TE OGH 1979/9/11 9Os93/79

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Veröffentlicht am 11.09.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinrich A wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB und anderer Delikte über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. April 1979, GZ 4 b Vr 10.523/78-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mold und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinrich A unter anderem des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er gegen Ende 1977/Anfang 1978 in Mödling mit dem abgesondert verfolgten Johann B die gemeinsame Ausführung einer erpresserischen Entführung (§ 102 StGB) verabredete, indem sie beschlossen, eine finanzkräftige Person oder deren Angehörige zu entführen und für die Freilassung Lösegeld zu fordern (Punkt 1. des Schuldspruchs).

Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen weihte B im November 1977 den Angeklagten in den Plan ein, gemeinsam eine Person aus Industriellenkreisen, deren Bekanntgabe er sich bis unmittelbar zur Tatausführung vorbehielt, zu entführen, um Lösegeld in der Höhe von rund 20 Millionen Schilling zu erpressen. Der Angeklagte stimmte diesem Vorhaben zu und besprach dann mit B wiederholt die Durchführung der Tat, wobei auch Details des Planes erörtert wurden. B, der sich im Hinblick auf die geplante Entführung im Lauf des Jahres 1977 mehrere Faustfeuerwaffen und eine Maschinenpistole beschafft hatte, überließ dem Angeklagten vorübergehend eine Pistole, damit sich dieser einige Fertigkeit im Umgang mit solchen Waffen aneigne; tatsächlich schoß der Angeklagte mehrmals mit der Pistole. Weiters wurde vereinbart, das Opfer zu betäuben. Zu diesem Zweck besorgte der Angeklagte, der als Suchtgiftkonsument insoweit über die nötige Erfahrung verfügte und deshalb vereinbarungsgemäß dem nachmals Entführten intravenöse Injektionen verabreichen sollte, über einen Mittelsmann von einem Apotheker Betäubungsmittel. Darüber hinaus wurden für das Opfer herzstärkende Medikamente, für die Täter Aufputschmittel und schließlich auch ein 'Wahrheitsserum' beschafft, um dem Betroffenen wahrheitsgetreue Angaben über seine Vermögens- und sonstigen persönlichen Verhältnisse zu entlocken. Zu einer Verwahrung des Opfers in einer Badehütte am Neusiedlersee wurden bereits konkrete Schritte eingeleitet. Letztlich wurden noch Overalls angeschafft, die von den Tätern bei der Tatausführung getragen werden sollten. Alle diese Vorbereitungen trafen B und der Angeklagte einverständlich.

Letzterer erklärte seinem Partner ausdrücklich, daß er sich auf ihn verlassen und bei der Durchführung der Tat mit ihm rechnen könne; er beteiligte sich auch, so etwa mit der Idee, Medikamente zu verwenden, aktiv an der Planung. Deren Realisierung unterblieb dann nur deshalb, weil B in der Nacht zum 12. Februar 1978 seinen ehemaligen Komplizen Franz C, der ihn unter Ausnützung der Mitwisserschaft erpreßte, erschoß und knapp drei Wochen später verhaftet wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen diesen Teil des Schuldspruchs gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Begründungsmängel des Urteils im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Daß er die Betäubungsmittel nicht persönlich, sondern über einen Mittelsmann besorgte, hat das Erstgericht ohnedies ausdrücklich festgestellt (S. 272).

Welche Details des Entführungsplanes vom Angeklagten mit B erörtert wurden und daß dabei noch nicht 'die gesamte Situation mit sämtlichen Eventualitäten' zur Sprache kam, ist den Entscheidungsgründen gleichfalls unmißverständlich zu entnehmen (S. 271-273, 278, 279).

Diese Konstatierungen finden in den Ergebnissen des Beweisverfahrens volle Deckung; worin ein 'Widerspruch mit den Protokollen' gelegen sein soll, lassen die Beschwerdeausführungen nicht erkennen. Von wem die erörterten Details jeweils ins Gespräch gebracht wurden, ist rechtlich ohne Belang. Den Inhalt der Verabredung aber hat das Schöffengericht direkt aus den (insoweit im wesentlichen übereinstimmenden) Angaben des Angeklagten und des als Zeugen vernommenen Johann B darüber (S. 274) und nicht etwa aus Rückschlüssen von der Art und vom Umfang der späteren Tatvorbereitungen her abgeleitet, sodaß sich Erörterungen über die Tragfähigkeit derartiger Schlußfolgerungen erübrigen. Auch die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO gestützte (zum Teil schon im Rahmen der Mängelrüge ausgeführte) Rechtsrüge geht fehl. Nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt ist sie mit den Einwänden, bei dem Ideenreichtum des B sei es leicht denkbar, daß er sich letztlich für eine andere, von § 277

StGB nicht erfaßte Straftat - wie etwa für einen Bankeinbruch - entschieden hätte, und weiters, nicht schon jedwede Vorbereitungshandlung, insbesondere aber nicht schon die Besorgung von Waffen oder von Medikamenten, entspreche bereits einer 'Verabredung' nach § 277 Abs 1 StGB Denn mit diesem Vorbringen übergeht der Beschwerdeführer - beim ersten Argument auf eine reine Hypothese abstellend - jene Urteilsfeststellungen, wonach die (ihm als Komplott zur Last liegenden) Vereinbarungen mit B ausschließlich die Ausführung einer erpresserischen Entführung im Sinn des § 102 StGB betrafen, ohne daß jemals die Begehung einer anderen Tat erwogen worden wäre, und wonach ihm ferner keineswegs erst irgendwelche Tatvorbereitungen, schon gar nicht bloß die Beschaffung von Waffen oder von Medikamenten, als Komplott angelastet wird, sondern bereits die allen diesen Tätigkeiten zugrundeliegende (sukzessive mehr und mehr präzisierte und realisierte) Absprache. Diese war aber jedenfalls in ihrem letztlichen Gehalt so weit spezifiziert, daß sie dem Begriff 'Verabredung' im § 277 StGB eindeutig entspricht. Denn dazu genügt es, daß die wesentlichen Momente der geplanten Tat konkretisiert sind und daß über deren Ausführung in groben Umrissen zwischen den dazu ernstlich entschlossenen Komplottanten Einigkeit besteht (vgl. ÖJZ-LSK 1977/62). Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall ungeachtet dessen, daß der genaue Zeitpunkt der Tatausführung noch ungewiß war (vgl. ÖJZ-LSK 1978/249) und daß die (weitgehend von der Situation nach der Entführung abhängigen, exakt gar nicht vorausplanbaren) Einzelheiten der erpresserisch anzustrebenden Geldübernahme noch nicht festgelegt waren, zumindest letzten Endes durchaus gegeben, zumal zu dieser Zeit die Person des Entführungsopfers, dessen Identität B allerdings erst unmittelbar vor der Tatausführung bekanntgeben wollte, bereits feststand (vgl. S. 271/252) und auch die Art, wie der zu Entführende überwältigt, der Ort, wo er verwahrt, und die Methode, wie seine Vermögenslage ermittelt werden sollte, schon in groben Zügen besprochen waren (S. 272, 273). Ob solcherart die Deliktsvollendung schon bei der ersten Vereinbarung oder durch fortlaufende Tatbestandsverwirklichung (vgl. Jescheck3 S. 581) erst in einer späteren Geschehensphase eintrat, ist nach Lage des Falles rechtlich ohne Belang. Die vom Beschwerdeführer relevierte Möglichkeit aber, er hätte noch immer versuchen können, nicht mitzumachen, wenn B zur Tatausführung geschritten wäre, ändert an der Tatbestandsmäßigkeit der vorangegangenen Verabredung nichts.

In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO bestreitet der Angeklagte zum einen - womit er der Sache nach neuerlich eine Urteilsnichtigkeit nach lit. a der vorerwähnten Verfahrensbestimmung geltendmacht - mit dem Einwand, er sei zu der ihm als Komplott angelasteten 'mitläuferischen Zustimmung' teils durch gefährliche Drohungen des Johann B gezwungen und teils durch sein Bestreben, mit jenem in Kontakt zu bleiben, um von seiner Suchtgiftabhängigkeit loszukommen, veranlaßt worden, die Ernstlichkeit seiner Zustimmung zum Entführungsplan; zum anderen behauptet er, inhaltlich den Strafaufhebungsgrund nach § 277 Abs 2 zweiter Satz StGB reklamierend, er habe sich freiwillig und ernstlich bemüht, ein Kapitalverbrechen zu verhindern. Mit diesem Vorbringen führt er jedoch die Rechtsrüge abermals nicht gesetzmäßig aus, weil er sich dabei über jene Urteilsfeststellungen hinwegsetzt, mit denen das Erstgericht seine Verantwortung, er habe sich zu der Entführungsverabredung bloß zum Schein bereitgefunden, nach ausführlicher Erörterung als unglaubhaft ablehnte und als erwiesen annahm, daß er von dem Plan geradezu begeistert war, dazu auch durch eigene Ideen beitrug und bis zuletzt die Verwirklichung wollte (S. 275-280). Soweit der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit dieser Konstatierungen argumentiert, unternimmt er damit, ohne einen formellen Begründungsmangel des Urteils im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzeigen zu können, nur einen im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher nicht weiter beachtlichen Angriff gegen die freie richterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2

StPO i.V.m. § 288 Abs 2 Z 3 StPO) nach Art einer Schuldberufung. Die im gegebenen Zusammenhang vom Angeklagten, beantragte Vernehmung des Zeugen Siegfried A aber zum Beweis dafür, daß er 'vom Zeugen B unter Druck gesetzt wurde' (S. 262), konnte das Erstgericht, der bezüglichen Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) zuwider, ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten ablehnen (S. 262, 263, 276), weil der beantragte Zeuge nach der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers (S. 251), der nie behauptet hat, B habe ihn von Anfang an unter Druck gesetzt, keine unmittelbaren Wahrnehmungen zum Beweisthema gemacht hat und deshalb von ihm eine Aufklärung des umstrittenen Vorfalls (S. 251/252 im Gegensatz zu S. 258) nach Lage des Falles nicht zu erwarten war.

Zu Feststellungen darüber schließlich, ob der Beschwerdeführer allenfalls einem - von ihm 'vorsichtsweise' geltendgemachten - Rechtsirrtum gemäß § 9 Abs 1 StGB über das Vorliegen einer Verabredung im Sinn des § 277 Abs 1

StGB unterlegen sein könnte, den er mit den Argumenten zu motivieren versucht, die Andeutungen und verwirrenden Namensnennungen des B seien so unklar und wenig zielgerichtet gewesen, daß er sich keiner Schuld habe bewußt fühlen können, und es handle sich dabei 'um ein Grenzproblem der Abgrenzung', bestand für das Schöffengericht kein Anlaß. Denn zum einen hat sich der Angeklagte in erster Instanz nie auf die (rechtsirrige) Annahme einer Straflosigkeit seines Verhaltens trotz eines (echten) Komplottvorsatzes berufen, sondern im Gegenteil die Ernstlichkeit seiner Zustimmung zum Entführungsplan bestritten, und zum anderen ist bei erwachsenen und schuldfähigen Tätern die Verbotskenntnis in der Regel zu vermuten (ÖJZ-LSK 1976/261 u.a.). Davon abgesehen ist aber im vorliegenden Fall nach den Urteilsfeststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite des § 277 Abs 1 StGB das Unrecht des dem Angeklagten zur Last fallenden Tatverhaltens ohnedies für jedermann leicht erkennbar, sodaß ihm ein allfälliger Verbotsirrtum jedenfalls vorzuwerfen wäre (§ 9 Abs 2 und Abs 3 StGB). Auch Feststellungsmängel nach § 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO liegen demgemäß nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten wegen des erörterten verbrecherischen Komplotts sowie zudem wegen des Vergehens der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB, begangen dadurch, daß er Johann B als Täter eines Mordes (durch die Beseitigung der von diesem bei der Tatausführung getragenen Kleidungsstücke sowie der Tatwaffe und einer Patronenhülse der Verfolgung zu entziehen trachtete, und wegen des durch das unbefugte Besitzen und Führen einer Pistole verübten Vergehens nach § 36 Abs 1 lit. a WaffG gemäß § 277 Abs 1

StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die Deliktshäufung und die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend, sein überwiegendes Geständnis und seine Verleitung durch B sowohl zum Komplott als auch zum Begünstigungsversuch dagegen als mildernd.

Weder der Berufung des Angeklagten, der eine Herabsetzung der über ihn verhängten Strafe anstrebt, noch jener der Staatsanwaltschaft, die deren Erhöhung beantragt, kommt Berechtigung zu. Von einem geringen Verschulden oder von einem Geständnis des Angeklagten in Ansehung des verbrecherischen Komplotts kann im Hinblick auf seine festgestellten Tatvorbereitungen und auf seine bereits erörterte Verantwortung keine Rede sein; die Frage nach der Angemessenheit seiner Vorstrafen aber hat auf die Strafzumessung im vorliegenden Fall keinen Einfluß. Das Gewicht des Geständnisses und der Vorabstrafungen hinwieder, mögen durch letztere auch die formellen Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllt sein, hat das Schöffengericht durchaus richtig gewürdigt. Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe wird die ausgemessene Strafdauer von drei Jahren unter Bedacht auf das Vorleben des Angeklagten, auf den Grad seiner Beteiligung an den ihm nunmehr zur Last liegenden Taten und auf den hohen Unrechtsgehalt sowohl der Verabredung zur erpresserischen Entführung als auch des Begünstigungsversuchs seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) vollauf gerecht.

Beiden Berufungen war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02240

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00093.79.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19790911_OGH0002_0090OS00093_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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