Norm
VolksgruppenG §9 Abs2Kopf
SZ 56/114
Spruch
Aus den Förderungsbestimmungen des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, ergibt sich kein konkreter Rechtsanspruch bestimmter Volksgruppenorganisationen auf Förderung
OGH 29. 6. 1983, 1 Ob 681/83 (OLG Wien 11 R 21/83; LGZ Wien 22 Cg 463/81)
Text
Die klagende Partei ist ein Verein, der nach seinen Statuten die Verwirklichung aller jener Rechte, die den Kroaten des Burgenlandes in Art. 7 des Staatsvertrages garantiert sind, bezweckt. Im Jahre 1977 ersuchte die klagende Partei die beklagte Republik Österreich um Gewährung eines Förderungsbeitrages nach dem Bundesgesetz vom 7. 7. 1976 über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich (Volksgruppengesetz), BGBl. 396 (VGG). Gemäß § 8 Abs. 1 VGG hat der Bund Maßnahmen und Vorhaben, die der Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppen, ihres Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen, zu fördern. Der Bundesminister für Finanzen hat gemäß § 8 Abs. 2 VGG unter Berücksichtigung der Lage des Bundeshaushaltes und der genannten Ziele in dem der Bundesregierung vorzulegenden Entwurf des jährlichen Bundesvoranschlages einen angemessenen Betrag für Förderungszwecke aufzunehmen. Gemäß § 9 Abs. 1 VGG kann die Förderung ua. in der Gewährung von Geldleistungen bestehen. Gemäß § 9 Abs. 2 VGG sind Geldleistungen Vereinen, Stiftungen und Fonds, die ihrem Zweck nach der Erhaltung und Sicherung einer Volksgruppe, ihres besonderen Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen (Volksgruppenorganisationen), für bestimmte Vorhaben zu gewähren, die geeignet sind, zur Verwirklichung dieser Zwecke beizutragen. Leistungen gemäß § 9 Abs. 1 VGG können auch an Kirchen und Religionsgemeinschaften (Abs. 3), an Volksgruppenorganisationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben (Abs. 4) sowie an Gebietskörperschaften (Abs. 5) erbracht werden.
Die beklagte Partei gewährte im Jahre 1977 der klagenden Partei zur Anschaffung von technischen Geräten wie Schreibmaschinen, Diktiergeräten usw. gemäß § 9 Abs. 4 VGG einen Förderungsbeitrag von 120 000 S. Ein weiterer Antrag der klagenden Partei vom 16. 1. 1979 auf Gewährung einer Geldförderung gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VGG wurde von der beklagten Partei zunächst mit der Begründung abgelehnt, daß für das Förderungsjahr eine Subvention von Organisationsarbeiten nicht vorgesehen sei. In der Folge verwies die klagende Partei darauf, daß sie ihren Förderungsantrag auch für Vorhaben zur Verwirklichung des Volksgruppenschutzes (§ 9 Abs. 2 VGG) gestellt habe. Dieses Schreiben beantwortete das Bundeskanzleramt mit Brief vom 29. 11. 1979 ablehnend mit der Begründung, daß eine Förderung der von der klagenden Partei in Betracht gezogenen Art nicht vorgesehen sei. § 10 VGG sieht eine Mitwirkung des zuständigen Volksgruppenbeirates bei der Erstellung des Planes über die wünschenswerten Förderungsmaßnahmen für die jeweilige Volksgruppe vor. Da sich der Volksgruppenbeirat für die kroatische Volksgruppe bisher nicht konstituierte, erstellte der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes vom Bundeskanzler genehmigte Förderungsrichtlinien. Nach diesen wird die Errichtung und der Ausbau von zweisprachigen Kindergärten und Kulturzentren sowie die Drucklegung und der Ankauf von Literatur in der Sprache einer Volksgruppe gefördert. Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluß vom 25. 6. 1980, B 19/80-5, die Beschwerde der klagenden Partei gegen das Ablehnungsschreiben des Bundeskanzleramtes vom 29. 11. 1979 mit der Begründung als unzulässig zurück, daß dem Schreiben kein Bescheidcharakter zukomme. Die nicht in der Form eines Bescheides ergangene Erledigung beinhalte vielmehr eine in einer Förderungsangelegenheit nach dem Volksgruppengesetz abgegebene privatrechtsgeschäftliche Willenserklärung.
Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei Zahlung von 100 000 S mit der Behauptung, daß der Bund Geld und sonstige Leistungen an Volksgruppenorganisationen, zu denen die klagende Partei zähle, zu gewähren habe. Die beklagte Partei weigere sich grundlos, die begehrte Förderung zu gewähren. Die Zuständigkeit des Gerichtes sei gegeben, weil die Förderung in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes falle.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Förderungsantrag der klagenden Partei den Richtlinien nicht entsprochen habe und selbst bei Entsprechen kein Rechtsanspruch auf Förderung bestehe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß das Volksgruppengesetz Volksgruppenorganisationen wie der klagenden Partei keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Förderung einräume.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aus den Bestimmungen der §§ 8 und 9 VGG ergebe sich, daß eine Förderung von der Behörde nicht gewährt werden müsse. Die Formulierung in § 9 Abs. 2 VGG: "Leistungen sind ... Vereinen etc .... für bestimmte Vorhaben zu gewähren ..." bedeute nur, daß der Kreis der förderungswürdigen Organisationen festgesetzt und die Zweckbindung der Förderung für bestimmte Vorhaben normiert werde. Keinesfalls sei daraus ein konkreter und einklagbarer Rechtsanspruch einer bestimmten Volksgruppenorganisation auf Gewährung einer konkreten Förderungsmaßnahme abzuleiten. Diese grundsätzliche Absicht des Gesetzgebers sei auch den erläuternden Bemerkungen zu § 9 VGG zu entnehmen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Während das Erstgericht über das jederzeit von Amts wegen zu beachtende Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges (§ 240 Abs. 3 ZPO) auch in den Gründen nicht abgesprochen hat, setzte sich das Berufungsgericht mit dieser Frage in den Entscheidungsgründen auseinander und kam, gestützt auf den Beschluß des VfGH vom 25. 6. 1980, B 19/80-5, zum Ergebnis, daß die klagende Partei gegen die beklagte Partei einen Anspruch aus dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung geltend mache (vgl. Bernard in Wenger, Förderungsverwaltung 278 ff., insbesondere 280 FN 28 und 30). Da die vom Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich ausgesprochene Verneinung des Prozeßhindernisses der Unzulässigkeit des Rechtsweges von den Parteien nicht bekämpft wird, liegt eine bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges vor (vgl. SZ 52/151). Diese Bindung besteht darüber hinaus schon deswegen, weil der Verfassungsgerichtshof abschließend über Kompetenzkonflikte zwischen ordentlichen Gerichten und anderen Behörden erkennt (Art. 138 Abs. 1 lit. a und b B-VG; vgl. EvBl. 1976/124) und daher auch darüber zu entscheiden hat, ob ein Verhalten eines Rechtsträgers im Bereich des Privatrechtes erfolgte.
Die Revisionswerberin ist der Ansicht, aus der Verschiedenheit der
Fassung des § 9 Abs. 2 VGG ("Leistungen ... sind ... zu gewähren
...") und des § 9 Abs. 4 VGG ("Leistungen können ... gewährt
werden"), ergebe sich, daß jedenfalls ein Rechtsanspruch auf
Förderung für die in § 9 Abs. 2 VGG genannten Vorhaben bestehe. Der
Gebrauch der Worte "... kann ... bestehen ..." in § 9 Abs. 1 VGG
drücke kein freies Ermessen der Behörde aus, sondern bedeute nur eine Aufzählung der Förderungsmöglichkeiten.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist jedoch weder aus den von ihr herangezogenen noch aus sonstigen Bestimmungen des Volksgruppengesetzes ein Rechtsanspruch einer einzelnen Volksgruppenorganisation auf Gewährung einer bestimmten Förderung abzuleiten. Wohl ist es gemäß § 8 Abs. 1 VGG (vgl. dort die Worte "Der Bund hat ...") gesetzliche Pflicht des Bundes, Maßnahmen und Vorhaben, die der Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppen, ihres Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen, zu fördern. Aus dieser - grundsätzlichen (RV 217 BlgNR 14. GP 12) - Verpflichtung entspringt jedoch kein Individualrecht bestimmter Förderungsempfänger. Die Verpflichtung des Bundes findet nur darin ihren Ausdruck, daß gemäß § 8 Abs. 2 VGG der Bundesminister für Finanzen in den der Bundesregierung vorzulegenden Entwurf des jährlichen Bundesvoranschlages einen der Lage des Bundeshaushaltes und den Bedürfnissen der Volksgruppen entsprechenden Betrag für diesen Zweck aufzunehmen hat. Der Revision ist allerdings darin beizupflichten, daß die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 4 VGG einerseits und die des § 9 Abs. 2 VGG andererseits insofern unterschiedlich formuliert sind, als die erstgenannten Regelungen Kannbestimmungen enthalten, wogegen § 9 Abs. 2 VGG mit den Worten "... sind ... zu gewähren" eine Anordnung enthält. Den Förderungsauftrag enthält aber nicht § 9 Abs. 2 VGG, sondern § 8 Abs. 1 VGG, wogegen die Art, wie gefördert werden kann, § 9 Abs. 1 VGG bestimmt. Das Wort "kann" stellt dabei klar, daß es in das pflichtgemäße Ermessen der betrauten Organe des Bundes gelegt ist, in welcher Form gefördert wird. Auch wenn die Förderung durch Gewährung von Geldleistungen vorgesehen ist, besteht noch kein Rechtsanspruch der in § 9 Abs. 2 VGG genannten Volksgruppenorganisationen, daß gerade sie zur Erreichung der dort angeführten Zwecke gefördert werden; dies ergibt sich schon zwingend aus § 9 Abs. 3 und 4 VGG, wonach Leistungen gemäß § 9 Abs. 1 VGG auch Kirchen und Religionsgemeinschaften gewährt werden können, aber auch Volksgruppenorganisationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, dh. zur Gewährleistung ihrer Erhaltung (RV 217 BlgNr 14. GP 12), gefördert werden können. Es liegt damit auch im Ermessen der zuständigen Organe des Bundes zu entscheiden, ob Geldleistungen nach § 9 Abs. 2, 3 oder 4 verwendet werden. Schon daraus ergibt sich klar, daß trotz der Formulierung des § 9 Abs. 2 VGG aus dieser Bestimmung keine konkreten Rechtsansprüche der Volksgruppenorganisationen und schon gar nicht Rechtsansprüche bestimmter Volksgruppenorganisationen in bestimmter Höhe abgeleitet werden können. Den Vorinstanzen ist daher darin beizupflichten, daß § 9 Abs. 2 VGG keinen Rechtsanspruch einzelner Volksgruppenorganisationen auf Gewährung von Geldleistungen festsetzt, sondern nur bindend anordnet, daß als Förderungswerber für diese Leistungen nur Volksgruppenorganisationen in Frage kommen und daß die Förderung nur für bestimmte Vorhaben gewährt werden darf, die der Verwirklichung des angeführten Gesetzeszweckes ("Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppen, ihres besonderen Volkstumes sowie ihrer Eigenschaften und Rechte) dienen.
§ 9 Abs. 2 VGG legt somit nur für den Fall, daß sich der Bund zur Förderung entschließt, den Förderungszweck und den Förderungsempfänger bindend fest. Dies ergibt sich deutlich aus den EBzRV zu § 9 VGG (aaO), wonach diese Regelung bestimme, worin die Förderung bestehen kann (Aufzählung der Förderungsmittel), wofür sie gewährt werden kann (Förderungszweck) und wer gefördert wird, dh. wem die Förderungsmittel gegeben werden können. Eine Norm, die bestimmte Voraussetzungen aufstellt, bei deren Verwirklichung der Gesetzgeber einem Förderungswerber einen nach Art und Höhe bestimmten (oder zumindest bestimmbaren) Leistungsanspruch einräumt, ist dem Volksgruppengesetz nicht zu entnehmen. Ob Förderung gewährt wird, liegt daher - für alle Förderungsformen - im Ermessen des Bundes. Im übrigen sei erwähnt, daß § 9 Abs. 2 VGG ausdrücklich anordnet, daß die dort vorgesehenen Leistungen nur für bestimmte Vorhaben zu gewähren sind, die klagende Partei aber niemals angegeben hat, welche bestimmte (also konkrete) Vorhaben in welcher Höhe gefördert werden sollten. Die klagende Partei hat daher keinen Rechtsanspruch auf die von ihr im gegenständlichen Verfahren in Anspruch genommenen Förderungsmittel. Davon scheint auch Veiter, Das österreichische Volksgruppenrecht seit dem Volksgruppengesetz von 1976, der Förderungen auf den Seiten 94 ff. behandelt, als selbstverständlich auszugehen, ohne allerdings das Problem ausdrücklich zu erörtern.
Anmerkung
Z56114Schlagworte
Volksgruppenorganisation, Anspruch einer bestimmten - auf Förderung, nach dem VolksgruppenGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0010OB00681.83.0629.000Dokumentnummer
JJT_19830629_OGH0002_0010OB00681_8300000_000