TE OGH 1985/9/16 1Ob644/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann A, Bundesbeamter, Wörgl, Angerberg 57, vertreten

durch Dr. Johannes Waldbauer, Dr. Roland Paumgarten und Dr. Helmut Naschberger, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei B C, Wien 1., Georg Koch-Platz 2,

vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstr. 17-19, wegen S 16.492,80 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 16. April 1985, GZ 2 a R 138/85-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 6. Dezember 1984, GZ 17 C 913/84-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.704,70 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 493,10 Umsatzsteuer und S 280,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger unterhielt bei der beklagten Partei B

C das Gehaltskonto Nr. 3513.068, auf das seine Bezüge als Zollwachebeamter überwiesen wurden. Dem Girovertrag lagen vereinbarungsgemäß die Allgemeinen und die Besonderen Bestimmungen der im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 30. September 1979 und 9. März 1983 kundgemachten Geschäftsbestimmungen für den Scheckverkehr zugrunde; weitere Abreden wurden von den Streitteilen nicht getroffen. § 26 Abs 2 dieser Geschäftsbestimmungen hat nachstehenden Wortlaut:

'Die P.S.K. ist ermächtigt, bei Anweisung von Bezügen der bezugsanweisenden Stelle über deren Antrag jene Beträge, die insbesondere infolge des Todes des Anspruchsberechtigten zu Unrecht auf dessen Scheckkonto überwiesen worden sind, unter allfälliger Bildung eines Debetsaldos rückzuüberweisen.'

Am 22. Juni 1984 wurde der Julibezug des Klägers im Betrag von S 16.492,80 auf seinem Konto gutgeschrieben. Auf Antrag der Finanzlandesdirekton für Tirol als bezugsanweisender Stelle belastete die beklagte Partei am 25. Juni 1984 dieses Konto mit dem genannten Betrag, weil die Behörde den Julibezug zurückgerufen hatte. Bei der Finanzlandesdirektion für Tirol ist wegen der Berechtigung der Bezugseinstellung ein Verfahren anhängig. Am 25. September 1984 löste der Kläger das Gehaltskonto bei der beklagten Partei auf.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei den Betrag von S 16.492,80. Diese sei zur Beurteilung der Frage, ob ein überbezug vorgelegen sei, nicht berechtigt gewesen und habe deshalb sein Konto nicht mit dem begehrten Betrag belasten dürfen.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, der Bezug sei noch vor dessen Fälligkeit zurücküberwiesen worden; hiezu sei sie nach § 26 Abs 2 der erwähnten Geschäftsbestimmungen verpflichtet gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Mit der Gutschrift des Bezuges auf dem Konto sei das Widerrufsrecht der bezugsanweisenden Stelle erloschen. Daran könne auch § 26 Abs 2 der Geschäftsbestimmungen für den Scheckverkehr nichts ändern, weil die beklagte Partei danach nur zur Rücküberweisung offenkundig zu Unrecht überwiesener Bezüge ermächtigt sei; davon könne bei einem schon Monate währenden Streit zwischen dem Kläger und seiner Dienstbehörde über die Berechtigung dieses Bezuges keine Rede sein. Dem Begehren stehe auch § 7 Abs 1 GehG nicht entgegen, weil die beklagte Partei zur Prüfung der Fälligkeit des überwiesenen Bezuges nicht befugt und nach Gutbringung des Betrages auf dem Konto hierüber auch nicht mehr verfügungsberechtigt gewesen sei. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und

ließ die Revision zu. Es führte aus, § 26 Abs 2 der Geschäftsbestimmungen für den Scheckverkehr ermächtige die beklagte Partei zur Rücküberweisung von Bezügen, zu welcher zwar ein Antrag der bezugsanweisenden Stelle, nicht aber die Mitwirkung des Kontoinhabers erforderlich sei. Dem stehe nicht entgegen, daß sich die Ermächtigung der beklagten Partei zur Rücküberweisung von Bezügen nach dem Wortlaut der genannten Geschäftsbestimmungen nur auf 'zu Unrecht' überwiesene Beträge erstrecke. Eine Prüfung der mangelnden Berechtigung des Kontoinhabers sei nämlich nicht vorgesehen. § 26 Abs 2 der Geschäftsbestimmungen könne deshalb nur so verstanden werden, daß es nicht Sache der beklagten Partei sei, die Rechtmäßigkeit der

überweisung zu prüfen; andernfalls hätte die Ermächtigung zur Rücküberweisung nicht bloß an den Antrag der bezugsanweisenden Stelle, sondern auch an andere

Erfordernisse wie den Nachweis der mangelnden

Rechtmäßigkeit der überweisung oder die vorherige Anhörung des Kontoinhabers gebunden werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Den vertraglichen Beziehungen zwischen den Streitteilen waren die Geschäftsbestimmungen über den Scheckverkehr zugrunde gelegt, deren § 26 Abs 2 die beklagte Partei ermächtigt, bei Anweisung von Bezügen der bezugsanweisenden Stelle jene Beträge, die insbesondere infolge des Todes des Anspruchsberechtigten zu Unrecht auf dessen Scheckkonto überwiesen worden sind, unter allfälliger Bildung eines Debetsaldos rückzuüberweisen. Damit haben die Parteien eine Ausnahme von dem sonst das Girovertragsrecht beherrschenden Grundsatz festgelegt, daß der Auftraggeber seinen überweisungsauftrag nur so lange widerrufen kann, als der überwiesene Betrag noch nicht auf dem Konto des Empfängers gutgeschrieben wurde (SZ 54/28; Schinnerer-Avancini, Bankverträge 3 I

91, 98, 100 und 104). Daß der Tod des Anspruchsberechtigten (arg. 'insbesondere') die bloß beispielhafte Erwähnung eines der Gründe für den Rückruf zu Unrecht überwiesener Beträge ist, ist zwischen den Parteien nicht strittig. Der Kläger beharrt aber auch in der Revision auf dem Standpunkt, die beklagte Bank dürfe von der ihr durch § 26 Abs 2 der Geschäftsbestimmungen für den Scheckverkehr eingeräumten Ermächtigung zur Rücküberweisung bereits gutgeschriebener Beträge nur dann Gebrauch machen, wenn die Unrechtmäßigkeit der Bezugsanweisung offenkundig sei. Dieser Ansicht ist beizupflichten.

Da die Parteien keine besonderen Abreden getroffen haben, ist bei der Auslegung der in Rede stehenden Vertragsbestimmung von deren Wortlaut auszugehen

(§ 914 ABGB). Die Formulierung, die klagende Partei sei ermächtigt, die - zB infolge des Todes des Anspruchsberechtigten - zu Unrecht überwiesenen Beträge zurückzuüberweisen, rechtfertigt aus der Warte des redlichen verständigen Erklärungsempfängers

(SZ 54/111 uva; Koziol-Welser, Grundriß 6 I 73 mwN) den Schluß, daß nur tatsächlich zu Unrecht überwiesene Bezüge - entgegen den sonst geltenden Grundsätzen - nach Gutbringung auf dem Konto zurücküberwiesen werden dürfen. Die Deutung durch die beklagte Partei liefe darauf hinaus, daß die Worte 'zu Unrecht' als nicht beigesetzt zu gelten hätten. Es mag sein, daß die beklagte Partei nur in seltenen Fällen in der Lage ist, die Unrechtmäßigkeit der überweisung mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu überprüfen; ist die Unrechtmäßigkeit nicht offenkundig oder durch unbedenkliche Urkunden belegt, sind dann aber die sonst für das Girovertragsrecht geltenden Grundsätze anzuwenden. Die fragliche Vertragsbestimmung konnte vom Kläger auch nicht dahin verstanden werden, daß die bezugsanweisende Stelle die Unrechtmäßigkeit der überweisung bloß behaupten müsse; abgesehen davon, daß die beklagte Partei in dieser Richtung ohnehin keine Prozeßbehauptung aufgestellt hat, wäre dann die Einschränkung der Ermächtigung zur Rücküberweisung auf zu Unrecht bezogene Beträge jeglicher Relevanz entkleidet; eine solche Deutung kann dieser Vertragsbestimmung insbesondere auch unter Zugrundelegung der Unklarheitenregel nach § 915 ABGB nicht entnommen werden. Die Formulierung wurde von der beklagten Partei gewählt; sie war es, die diese für die Entscheidung ausschlaggebende Bestimmung 'in das vertragliche Geschehen des künftigen Vertragspartners' eingeführt hat, sich ihrer bedient und deshalb auch die Möglichkeit hatte, diese Wendung deutlich zu gestalten (Ertl in RZ 1973, 128; Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 915); sie muß daher undeutliche Klauseln gegen sich gelten lassen. Auch daß für die Anwendung des § 26 Abs 2 der Geschäftsbedingungen die Fälligkeit des Gehaltsanspruchs von Bedeutung sein sollte, ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen.

Daraus folgt, daß die beklagte Bank den Julibezug des Klägers nur dann zurücküberweisen hätte dürfen, wenn ihr die Unrechtmäßigkeit der überweisung durch die bezugsanweisende Stelle offenkundig gewesen oder doch in unbedenklicher Weise nachgewiesen worden wäre. Derartiges hat die insoweit behauptungs- und beweispflichtige beklagte Partei nicht vorgebracht und kann auch bei einem Dienstrechtsverfahren, in dem sich die Behörde auf

§ 13 Abs 3 Z 2 GehG - Entfall der Bezüge wegen eigenmächtigen Fernbleibens vom Dienst - beruft, nicht angenommen werden.

War aber die beklagte Partei zur Rücküberweisung des Bezugs trotz Antrags der bezugsanweisenden Stelle nicht befugt, so ist das Klagebegehren berechtigt, so daß in Stattgebung der Revision das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 5o ZPO.

Anmerkung

E06619

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00644.85.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19850916_OGH0002_0010OB00644_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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