Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr.Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Beran als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heinz A wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 27. Februar 1984, GZ 24 Vr 1.372/83-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unbeührt bleibt, im Schuldspruchfaktum 1 (Vergehen der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB) und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15. Dezember 1965 geborene Heinz A 1.) des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB und 2.) des Vergehens der Entwendung nach dem § 141 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nur den Schuldspruch wegen des erstbezeichneten Vergehens bekämpft der Angeklagte unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 9
lit a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.
Insoweit liegt ihm - nach dem Urteilsspruch - zur Last, am 8. August 1982
in Linz dadurch, daß er vor der siebenjährigen Cindy B seinen Geschlechtsteil entblößte und onanierte, eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung unmündiger Personen zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen zu haben, um sich geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen.
Nach den maßgebenden Urteilsannahmen betrat die siebenjährige Cindy B am 8. August 1982 durch die Eingangstüre des Hauses Heiderosenweg 12 in Linz das Stiegenhaus und sah 'wie Heinz A in der Wohnung seiner Eltern im Parterre, zu der er die Wohnungstüre - wohl wissend, daß jederzeit nicht nur eine erwachsene Person, sondern auch eine unmündige oder jugendliche Person diese passieren könnte - geöffnet hatte, seinen Geschlechtsteil entblößte und onanierte. Heinz A war bezüglich der Möglichkeit, bei seinem Tun von einer Person, auch von einer unmündigen oder jugendlichen Person, entdeckt zu werden, gleichgültig' (S 208, 209).
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß zur Herstellung des Tatbestandes nach dem § 208 StGB auf der subjektiven Tatseite weder Absichtlichkeit im Sinn des § 5 Abs. 2 StGB noch Wissentlichkeit im Sinn des § 5 Abs. 3 StGB erforderlich sei. Es genüge vielmehr, daß der Täter vorsätzlich im Sinn des § 5 Abs. 1 StGB handle, wobei - wie vorliegend -
bedingter Vorsatz im Sinn des § 5 Abs. 1 zweiter Satz StGB ausreiche.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er mit Beziehung auf den angerufenen Nichtigkeitsgrund darauf hinweist, daß das Gesetz in subjektiver Hinsicht Vorsatz des Täters - fallbezogen - in bezug auf das Alter des Schutzobjektes, dessen Gegenwart bei der Tathandlung, die Tathandlung selbst und auf ihre Eignung, das Schutzobjekt durch Wahrnehmung im konkreten Fall sittlich, seelisch oder gesundheitlich zu gefährden, verlangt, die Tat aber überdies (arg: '... vornimmt, um dadurch ...') in der Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) geschehen muß, sich (oder einen Dritten) geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, wobei diese geschlechtliche Erregung oder Befriedigung durch den Umstand motiviert sein muß, daß die Handlung in Gegenwart der unmündigen oder jugendlichen Person stattfindet (Pallin im WK, Rz 9, 10 zu § 208 StGB;
Leukauf-Steininger 2 , RN 12 zu § 208 StGB; Foregger-Serini 3 , Erl II zu § 208 StGB).
Daß der Angeklagte in dieser Absicht handelte, wurde vom Erstgericht nicht festgestellt, ja, es schloß eine solche Absicht durch die Urteilskonstatierung, dem Angeklagten sei es gleichgültig gewesen, beim (unzüchtigen) Tun von einer unmündigen oder jugendlichen Person entdeckt zu werden, implicite aus.
Der Schuldspruch nach dem § 208 StGB war daher verfehlt. Ausgehend von seiner irrigen Rechtsansicht unterließ es das Erstgericht allerdings, die Frage zu prüfen und Feststellungen darüber zu treffen, ob etwa die Tat des Angeklagten unter Umständen begangen wurde, die dem Merkmal der Öffentlichkeit (§ 69 StGB) entsprechen, sodaß derzeit nicht verläßlich beurteilt werden kann, ob das inkriminierte Verhalten allenfalls dem § 218 StGB zu unterstellen wäre.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die zwar angemeldete, jedoch nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten war infolge Fehlens der Bezeichnung jener Punkte des Erkenntnisses, durch welche sich der Rechtsmittelwerber für beschwert erachtet, von vornherein zurückzuweisen (§§ 294 Abs. 2, 296 Abs. 3 StPO).
Anmerkung
E04580European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00098.84.0903.000Dokumentnummer
JJT_19840903_OGH0002_0110OS00098_8400000_000