannt. Insgesamt hat die Beklagte auf Grund dieses Bescheides 73 669.71 DM erhalten.

Grundlage für die Zuerkennung der Rente und der Entschädigung war der von der Beklagten glaubhaft gemachte Umstand, daß sie in der Zeit vom 1. Oktober 1941 bis 12. Feber 1945 in verschiedenen Konzentrationslagern in Haft war. Am 3. März 1971 verständigte jedoch die Landesrentenbehörde Nordrhein-Westfalen die Beklagte davon, daß sich aus einem Vermerk in den IRO-Akten des Internationalen Suchdienstes ergebe, daß sie von 1939 bis 1941 Schülerin in Wilna/Polen war, von 1941 bis März 1942 als arbeitslos in Taschkent/Rußland, von 1942 bis 1945 als Hausfrau in Gorki/Rußland, von 1945 bis Mai 1946 als Hausfrau in Lemberg und von Mai 1946 bis März 1949 als nach Krakau repatriiert aufscheine. Aufforderungsgemäß nahm die Beklagte zu diesem Schreiben der Landesrentenbehörde am 10. April 1971 dahin Stellung, daß ihre seinerzeitigen Angaben gegenüber der IRO unzutreffend und nur deshalb gemacht worden seien, um ihre Auswanderung zu beschleunigen. Nachdem ihr vorgehalten worden war, sie habe in Gorki geheiratet, antwortete ihr damaliger Rechtsvertreter mit Schreiben vom 11. Feber 1972, die Beklagte sei nicht mit der in der Heiratsurkunde erwähnten Frau identisch. Er legte eine Bestätigung des "Verbandes der Kämpfer für Freiheit und Demokratie, Kreisverwaltung Warschau" vor, derzufolge die Beklagte während der Okkupationszeit vom 1. Oktober 1941 bis 12. Feber 1945 Häftling in einer Reihe von Konzentrationslagern gewesen sei. Ferner war diesem Schreiben eine eidesstättige Erklärung des Thadeusz K angeschlossen. Die Landesrentenbehörde ließ hierauf die Echtheit der vorgelegten Bescheinigung überprüfen. Nachdem der Ehemann der Beklagten in seiner Rentenangelegenheit eine gleichartige Bescheinigung vorgelegt und sich dort herausgestellt hatte, daß es sich um eine Fälschung handle, wurden die Rentenzahlungen an die Beklagte mit Bescheid vom 25. September 1972 eingestellt und die Beklagte neuerlich zur Äußerung aufgefordert. In ihrem Antwortschreiben vom 30. November 1972 behauptete sie, die sechsmonatige Widerrufsfrist des § 203 Abs. 2 BEG sei bereits abgelaufen. Mit Bescheid vom 16. Feber 1973, der Beklagten zugestellt am 13. März 1973, widerrief hierauf die Landesrentenbehörde die gewährten Leistungen mit der Begründung, sie seien durch falsche Angaben erwirkt worden. Eine von der Beklagten gegen den Widerrufsbescheid eingebrachte Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wurde vom Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 11. Jänner 1974 abgewiesen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab der von der Beklagten dagegen erhobenen Berufung mit Urteil vom 9. Jänner 1975 nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Der Bundesgerichtshof wies die Beschwerde der Beklagten mit Beschluß vom 17. Jänner 1978 zurück, wobei er, ebenso wie die Unterinstanzen, den Standpunkt vertrat, die Widerrufsfrist des § 203 Abs. 2 BEG habe erst nach dem 30. November 1972 zu laufen begonnen, als die der Beklagten im Vorbescheid vom 25. September 1972 gesetzte Frist zur Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen abgelaufen sei.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei die Rückzahlung der von ihr erbrachten Leistungen von 73 669.71 DM.

Die Beklagte erhob die Einreden der Unzuständigkeit, der Unzulässigkeit des Rechtsweges und des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit und wendete die mangelnde Aktivlegitimation der klagenden Partei, den verspäteten Widerruf der gewährten Leistungen und Verjährung ein.

Die Untergerichte haben übereinstimmend die erhobenen Prozeßeinreden verworfen. In der Sache selbst haben sie dem Klagebegehren stattgegeben, wobei das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt hat:

Die Aktivlegitimation der klagenden Partei ergebe sich aus den Bestimmungen der Art. 30 und 83 des Grundgesetzes, das Bundesentschädigungssachen den Ländern zuweise. Die Landesrentenbehörde sei die nach dem Bundesentschädigungsgesetz zuständige Behörde der klagenden Partei und daher auch befugt, diese in derartigen Angelegenheiten zu vertreten. Darauf, welche Stelle die zuerkannten Beträge ausgezahlt hat, komme es nicht an, vielmehr sei nur maßgebend, welchem Rechtsträger hiedurch ein Schaden erwachsen sei. Der zuständige Rechtsträger sei aber nach dem erwähnten Gesetz, im Zusammenhang mit dem Grundgesetz, die klagende Partei.

Bei dem Rückforderungsanspruch handele es sich um einen Schadenersatzanspruch, der im Hinblick auf die Wirkungen der rechtswidrigen Handlung der Beklagten nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Die in § 203 Abs. 2 BEG genannte sechsmonatige Widerrufsfrist beginne nach der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Lehre und Rechtsprechung nicht, ehe die Verfolgte nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hatte, demnach im Falle der Setzung einer Frist für diese Stellungnahme nicht vor Ablauf dieser Frist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei somit der Widerrufsbescheid innerhalb der sechsmonatigen Frist zugestellt worden. Von einer Verjährung des Rückforderungsanspruches könne keine Rede sein, weil die Beklagte zufolge einer unerlaubten Handlung eine Leistung erlangt habe. Diesfalls habe die klagende Partei gemäß § 852 Abs. 2 BGB einen Bereicherungsanspruch bezüglich der erlangten Leistung, der erst in 30 Jahren verjähre. Kannte der Empfänger einer Leistung den Mangel des rechtlichen Gründes und verstößt er durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, dann sei er von Anfang an zur Herausgabe verpflichtet, weshalb er sich gemäß § 819 BGB nicht auf eine Minderung der Bereicherung berufen könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die neuerliche Geltendmachung einer Nichtigkeit muß, ebenso wie der überwiegende Teil der Revisionsausführungen, deshalb scheitern, weil das Berufungsgericht die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen und den Beschluß des Erstgerichtes über die Verwerfung der Prozeßeinreden bestätigt hat. Ein Beschluß des Berufungsgerichtes, womit die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung als unbegrundet abgewiesen wird, ist unanfechtbar (RZ 1967, 129; EvBl. 1960/371; SZ 24/115 u. a.). Ferner gilt die Bestimmung des § 528 Abs. 1 ZPO, derzufolge gegen bestätigende Beschlüsse der zweiten Instanz ein weiterer Rechtszug nicht zulässig ist, auch für sämtliche Entscheidungen, mit denen prozeßhindernde Einreden verworden sind (Fasching IV, 451 f.). Demnach kann auf die Einwände der Unzulässigkeit des Rechtsweges, des Fehlens der inländischen Gerichtbarkeit und der Unzuständigkeit nicht mehr eingegangen werden, weil diesbezüglich rechtskräftige Verwerfungen durch die Untergerichte vorliegen.

Zutreffend haben die Untergerichte ausgeführt, daß die klagende Partei einen Schadenersatzanspruch geltend macht, nicht aber einen Anspruch, der in Österreich als ein öffentlich-rechtlicher zu behandeln wäre. Daran ändert auch nichts, daß der Rückforderungsanspruch nach dem Bundesentschädigungsgesetz in der BRD ein öffentlich-rechtlicher ist. Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch läßt sich, selbst wenn ein nach der deutschen Gesetzeslage geschaffener Titel vorliegt, in Österreich nicht vollstrecken. Demnach bleibt für eine Durchsetzung in Österreich nur der Weg der Schadenersatzklage offen, zu deren Behandlung die Gerichte berufen sind (ZfRV 1974, 40 f.).

Zutreffend verweist das Berufungsgericht auf die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und im Zusammenhang damit auf die Bestimmungen des Bundesentschädigungsgesetzes, denen zufolge derartige Entschädigungssachen Angelegenheiten der Länder sind. Daraus ergibt sich aber die Legitimation der klagenden Partei zum Widerruf der aus ihren Mitteln erbrachten Leistungen, was im übrigen schon draus erhellt, daß die klagende Partei im eigenen Bereich die Entschädigung zuerkannt hat. Auch die Beklagte war sich dessen bewußt, weil sie ihre Klage in der Bundesrepublik Deutschland gegen die klagende Partei gerichtet hat. Die Landesrentenbehörde Nordrhein-Westfalen ist nicht jener Rechtsträger, aus dessen Mitteln die Entschädigung geleistet wurde, sondern nur die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für die Durchführung des Gesetzes zuständige Behörde der klagenden Partei. Demnach ändert die Tatsache, daß die Auszahlung der Entschädigung durch die Landesrentenbehörde erfolgt ist, an der Legitimation der klagenden Partei zur Rückforderung nichts. Bezüglich der Vertretungsbefugnis der Landesrentenbehörde kann auf die eingehenden und zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden, denen die Beklagte überhaupt keine Argumente, sondern lediglich die Behauptung, sie seien unrichtig, entgegensetzt.

Auf die Verjährungsfrage kommt die Beklagte mit Recht nicht mehr zurück, weshalb auch hier ein Hinweis auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes ausreicht.

Auch die Beklagte erkennt, daß für die Frage der Einhaltung der Widerrufsfrist die deutsche Rechtslage maßgebend ist. Zu deren Auslegung muß auf die deutsche Judikatur und Literatur zurückgegriffen werden. Das Berufungsgericht hat dies richtig und in ausreichendem Maße getan. Es hat sich hiebei auf die in ZfRV 1970, 40 f. veröffentlichte Entscheidung des OGH 1 Ob 180/71 berufen, der ein gleichgelagerter Fall zugrunde lag. Die Revision nimmt weder diese veröffentlichte Entscheidung noch die sehr eingehenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Kenntnis. Da jedoch diese Entscheidung von der Rechtslage und der Auslegung des Bundesentschädigungsgesetzes durch die zuständigen deutschen Behörden ausgeht und sich insbesondere auch, wie sich aus der Begründung des vorgelegten Beschlusses des Bundesgerichtshofes ergibt, die Auslegung inzwischen nicht geändert hat, kann auch hier auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Tritt man dessen Rechtsansicht bei, so scheidet die Annahme eines verspäteten Widerrufes aus. Die Beklagte wurde erst am 25. September 1972 unter Setzung einer Frist bis Ende November 1972 aufgefordert, zu den Vorwürfen, sie habe sich auf eine gefälschte Bestätigung unrichtigen Inhaltes berufen, Stellung zu nehmen. Vor Ablauf dieser Frist konnte die Frist des § 203 Abs. 2 BEG nicht zu laufen beginnen. Immerhin war der Beklagten bereits mehrfach vorgehalten worden, daß Umstände gegen die Richtigkeit ihrer seinerzeitigen Angaben sprechen. Jedesmal hatte sie konkrete Einwände gegen die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe gemacht. Es konnte daher nicht ausgeschlossen werden, sie werde einen weiteren derartigen Einwand erheben, beispielsweise den, daß sie keine Kenntnis von der Fälschung der von ihr vorgelegten Bestätigung gehabt habe. Sohin konnte das Überprüfungsverfahren vor Stellungnahme der Beklagten nicht abgeschlossen werden. Im Hinblick auf das Datum dieser Stellungnahme (30. November 1972) war bei Zustellung des Widerrufsbescheides am 13. März 1973 die erwähnte sechsmonatige Frist noch nicht abgelaufen.

Anmerkung

Z52127

Schlagworte

Rentenrückforderung nach Bundesentschädigungsgesetz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00690.79.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19790830_OGH0002_0070OB00690_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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