TE OGH 1985/10/29 2Ob635/85

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Veröffentlicht am 29.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Vormundschaftssache des Johann Ernst A, geboren am 30.12.1965, Bauschlosser, 4311 Schwertberg, Perger Straße 14, infolge Revisionsrekurses des Johann Ernst A gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 24.Mai 1985, GZ.13 R 217/85-65, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 19.Dezember 1984, GZ. P 88/70-56, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

'Johann Ernst A hat den für den Monat August 1984 zu Unrecht gezahlten Unterhaltsvorschuß von S 1.100,-- an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz zurückzuzahlen und zwar in zwei Monatsraten von je S 550,-- am 1.des Monates, beginnend mit dem der Zustellung dieses Beschlusses folgenden Monatsersten. Der darüber hinausgehende Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, Johann Ernst A zur Rückzahlung der für die Monate März 1983 bis Juli 1984 zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschüsse von insgesamt S 9.600,-- zu verpflichten, wird abgewiesen.'

Text

Begründung:

Der nunmehr eigenberechtigte, Johann Ernst A (geb.am 30.12.1965), hatte aufgrund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 2.9.1981, ON 30, gegen seinen unehelichen Vater Gustav B seit 4.3.1981 einen Unterhaltsanspruch von S 1.100,-- monatlich. Aufgrund dieses Titels wurden ihm mit Beschlüssen vom 9.11.1981, ON 35, für die Zeit vom 1.10.1981 bis 31.10.1983 und vom 10.10.1983, ON 46, für die Zeit vom 1.11.1983 bis 31.8.1984 Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von S 1.100,-- monatlich gewährt.

Bereits am 11.1.1983 beantragte Gustav B die Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung auf S 700,-- monatlich. In einer öußerung zu diesem Antrag teilte der Amtsvormund dem Gericht am 21.1.1983 mit, daß der Pflegebefohlene als Bauschlosserlehrling im zweiten Lehrjahr eine monatliche Lehrlingsentschädigung von S 2.657,-- beziehe. Am 6.10.1983 verständigte die Bezirkshauptmannschaft C das Erstgericht davon, daß Johann A am 23.8.1984 seine Schlosserlehre beenden werde. Nach Durchführung weiterer Erhebungen hat das Erstgericht mit Beschluß vom 4.6.1984, ON 50, den Unterhalt des Pflegebefohlenen vom 1.2.1983 bis 29.2.1984 auf S 700,-- monatlich herabgesetzt und Gustav B auf dessen - hier nicht aktenkundigen - Antrag vom 10.2.1984 ab 1.3.1984 von seiner Unterhaltspflicht gegenüber Johann Ernst A zur Gänze befreit. Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen. Sodann hat das Erstgericht mit Beschluß vom 18.7.1984, ON 52, auf Antrag des Amtsvormundes vom 11.7.1984 die Gewährung der Unterhaltsvorschüsse vom 1.3.1983 bis 31.3.1984 auf S 700,-- monatlich herabgesetzt und ab 1.4.1984 gänzlich eingestellt. Auch dieser Beschluß wurde rechtskräftig.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz beantragte daraufhin, die Ersatzpflicht des Johann Ernst A, hilfsweise seiner Mutter, für die in der Zeit vom März 1983 bis August 1984 zu Unrecht bezahlten Unterhaltsvorschüsse von S 10.700,-- auszusprechen. Das Erstgericht wies den Antrag ab, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging:

Die zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschüsse wurden von Brigitte D, der Mutter des Pflegebefohlenen, in Empfang genommen und zur Gänze für seinen Unterhalt verbraucht. Johann Ernst A bezog von Jänner bis Juli 1983 eine monatliche Lehrlingsentschädigung - unter anteiliger Berücksichtigung der Sonderzahlungen - von rund S 3.100,-- und von August 1983 bis zur Beendigung seiner Lehre (Ende Juli 1984) von rund S 4.300,--. Sein derzeitiges Monatseinkommen als Bauschlosser - einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen - beträgt rund S 9.300,-- netto. Der Beschluß vom 4.6.1984, ON 50, wurde dem Amtsvormund am 28.6.1984 zugestellt.

Das Erstgericht verneinte die Rückzahlungspflicht des Johann Ernst A und seiner Mutter im wesentlichen mit der Begründung, daß die Unterhaltsvorschüsse zur Gänze für den Unterhalt verbraucht worden seien. Darüber hinaus wäre Johann Ernst A durch die Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse, insbesondere bei der Gründung eines eigenen Hausstandes, finanziell unzumutbar belastet. Infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Erstgerichtes, soweit damit die Rückzahlungspflicht des Johann Ernst A verneint wurde, änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß Johann Ernst A zur Rückzahlung der ihm für die Monate September 1983 bis August 1984 zu Unrecht gezahlten Unterhaltsvorschüsse von insgesamt S 8.300,-- an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz in 14 Monatsraten ab dem der Rechtskraft des Beschlusses folgenden Monatsersten verpflichtet wurde. Der weitere Antrag auf Verpflichtung des Johann Ernst A zur Rückzahlung der weiteren zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschüsse von insgesamt S 2.400,-- wurde abgewiesen.

Das Rekursgericht führte aus, gemäß § 22 Abs 1 UVG habe das Kind Vorschüsse zurückzuzahlen, die entgegen einer Einstellung der Vorschüsse zu Unrecht gezahlt worden seien. Die Ersatzpflicht bestehe gemäß § 22 Abs 2 UVG insoweit nicht, als dadurch der laufende Unterhalt des Kindes gefährdet werde. Der wiederholt vertretene Standpunkt, daß nach Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit zu Unrecht bezogene Unterhaltsvorschüsse auf keinen Fall 'für den Unterhalt des Kindes' im Sinne des § 22 Abs 1 UVG verbraucht werden könnten, lasse sich mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers (RV 5 Blg.NR.14.GP zu § 22 UVG) nicht vereinen. Danach sollten zu Unrecht bezogene Vorschüsse dann nicht erstattet werden müssen, wenn sie wie ein irrtümlich bezahlter Gehalt oder Ruhegenuß redlich verbraucht wurden. Dabei komme es nicht darauf an, daß die verbrauchten Beträge dem notwendigen Mindestunterhalt entsprechen, sondern die Ersatzpflicht sei schon dann ausgeschlossen, wenn die Unterhaltsvorschüsse zu Unterhaltszwecken schlechthin gutgläubig verbraucht worden seien. Im vorliegenden Fall habe der Unterhaltsanspruch des Pflegebefohlenen schon zu Zeiten, als er noch über kein eigenes Einkommen verfügte, S 1.100,-- monatlich betragen. Dieser Betrag habe zur vollständigen Deckung seiner Bedürfnisse bei weitem nicht ausgereicht. Es sei daher dem Pflegebefohlenen, seiner Mutter und dem Amtsvormund Gutgläubigkeit insofern zuzubilligen, als sie eine zeitlang durchaus der Meinung sein konnten, es stehe dem Pflegebefohlenen zusätzlich zur Lehrlingsentschädigung weiterhin ein vom Vater zu leistender Unterhalt und damit ein Unterhaltsvorschuß zu. Dies könne aber nur bis zum Ende des zweiten Lehrjahres gelten. Zu diesem Zeitpunkt seien dem Pflegebefohlenen nämlich an Lehrlingsentschädigung und Unterhaltsvorschuß zusammen rund S 4.200,-- monatlich für seinen Unterhalt zur Verfügung gestanden, sodaß seine Bedürfnisse, da keine besonderen Ausbildungskosten hervorgekommen seien, gedeckt gewesen seien. Bei dieser Sachlage habe es ihm angesichts der Erhöhung der Lehrlingsentschädigung ab August 1983 um S 1.200,-- monatlich klar sein müssen, daß ein Anspruch auf zusätzlichen Unterhalt und damit auf Unterhaltsvorschuß nicht mehr bestehe. Der Pflegebefohlene könne sich daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf einen gutgläubigen Verbrauch der Unterhaltsvorschüsse berufen. Daß sein Vater erst ab 1.3.1984 von der Unterhaltspflicht befreit wurde, stehe dem nicht entgegen und sei lediglich durch die verspätete Antragstellung begründet. Für die Zeit ab Juli 1984 schließlich genüge es, bezüglich der fehlenden Gutgläubigkeit darauf zu verweisen, daß der Beschluß ON 50 dem Amtsvormund am 28.6.1984 zugestellt worden sei. Letztlich sei aber auch darauf zu verweisen, daß der gesetzliche Vertreter des Pflegebefohlenen die Einstellung der Unterhaltsvorschüsse selbst beantragt habe. In einem solchen Fall sei es im allgemeinen rechtsmißbräuchlich, sich auf den gutgläubigen Verbrauch zu Unrecht bezogener Vorschüsse zu berufen. Dies gelte im vorliegenden Fall zumindest ab August 1983, selbst wenn man berücksichtigt, daß die Einstellung der Unterhaltsvorschüsse rückwirkend für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erfolgt sei. Zusammenfassend habe das Erstgericht eine Rückzahlungspflicht für die bis zum Ablauf des zweiten Lehrjahres zu Unrecht bezogenen Vorschüsse zu Recht verneint. Für den Zeitraum danach erweise sich der Rekurs jedoch aus den oben dargelegten Gründen als berechtigt, sodaß ihm insoweit Folge zu geben und der Pflegebefohlene zum Ersatz der zu Unrecht bezogenen Vorschüsse zu verpflichten gewesen sei. Da Herabsetzungs- und Einstellungsgründe gemäß den §§ 19 Abs 1, 20 Abs 2 UVG erst ab dem ihren Eintritt nachfolgenden Monatsersten wirksam würden, sei der für den Monat Juni 1983 bezogene Unterhaltsvorschuß von der Rückzahlungspflicht ausgenommen. Es verblieben siebenmal S 400,-- für die Monate September 1983 bis März 1984 und fünfmal S 1.100,-- für die Monate April bis August 1984, insgesamt daher S 8.300,--. Diesen Betrag könne der Pflegebefohlene bei seinen festgestellten Einkommensverhältnissen in Monatsraten zu je S 600,-- ohne Gefährdung seines laufenden Unterhaltes zurückzahlen, und zwar auch dann, wenn man eine bevorstehende Hausstandsgründung in Betracht ziehe. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Johann Ernst A mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil die Beschänkung des Rechtsmittelzuges durch § 15 Abs 3 UVG nicht für Beschlüsse betreffend den Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse gilt; solche Beschlüsse sind vielmehr nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG anfechtbar (E 8 bei Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen 2.Aufl. 747). Der im Zuge des Verfahrens großjährig gewordene Johann Ernst A hat nach Erreichung der Großjährigkeit das Verfahren über die Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse genehmigt, so daß selbst allenfalls bestandene Vertretungsmängel jedenfalls geheilt sind.

Der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber führt aus, die Unterhaltsvorschüsse seien an seine Mutter Brigitte D bezahlt und von ihr zur Gänze für seinen Unterhalt verbraucht worden. Von der Herabsetzung und Einstellung der Unterhaltspflicht hätten er und seine Mutter erst nach der gerichtlichen Entscheidung erfahren, seine Mutter habe das Geld gutgläubig für ihn verwendet, es bestehe daher keine Ersatzpflicht seinerseits. Da er zur Zeit einen eigenen Hausstand gründe, sei ihm auch die Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse nicht zumutbar.

Hiezu ist folgendes auszuführen: Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 16.7.1984, ON 52, wurden die Unterhaltsvorschüsse für den mj. Johann Ernst A vom 1.3.1983 bis 31.3.1984 von S 1.100,-- auf S 700,-- monatlich herabgesetzt und ab 1.4.1984 zur Gänze eingestellt. Damit steht fest, daß ab 1.3.1984 zu Unrecht Unterhaltsvorschüsse bezahlt wurden.

Gemäß § 22 Abs 1 UVG hat das Kind Vorschüsse, die entgegen einer Herabsetzung oder Einstellung zu Unrecht gezahlt worden sind, zurückzuzahlen, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verbraucht worden sind. Gemäß § 22 Abs 2 UVG besteht die Ersatzpflicht insoweit nicht, als dadurch der laufende Unterhalt des Kindes gefährdet wird.

Es steht unbekämpft fest, daß die Unterhaltsvorschüsse für den Unterhalt des Johann Ernst A verbraucht wurden. Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, ist die Ersatzpflicht schon dann ausgeschlossen, wenn die Unterhaltsvorschüsse zu Unterhaltszwecken schlechthin gutgläubig verbraucht wurden (vgl. RZ 1985/13 ua). Bezüglich der Annahme dieser Gutgläubigkeit des (damals) Minderjährigen, seiner Mutter und des Amtsvormundes nur bis zum Ende des zweiten Lehrjahres des Minderjährigen, kann jedoch dem Rekursgericht nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Fall mußte dem Minderjährigen, seiner Mutter und seinem gesetzlichen Vertreter nicht schon auf Grund offenkundiger Umstände auffallen, daß ab dem Ende des 2.Lehrjahres keinesfalls mehr ein Unterhaltsvorschuß gebühren könne. Gerade Lehrlingsentschädigungen dienen auch der Abdeckung der Kosten der Berufsausbildung. Ein Lehrling gilt nach allgemeinem Urteil noch nicht als voll selbsterhaltungsfähig. Ein Laie muß daher nicht annehmen, daß ihm ab einer bestimmten Höhe der Lehrlingsentschädigung auf keinen Fall mehr zusätzlich noch ein Unterhaltsvorschuß gebühren könnte (3 Ob 551/84, 8 Ob 503/85 ua). Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes kann vielmehr unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles der gute Glaube hinsichtlich des Verbrauches der empfangenen Unterhaltsvorschüsse bis zum Ende der Lehrzeit, d.i. nach der Aktenlage bis zum 31.Juli 1984 zugebilligt werden. Lediglich für den Monat August 1984, in welchem Johann Ernst A nach Ende der Lehrzeit bereits als Bauschlosser beschäftigt war und einen im Vergleich zur Lehrlingsentschädigung erheblich höheren Lohn bezog, kann keine Gutgläubigkeit mehr angenommen werden. Zum selben Ergebnis führt auch die Erwägung, daß dem Minderjährige durch den Amtsvormund als seinen gesetzlichen Vertreter am 11.7.1984 selbst den Antrag auf Herabsetzung des Unterhaltsvorschusses bzw. auf gänzliche Einstellung rückwirkend ab März 1984 stellte. Im Zeitpunkt der Antragstellung war dem gesetzlichen Vertreter jedenfalls schon bekannt, daß der Minderjährige keinen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsansprüchen mehr zusteht. Damit durften die weiterhin ausgezahlten Beträge aber nicht mehr für den Unterhalt des Minderjährigen verbraucht werden. Geschah dies dennoch, dann befreite auch der Verbrauch den Minderjährigen nicht von der Verpflichtung zur Rückzahlung (vgl. JBl 1984,486 ua). Die Rückzahlungspflicht war daher wie im Spruch festzusetzen. Durch sie kann mit Rücksicht auf die Höhe der Raten und das Einkommen des Johann Ernst A eine Gefährdung des Unterhaltes im Sinne des § 22 Abs 2 UVG nicht gegeben sein.

Dem Revisionsrekurs war daher teilweise Folge zu geben.

Anmerkung

E06813

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00635.85.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19851029_OGH0002_0020OB00635_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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