Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger (Berichterstatter), Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Roman A wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach § 15, 144 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 12. März 1985, GZ 11 a Vr 1649/84-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Zimmert zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.Oktober 1966 geborene, zur Tatzeit jugendliche Roman A schuldig erkannt, Ende August oder Anfang September 1984 in Gerasdorf am Steinfeld den Manfred B mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, durch gefährliche Drohung, nämlich durch Ankündigung von Schlägen, zur übergabe einer Stange Zigaretten zu nötigen versucht und hiedurch das Verbrechen der versuchten Erpressung nach § 15, 144 Abs 1 StGB begangen zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z. 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der insgesamt keine Berechtigung zukommt. Der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider bedurfte es in den Urteilsgründen keiner Auseinandersetzung mit der Aussage des Tatopfers Manfred B, wegen der inkriminierten öußerung keine Angst empfunden zu haben (AS. 56). Denn die Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ist objektiv - d.h. unter Anlegung eines Durchschnittsmaßstabes - zu beurteilen; ob der Bedrohte selbst aus seiner Sicht von einer solchen Beurteilung abweichend Befürchtungen hegt oder nicht, ist ohne Belang. Maßgebend ist vielmehr, ob er bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirklichung des angedrohten übels erwarten, also den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, seine Drohung wahrzumachen. Daß wirklich Besorgnis erregt wurde, ist für die Annahme der Eignung der Drohung im Sinn des § 74 Z. 5 StGB nicht erforderlich (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 74 RN. 18).
Die vom Beschwerdeführer gerügte Unvollständigkeit der Urteilsbegründung betrifft sohin keine entscheidende - d.h. für die Subsumtion oder den anzuwendenden Strafsatz maßgebliche - Tatsache. Der psychologische Bericht S. 27 a und verso, demzufolge der Angeklagte den Eindruck eines durch seine Kindheit schwer frustrierten, unglücklichen, hilf- und haltlosen Menschen erweckt, dessen einziges Problemlösungsverfahren ein rein aggressives, provokantes und (selbst)zerstörerisches Verhalten bildet, ist im Urteil keineswegs übergangen worden (Akt S. 65). Ein Widerspruch zwischen dieser psychologischen Beurteilung und den die objektive und subjektive Tatseite betreffenden Urteilsfeststellungen besteht nicht, schließt doch die geschilderte Gemütsveranlagung weder die öußerung einer gefährlichen Drohung im Sinn des § 74 Z. 5 StGB noch einen diesbezüglichen Tätervorsatz aus.
Der Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer geltend macht, aus den Urteilsfeststellungen ergebe sich in rechtlicher Hinsicht nur eine nicht zur Herbeiführung begründeter Besorgnisse geeignete Androhung einer körperlichen Mißhandlung, ist zu erwidern, daß sich nach dem Urteilssachverhalt (AS. 63) die inkriminierte öußerung keineswegs auf eine (lediglich bei öffentlicher Begehung oder bei Begehung vor mehreren Leuten nach § 115 Abs 1 StGB gerichtlich strafbare, selbst in diesem Falle jedoch gemäß § 117 Abs 1 StGB nur auf Verlangen des in seiner Ehre Verletzten zu verfolgende) Drohung mit einer körperlichen Mißhandlung (im Sinne einer bloßen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens) beschränkt hat. Vielmehr kündigte der Angeklagte dem Zeugen Manfred B das 'Einschneiden' an, worunter nach den Urteilskonstatierungen im Gefängnisjargon ein Vorgang zu verstehen ist, bei welchem mehrere mit dem (Haupt-)Täter im Einverständnis handelnde Mithäftlinge das Opfer der Tätlichkeit in eine Ecke drängen und mit ihren Körpern das Opfer bzw. den Haupttäter den Blicken der aufsichtsführenden Justizwachebeamten entziehen. Angedroht wurde sohin ein massiver tätlicher Angriff mehrerer, als dessen Folge angesichts der Art seiner Durchführung, des Anstaltsmilieus und der gewalttätigen Veranlagung des Angeklagten (Urteilsbegründung AS. 67 unten) objektiv wenigstens leichte Verletzungen des Opfers zu erwarten waren. Die Androhung einer solchen gemeinhin mit Verletzungsfolgen verbundenen Tätlichkeit konnte vom Erstgericht zu Recht als gefährliche Drohung (mit einer Verletzung am Körper) angesehen werden, da sie bei Anlegung eines Durchschnittsmaßstabes (objektiv) durchaus geeignet erscheint, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z. 5 StGB). Der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, seine öußerung sei 'milieubedingt' (also in ihrer Form der Gefangenenhausatmosphäre angepaßt) gewesen, ändert nichts am Sinngehalt der Ankündigung, der nicht nur über eine bloße Unmutsäußerung, sondern auch über die Androhung einer nicht zu Verletzungen führenden Mißhandlung hinausgeht. Die rechtliche Beurteilung der Tat als versuchte Erpressung nach § 15, 144 Abs 1 StGB erweist sich sohin im Hinblick auf das festgestellte Vorhaben des Angeklagten, mit der inkriminierten öußerung die übergabe einer ihm nicht zustehenden Stange Zigaretten zu erzwingen und sich solcherart auf Kosten des B zu bereichern, als zutreffend.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 144 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 11 JGG. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen, während es als mildernd das Geständnis, weiters den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist und das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren in Betracht zog. Der Berufung des Angeklagten, mit welcher einerseits die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und andererseits die Gewährung bedingter Strafnachsicht begehrt wird, kommt teilweise Berechtigung zu.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann dem Angeklagten vorliegend - im Hinblick darauf, daß es sich um eine Jugendstraftat handelt und (zutreffend) § 11 JGG. angewendet wurde - das Alter unter 21 Jahren nicht als mildernd zugutegehalten werden, was schon aus dem Wortlaut des § 34 Z. 1 StGB folgt, weil darin ausdrücklich auf eine Tatbegehung nach Vollendung des 18. Lebensjahres abgestellt wird. Als Milderungsgründe verbleiben daher nur das Geständnis und das Vorliegen eines bloßen Deliktsversuchs. Unter entsprechender Abwägung der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe und aller sonstigen für die Strafbemessung maßgebenden Umstände erachtet auch der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten als tatschuldangemessen und tätergerecht. Zu einer Reduzierung der Strafe bestand demnach kein Anlaß, sodaß insoweit der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Was dagegen das Begehren um Gewährung bedingter Strafnachsicht betrifft, so vermeinte der Oberste Gerichtshof, daß im konkreten Fall - auf den allein abzustellen ist - trotz der einschlägigen Vorstrafenbelastung des Angeklagten noch angenommen werden kann, es werde die bloße Androhung des Strafvollzugs genügen, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Dies vor allem im Hinblick auf die inzwischen doch gereifte Persönlichkeit des (zur Tatzeit jugendlichen) Angeklagten und sein ersichtliches Bestreben, sich (durch Ausübung einer geregelten Beschäftigung) sozial anzupassen und seine bisher gezeigten kriminellen Neigungen zu unterdrücken. Im Regelfall steht zwar (und das zu Recht) ein einschlägig kriminell belastetes Vorleben einer Anwendung des § 43 StGB entgegen; das darf jedoch nicht zu einem schematischen Ausschluß bedingter Strafnachsicht in allen derartigen Fällen führen. Es ist vielmehr in jedem einzelnen Straffall, strikt bezogen auf die Individualität des betreffenden Rechtsbrechers, zu prüfen, ob nicht trotzdem die in Schwebe bleibende Strafdrohung als ausreichendes, gegenüber dem sofortigen Strafvollzug zumindest gleich zweckmäßiges Mittel anzusehen ist, um den Straftäter in Hinkunft von der Begehung von strafbaren Handlungen abzuhalten. Das gilt insbesondere in Ansehung jugendlicher, in ihrer Persönlichkeitsstruktur noch nicht voll ausgereifter Rechtsbrecher, bei welchen - wie vorliegend beim Angeklagten - mit fortschreitendem Reifungsprozeß eine charakterliche Festigung und Anpassung an die Erfordernisse rechtstreuen Verhaltens erwartet werden kann.
Unter diesem Gesichtspunkt vermeinte der Oberste Gerichtshof, daß nach Lage dieses Falles die Gewährung bedingter Strafnachsicht (unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit) noch vertreten werden kann, zumal dem auch generalpräventive Gründe nicht entgegenstehen.
Im bezeichneten Umfang war demnach der Berufung Folge zu geben und insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E06602European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00080.85.0829.000Dokumentnummer
JJT_19850829_OGH0002_0120OS00080_8500000_000