TE OGH 1984/12/19 11Os184/84

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Veröffentlicht am 19.12.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lengauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter Charles A wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 und § 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 12. September 1984, GZ 7 b Vr 7.285/84-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt b) wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der am 3.Mai 1959 geborene Walter Charles A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie § 15 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Zum - allein angefochtenen - Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB fällt dem Angeklagten (nach dem Inhalt des erstgerichtlichen Urteilsspruches) zur Last, am 6.Juni 1984

Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich zwei 'Bankomatkarten' der Eva B (richtig: C) mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten, Rechtsverhältnissen oder Tatsachen gebraucht werden, indem er sie an sich nahm und nach teilweisem Gebrauch wegwarf. Nach den Entscheidungsgründen begleitete der Angeklagte am 6.Juni 1984 die Eva C, eine Bekannte, in eine Bankfiliale in der Währinger Straße in Wien, wo sie mit einer 'Geldausgabekarte - Bankomatenkarte' Geld abhob. Er prägte sich die von Eva C dabei eingegebene Codezahl ein. Später nahm der Angeklagte in einer Wohnung die Brieftasche der Frau an sich, die unter anderem zwei 'Bankomatenkarten' enthielt. Er begab sich wieder zu der erwähnten Bankfiliale und behob mit einer dieser 'Geldausgabekarten' aus dem Automaten unter Verwendung des ihm bekanntgewordenen Codes insgesamt 8.000 S. Beide 'Geldausgabekarten' warf der Angeklagte danach fort.

Rechtliche Beurteilung

Die auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die der Sache nach einen Feststellungsmangel geltend macht, ist im Recht.

Nach der Begriffsbestimmung des § 74 Z 7 StGB ist Urkunde 'eine Schrift, die errichtet worden ist, um ein Recht oder Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen'. Eines der maßgebenden Kriterien ist somit die 'Schrift', das sind Zeichen, die dazu dienen, einen Gedanken für andere lesbar zu machen (Kienapfel im Wiener Kommentar zu StGB Rz. 28 und 29 zu § 223 StGB). Magnetstreifen zur Bedienung eines Geldausgabeautomaten sind als solche für das menschliche Auge nicht lesbar und deshalb keine 'Schrift' in der Bedeutung des § 74 Z 7 StGB (Leukauf-Steininger Komm. zum StGB 2 , RN 7 zu § 223;

Höpfel, Die 'Bankomat'-Karte, ÖJZ 1983, S 236).

Allerdings kann einer Geldausgabeautomatenkarte nach ihrem sonstigen Inhalt die Qualität einer Urkunde beizumessen sein, so zum Beispiel einer zur Bedienung eines Geldausgabeautomaten geeigneten Scheckkarte im Hinblick auf die darauf befindliche schriftliche Garantieerklärung des kontoführenden Bankinstituts (sh. Höpfel, a. a.O., FN 14); auch könnte 'Geldausgabekarten' nach ihrem (lesbaren) schriftlichen Inhalt etwa eine Legitimationsfunktion zukommen.

Feststellungen darüber, ob jene Karten, die Gegenstand des Verfahrens bilden, neben dem Magnetstreifen eine 'Schrift' aufwiesen, sowie über den - für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit erforderlichen - Inhalt einer allfälligen 'Schrift' enthält das erstgerichtliche Urteil nicht. Dieser von der Nichtigkeitsbeschwerde aufgezeigte Feststellungsmangel läßt eine abschließende materiellrechtliche Beurteilung der Sache nicht zu. Es waren darum das Ersturteil, das im übrigen unangefochten blieb, gemäß dem § 285 e StPO sogleich bei der nichtöffentlichen Beratung im Punkt b) des Schuldspruches und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Das Erstgericht wird also im erneuten Verfahren (Tatsachen-) Feststellungen zu treffen haben, die zu beurteilen gestatten, ob den in Rede stehenden 'Geldausgabekarten' Urkundeneigenschaft zukommt:

Sollte dies zu verneinen sein, wird geprüft werden müssen, ob die Karten wertlos waren oder Geldeswert hatten und demnach Objekt einer dauernden Sachentziehung sein konnten oder nicht.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E05000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00184.84.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19841219_OGH0002_0110OS00184_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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