TE OGH 1985/12/3 5Ob601/85

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Veröffentlicht am 03.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef A, Musikschullehrer, Kitzbühel, Ried Bichlach Nr. 24, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Elfriede A, geb. B, Hausfrau, Kitzbühel, Ried Bichlach Nr. 24, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17. Juni 1985, GZ 5 R 69/85-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Dezember 1984, GZ 14 Cg 144/84-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.597,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.200,-- an Barauslagen und S 308,85 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 8.5.1965 vor dem Standesamt in Kitzbühel ihre jeweils erste Ehe miteinander. Aus ihrer Verbindung stammen der am 5.3.1960 geborene und durch die nachfolgende Eheschließung legitimierte Günther A und der am 25.5.1972 geborene minderjährige Harald A. Der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Streitteile liegt in Kitzbühel.

Mit seiner am 6.3.1984 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung seiner Ehe gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten. Die Beklagte habe bei der Kindererziehung eine selbstherrliche Art entwickelt, habe die Kinder praktisch wie Gefangene gehalten, habe ihnen etwa jahrelang den Umgang mit Nachbarkindern untersagt und habe dem jüngeren Sohn der Streitteile gegenüber bemerkt, das werde sich erst ändern, wenn der Kläger früher vom Wirtshaus heimkomme. Die Beklagte vernachlässige seit jeher den Haushalt und die Vermietung der Fremdenzimmer und bereite die Mahlzeiten entweder überhaupt nicht oder unzulänglich. Ein Abendessen habe der Kläger schon seit Jahren nicht mehr erhalten. Seit vielen Jahren verweigere die Beklagte dem Kläger den ehelichen Verkehr und habe den Kläger aus dem ehelichen Schlafzimmer "hinausgeworfen". Seit Beginn der Ehe habe die Beklagte den Kläger und seine Verwandtschaft beschimpft. Der Kläger sei Musiker und vielfach abends als Mitglied einer Tanzkapelle und der Stadtmusik Kitzbühel im Einsatz. Die Beklagte habe dies grundsätzlich akzeptiert, werfe aber nunmehr dem Kläger vor, ständig im Wirtshaus zu sein. Dabei gehe der Kläger seit der Auflösung der Tanzkapelle abends nur deshalb weg, weil die Beklagte ihn völlig ignoriere und mit ihm nicht einmal mehr spreche. Bei seiner Heimkehr zwischen etwa 12 und 1 Uhr nachts - in den Saisonen nach Auftritten auch später - sei der Kläger nur selten und geringfügig alkoholisiert und habe nie gelärmt. Die Beklagte habe auch versucht, die Kinder gegen den Kläger einzunehmen und habe dem Sohn Harald jeden Kontakt, jedes Gespräch und jede gemeinsame Aktivität mit dem Kläger verboten. Dem Sohn Harald sei von der Beklagten erklärt worden, er brauche seinem Vater nicht zu folgen. Dem Kläger sei sogar verboten worden, dem Sohn Harald Weihnachtsgeschenke zu geben. Harald habe zwei Pakete des Klägers gar nicht öffnen dürfen. Das Verhalten der Beklagten mache es dem Kläger unmöglich, daheim Gäste zu empfangen. Auch deshalb müsse der Kläger viele Abende auswärts verbringen. Jahrelang habe die Beklagte den Kläger zur Scheidung aufgefordert, aber eine "Superwohnung" beansprucht und erklärt, der Kläger solle ihr nur Haushaltsgeld geben, ansonsten aber sie und das Kind Harald in Ruhe lassen. Die Beklagte habe daher die Ehegesinnung in Wahrheit schon verloren. Der Kläger habe zunächst an der Ehe festhalten wollen, sei aber nunmehr zur Fortsetzung der Ehe nicht mehr bereit. Die Ehe sei "hoffnungslos zerrüttet". Ein gleichteiliges Mitverschulden des Klägers an der Scheidung werde zugestanden.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und hilfsweise für den Fall der Scheidung "das Alleinverschulden, zumindest das überwiegende Verschulden des Klägers" auszusprechen. Der wirkliche Grund für die Verstimmung in der Ehe liege allein in dem vom Kläger zu vertretenden Umstand, daß er sich jahrelang nahezu jeden Abend - nicht nur berufsbedingt, sondern auch zum Vergnügen - fern von zu Hause aufgehalten habe. Wiederholt sei der Kläger erst in den Morgenstunden und vielfach alkoholisiert nach Hause zurückgekehrt. Deshalb habe die Beklagte dem Kläger hin und wieder Vorhaltungen gemacht und habe ihn angefleht, dieses Verhalten einzustellen. Der ältere Sohn der Streitteile sei weitgehend von der Schwiegermutter der Beklagten aufgezogen worden. Den jüngeren Sohn erziehe die Beklagte vollkommen ordnungsgemäß. Das Kind sei freilich durch den Unfrieden in der Familie belastet. Hinsichtlich der Gemeinsamkeit der Mahlzeiten ergäben sich allerdings auf Grund der dargestellten Lebensweise des Klägers Schwierigkeiten, zumal er morgens lange schlafe, mittags sehr unregelmäßig erscheine und zum Abendessen meist gar nicht komme. Der Kläger habe im übrigen erklärt, die Beklagte brauche ihm kein Abendessen zu bereiten. Nicht die Beklagte habe sich dem Kläger geschlechtlich verweigert, sondern dieser habe sich der Beklagten nicht mehr genähert. Zur Trennung der Schlafräume sei es über Wunsch der Beklagten gekommen, weil der trunken und lärmend heimkommende Kläger eine unangenehme Ausdünstung gehabt und überdies geschnarcht habe. Eine Fremdenzimmervermietung sei wegen der ungünstigen Lage des Hauses und dessen Ausstattung nur erschwert möglich. Der Kläger lasse es an der nötigen Pflege der Gemeinsamkeit mit der Beklagten fehlen. Mit fortschreitender Reife werde der Kläger aber gewiß seine "Nachtschwärmerei" aufgeben können. Das Erstgericht wies das Scheidungsbegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Streitteile waren schon vor der Eheschließung einige Jahre lang miteinander eng befreundet. Eine Lebensgemeinschaft hatten sie vorerst nicht begründet. Am 5.3.1960 wurde der voreheliche Sohn der Streitteile Günther geboren, welcher durch die nachfolgende Eheschließung der Streitteile legitimiert wurde. Dieser Sohn der Streitteile wurde von ihnen zunächst der Mutter des Klägers in Pflege und Erziehung überlassen. Die Eltern des Klägers bewirtschaften das bäuerliche Anwesen "Filzen" in Kitzbühel, welches im Nahebereich der nunmehrigen Ehewohnung der Streitteile liegt. Aus Anlaß der am 8.5.1965 erfolgten Eheschließung begründeten die Streitteile eine Lebensgemeinschaft und nahmen in diese auch ihren Sohn Günther auf. Als Ehewohnung diente den Streitteilen zunächst für die Dauer von etwa 2 Jahren eine Hausbesorgerwohnung in Kitzbühel, welche die Streitteile auf Grund eines von ihnen übernommenen Hausbesorgerpostens erlangt hatten, wobei die mit dieser Tätigkeit verbundene Arbeit überwiegend von der Beklagten erledigt wurde. In weiterer Folge mieteten die Streitteile eine andere Wohnung in Kitzbühel und bestimmten diese zur Ehewohnung. Mittlerweile war dem Kläger von seinen Eltern eine für einen Hausbau geeignete Liegenschaft als Erbteil überlassen worden. Auf dieser Liegenschaft errichtete der Kläger etwa ab 1966 oder 1967 unter Mithilfe der Beklagten das Einfamilienhaus Kitzbühel, Ried Bichlach Nr. 24, das etwa 1969 oder 1970 fertiggestellt wurde. Seither dient dieses Haus den Streitteilen als Ehewohnung. Einige Zimmer dieses Hauses wurden für Zwecke einer Privatzimmervermietung gerichtet, welche von der Beklagten seit Fertigstellung des Hauses in geringem Umfang betrieben wird. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Streitteile blieb bisher, abgesehen von den nachfolgend festgestellten Unstimmigkeiten, aufrecht.

Die Führung des ehelichen Haushaltes oblag während der gesamten Dauer der Ehe der Beklagten, die im Rahmen des ehelichen Haushaltes ab der Eheschließung auch den vorehelichen Sohn Günther bis zu dessen 15. Lebensjahr versorgte. Dieser verließ sodann den Haushalt seiner Eltern aus eigenem Antrieb und fand bei einer im Nahbereich der elterlichen Wohnung wohnhaften Tante Unterkunft. Der am 25.5.1972 geborene eheliche Sohn Harald lebt seit seiner Geburt im ehelichen Haushalt der Streitteile. Die Beklagte verrichtete nach der Eheschließung zunächst für die Dauer von etwa 2 Jahren die mit dem übernommenen Hausbesorgerposten verbundenen Arbeiten und ging anschließend einer anderen regelmäßigen Arbeit nach. Seit der Geburt des Sohnes Harald widmet sich die Beklagte ausschließlich der Haushaltsführung und der Erziehung dieses Kindes.

Der Kläger war bereits zur Zeit der Eheschließung Lehrer an der Musikschule in Kitzbühel und blieb dies auch seither. Diese Tätigkeit nimmt den Kläger an Schultagen jeweils nur am Nachmittag in Anspruch. Der Kläger war während der gesamten Dauer der Ehe Mitglied der Stadtmusikkapelle Kitzbühel und ist dies auch heute. Dadurch wird er in den Monaten der Sommerfremdenverkehrssaison etwa an 3 Abenden und in der übrigen Zeit etwa an einem Abend pro Woche vollständig in Anspruch genommen. Überdies ist der Kläger auch Mitglied des örtlichen Kirchenchores und einer Laienspielgruppe sowie Mitglied eines Imkervereins. Diesen Mitgliedschaften opfert der Kläger ebenfalls, allerdings in wesentlich geringerem Ausmaß, Freizeit. Etwa ein Jahr nach der Eheschließung gründete der Kläger zusammen mit zwei anderen Musikern eine Tanzkapelle, welche in der Folge unter weiterer Beteiligung des Klägers als Duo fortgeführt wurde. Diese Tanzkapelle bestand bis etwa 1979 und tritt seither nur mehr gelegentlich auf. Durch diese Tanzkapelle wurde der Kläger seit deren Bestehen in seiner Freizeit, insbesondere an Abenden, übermäßig beansprucht, weil diese Tanzkapelle in den Monaten der üblichen Fremdenverkehrssaison mehrmals und in den übrigen Zeiten etwa ein- bis zweimal pro Woche am Abend auftrat. Gerade durch diese Tätigkeit in der Tanzkapelle verdiente der Kläger aber auch sehr gut. Dieses Nebeneinkommen trug wesentlich zum Hausbau bei. Andererseits bewirkten die umfangreichen Verpflichtungen des Klägers im Rahmen der Tanzkapelle aber auch, daß der Kläger anläßlich von Auftritten der Tanzkapelle den Abend jeweils nicht mit seiner Familie, sondern bei der Tanzkapelle verbrachte und nach den Auftritten jeweils erst spät in der Nacht, zumeist nach Mitternacht, gelegentlich auch erst in den frühen Morgenstunden, in die Ehewohnung zurückkehrte. Gelegentlich kam es auch vor, daß der Kläger erheblich alkoholisiert heimkam. Dieses Mitwirken des Klägers in der Tanzkapelle, seine Betätigung in der Stadtmusikkapelle Kitzbühel und seine Mitgliedschaften beim Kirchenchor und bei einer Laienspielgruppe - welchen Verpflichtungen der Kläger jeweils vorwiegend am Abend nachzukommen hatte - bewirkten, daß der Kläger seit Bestehen der Tanzkapelle nahezu jeden Abend von der Familie abwesend war. Durch diese umfangreichen Neben- und Freizeitbeschäftigungen wurde der Kläger vielfach auch an Wochenenden in Anspruch genommen.

Die Beklagte empfand diese vielfachen Abwesenheiten des Klägers von der Familie während seiner Freizeit stets als störend, nahm die Tätigkeit bei der Tanzkapelle aber vorerst in Kauf, weil der Kläger recht gut verdiente.

Die Erziehung des Sohnes Günther überließen die Streitteile bis zur Eheschließung der Mutter des Klägers. Von der Eheschließung der Streitteile an bis etwa zu dessen 15. Lebensjahr wurde dieses Kind im ehelichen Haushalt versorgt, wobei in dieser Zeit die Erziehung des Sohnes wie auch nachfolgend die Erziehung des Sohnes Harald nahezu ausschließlich in den Händen der Beklagten lag. Der Kläger kümmerte sich nämlich um die Erziehung seiner beiden Söhne nur wenig. Die durch die Beklagte bewirkte Erziehung der beiden Kinder war teilweise mangelhaft. Dem vorehelichen Sohn Günther gegenüber ließ es die Beklagte teilweise an mütterlicher Zuwendung fehlen. Sie wendete ihm gegenüber teilweise übergroße Strenge in der Wahl der Erziehungsmittel an. So kam es gelegentlich vor, daß die Beklagte zur Maßregelung dieses Kindes in grober Weise die Prügelstrafe anwendete. Überdies trachtete die Beklagte wiederholt während der schulischen Freizeit des Kindes, dessen Umgang mit Gleichaltrigen aus der Umgebung zu unterbinden. Diese Maßnahme verwendete die Beklagte als Druckmittel gegen den Kläger. Sie erklärte ihm, damit erreichen zu wollen, daß er weniger häufig seine Abende außerhalb der Familie verbringe und sich insgesamt mehr seiner Familie zuwende. Diesem Verlangen der Beklagten kam der Kläger nicht nach. Mit der überstrengen Erziehung des Sohnes Günther war der Kläger nicht einverstanden. Die unterschiedlichen Ansichten über die Kindererziehung führten zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen, die von ihnen einvernehmlich nicht beigelegt werden konnten. Es kam auch vor, daß der Kläger Tätlichkeiten gegenüber seinem Sohn Günther in Form von gelegentlichen Ohrfeigen setzte. Im Alter von etwa 15 Jahren verließ Günther schließlich den ehelichen Haushalt aus eigenem Antrieb und wurde vom Kläger nachfolgend bei einer nahen Familienangehörigen untergebracht, nachdem es zu ernsthaften Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen über die Erziehung dieses Kindes und zwischen dem Kind und seiner Mutter gekommen war. Günther absolvierte sodann eine Mechanikerlehre und ist bereits verheiratet.

Die Beklagte erwies sich auch in der Erziehung des Sohnes Harald als streng. Anlaß für diese Strenge der Beklagten ist insbesondere dessen schlechter schulischer Erfolg, welcher wahrscheinlich teilweise durch die ehelichen Unstimmigkeiten der Streitteile bedingt ist. Obwohl in der Nachbarschaft der Streitteile mehrere gleichaltrige Kinder wohnen, hat die Beklagte jahrelang nahezu jeden Umgang des Sohnes Harald mit diesen Kindern untersagt, um auf Harald und über ihn auf den Kläger mit dem Ziel Druck auszuüben, den Kläger dazu zu veranlassen, sich in seiner Freizeit mehr seiner Familie und der Beklagten zu widmen. Diesem Verlangen beugte sich der Kläger aber nicht. Die Erziehung auch dieses Kindes lag vorwiegend in den Händen der Beklagten, welche sich laufend auch um die schulischen Belange dieses Kindes kümmerte, während sich der Kläger der Erziehung auch dieses Kindes nur wenig widmete. Seit mehreren Jahren ist die Beklagte nunmehr auch bestrebt, nach Möglichkeit jeden engen Kontakt dieses Kindes mit dem Kläger zu unterbinden. Zu Weihnachten (offenbar 1983: AS 19, 37, 61) untersagte die Beklagte diesem Kind, zwei ihm vom Kläger zugedachte Weihnachtspakete in Empfang zu nehmen. Seit mehreren Jahren verwendet die Beklagte dieses Kind sozusagen als Druckmittel gegen den Kläger, womit sie erreichen will, daß der Kläger sich während seiner Freizeit mehr der Beklagten und der Familie zuwendet.

Vor etwa 4 oder 5 Jahren kam es zu einem ernsthaften und nachhaltigen Streit zwischen den Ehegatten. Der Kläger war zu dieser Zeit - wie schon mehrere Jahre zuvor - nahezu jeden Abend seinen verschiedenen Freizeitbeschäftigungen außerhalb der Familie nachgegangen. Zu dieser Zeit empfand die Beklagte die nahezu allabendliche Abwesenheit des Klägers als grob störend, beklagte sich darüber dem Kläger gegenüber und forderte diesen auf, sich während seiner Freizeit mehr als bisher der Beklagten und der Familie zu widmen. Der Kläger erklärte der Beklagten, sich diesbezüglich nicht bessern zu wollen, und setzte sein Verhalten fort. Er ist auch derzeit nicht bereit, es zu ändern. Auf Grund dieser Weigerung des Klägers, seine verschiedenen Freizeitbeschäftigungen zugunsten der Familie und zugunsten der Beklagten einzuschränken, bestehen seit mehreren Jahren erhebliche Unstimmigkeiten in der Ehe der Streitteile. Diese haben dazu geführt, daß die Beklagte unter mißbräuchlichem Einsatz des ehelichen Kindes Harald versucht, den Kläger zu der von ihr verlangten Änderung zu bringen. Diese ehelichen Unstimmigkeiten haben auch bewirkt, daß die Beklagte dem Kläger zwar weiterhin das Mittagessen zubereitet, es ihm aber nicht mehr wie bisher serviert. Der Kläger muß sich das Essen selbst zum Tisch bringen. Am gemeinsamen Frühstückstisch zu üblicher Zeit nahm der Kläger schon bisher kaum teil, weil er die Vormittagsstunden jeweils zum Ausruhen verwendete. Zum Abendessen ist der Kläger schon seit vielen Jahren nahezu nie daheim. Wenn er gelegentlich das Abendessen daheim einnimmt, wird ihm dieses von der Beklagten zubereitet und bereitgestellt. Abgesehen von den zuvor festgestellten Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen über das Mittagessen des Klägers war die Haushaltsführung der Beklagten seit Beginn der Ehe stets ordnungsgemäß.

Die Beklagte machte dem Kläger seit mehreren Jahren wiederholt darüber Vorhalte, daß er seine abendliche Freizeit vorwiegend außerhalb der Familie verbringe. Bei diesen Gelegenheiten machte der Kläger seinerseits der Beklagten Vorhalte wegen mangelhafter Kindererziehung. Dabei kam es zwischen den Streitteilen wiederholt zu Streitereien, in deren Verlauf beide Ehegatten einander mit groben Schimpfworten belegten. Zwischen der Beklagten und ihrer Schwiegermutter besteht seit vielen Jahren Unfrieden, welcher aber nicht zu offenem Streit führte. Auch zu anderen in der Nachbarschaft der Streitteile wohnhaften Familienangehörigen des Klägers unterhält die Beklagte keine familiär engen, sondern eher nachbarschaftlich distanzierte Beziehungen. Nicht erwiesen ist aber, daß die Beklagte Familienangehörige des Klägers jemals beschimpft hätte. Der letzte Geschlechtsverkehr zwischen den Streitteilen fand vor etwa 4 oder 5 Jahren statt. Etwa seit dieser Zeit benützen das eheliche Schlafzimmer die Beklagte und der eheliche Sohn Harald, während der Kläger über Verlangen der Beklagten vor mehreren Jahren aus dem ehelichen Schlafzimmer auszog. Anlaß für dieses Verlangen der Beklagten war neben den Unstimmigkeiten zwischen den Ehegatten insbesondere auch der Umstand, daß der Kläger gelegentlich spät in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden lärmend und betrunken nach Hause kam und dadurch die Nachtruhe der Beklagten erheblich störte.

Der Kläger gab seiner Familie stets ausreichend und regelmäßig Unterhalt. Vermögensrechtliche Belange waren zu keiner Zeit Anlaß für erhebliche Unstimmigkeiten in der Ehe der Streitteile. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Streitteile ist nunmehr durch das festgestellte Verhalten beider Ehegatten tiefgreifend zerrüttet, wobei in weitaus überwiegendem Maß das Fehlverhalten des Klägers zur Zerrüttung der Ehe beigetragen hat, welcher nahezu während der gesamten Dauer der Ehe seine Freizeit nicht mit der Familie und der Beklagten, sondern vorwiegend mit den festgestellten Nebenbeschäftigungen und Freizeitbeschäftigungen außerhalb der Familie verbrachte und sich seit mehreren Jahren trotz ausdrücklichen und wiederholten Verlangens der Beklagten beharrlich weigerte, dieses Fehlverhalten zu ändern. Der Kläger lehnt eine Fortsetzung der Ehe ab. Die Beklagte will die Ehe aufrecht erhalten. Es besteht Aussicht auf Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft, wenn der Kläger sich - was keineswegs ausgeschlossen erscheint - während seiner Freizeit mehr als bisher und in ausreichendem Maß der Beklagten und dem ehelichen Kind widmet. Nicht erwiesen ist, daß die Beklagte den Kläger jemals aufgefordert hätte, die Ehescheidung zu erwirken.

Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:

Die Beklagte habe durch ihre mangelhafte Kindererziehung, insbesondere durch die Verwendung der Kinder als Druckmittel gegen den Kläger zur Durchsetzung ehelicher Forderungen, zwar Eheverfehlungen begangen, doch könnte diese nicht als schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG gewertet werden. Eine Vernachlässigung der Haushaltsführung, die an sich als schwere Eheverfehlung gewertet werden müßte, sei nicht hervorgekommen. Gelegentliche Beschimpfungen des Klägers durch die Beklagte im Zusammenhang mit den ehelichen Schwierigkeiten bedeuteten keine schwere Eheverfehlung, zumal auch der Kläger seinerseits bei solchen Gelegenheiten gegen die Beklagte Schimpfworte verwendet habe. Auch eine Verweigerung des ehelichen Verkehrs durch die Beklagte sei nicht erwiesen. Die Ausweisung des Klägers aus dem ehelichen Schlafzimmer erscheine im Hinblick auf das festgestellte Fehlverhalten des Klägers verständlich und sei der Beklagten gleichfalls nicht als schwere Eheverfehlung zuzurechnen. Selbst dann aber, wenn man das festgestellte Verhalten der Beklagten als schwere Eheverfehlung ansehen wollte, bestünde das Scheidungsbegehren nicht zu Recht, weil nach den getroffenen Feststellungen die Ehe zwar zerrüttet, aber nicht derart tiefgreifend zerstört sei, daß eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könnte. Die Beklagte halte nämlich mit Nachdruck an der Ehe fest und wolle die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger fortsetzen. Außer der derzeitigen Weigerung des Klägers zur Fortsetzung der Ehe sei kein Grund ersichtlich, warum dieses beharrliche Verlangen der Beklagten nicht erfolgreich sein sollte, zumal der Kläger noch keine anderen Bindungen außerhalb der Ehe eingegangen sei. Hinzu komme, daß das Scheidungsbegehren des Klägers, welcher selbst in weitaus überwiegendem Maße zur Zerrüttung der Ehe beigetragen habe, sittlich nicht gerechtfertigt erscheine. Zumindest ein Teil der Eheverfehlungen der Beklagten habe nämlich einen deutlichen Zusammenhang mit dem Verhalten des Klägers. So habe der Kläger bereits in der Klage behauptet und auch in seiner Aussage als Partei bekundet, daß die Beklagte den Kindern der Streitteile den Umgang mit Nachbarkindern verboten habe, um den Kläger zu veranlassen, früher vom Wirtshaus heimzukommen. Die durch diese Maßnahmen der Beklagten bedingten Mängel der Kindererziehung hätten daher einen deutlichen Zusammenhang mit der schweren Eheverfehlung des Klägers. Ein derartiger Zusammenhang treffe auch für die geringfügige Vernachlässigung der Haushaltsführung im Hinblick auf das Mittagessen des Klägers zu. Unabhängig vom Verhalten des Klägers sei der Einsatz nicht zu billigender Erziehungsmittel (Anwendung der Prügelstrafe) durch die Beklagte. Dieses Fehlverhalten bedeute aber für sich allein noch keine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG.

Das Berufungsgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden der Beklagten und sprach aus, daß den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden treffe. Es führte unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung aus:

Mit der Beweisrüge bekämpfe der Kläger die Unterstellung des Erstgerichtes, es bestehe Aussicht auf Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft. Abgesehen davon, daß das Erstgericht von einer solchen Aussicht nur für den Fall ausgegangen sei, daß sich der Kläger während seiner Freizeit mehr als bisher und in ausreichendem Maß der Beklagten und dem ehelichen Kind Harald widme, handle es sich bei diesem Ausspruch aber in Wahrheit nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine Schlußfolgerung aus dem unbekämpft und in unbedenklicher Weise festgestellten Sachverhalt, die als Teil der rechtlichen Beurteilung anzusehen sei. Hierauf sei daher im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage der unheilbaren Zerrüttung der Ehe einzugehen.

Der Rechtsrüge des Klägers sei zunächst darin beizupflichten, daß das festgestellte Benutzen der Kinder als Druckmittel gegenüber dem Kläger zur Durchsetzung wenn auch berechtigter ehelicher Forderungen und der Versuch, das eheliche Kind Harald dem Kläger zu entfremden, als schwere Eheverfehlungen der Beklagten anzusehen seien. Eine Eheverfehlung sei dann als schwer zu bezeichnen, wenn sie im allgemeinen und objektiv in den Lebens- und Berufskreisen der Gatten bei einem selbst von echter ehelicher Gesinnung erfüllten und daher zur Nachsicht bereiten Ehegatten eine völlige Entfremdung herbeiführen würde und mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar und geeignet sei, die Zerrüttung der Ehe hervorzurufen oder doch einen bedeutenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe zu leisten. Eine schwere Eheverfehlung sei nur dann anzunehmen, wenn die Verfehlung nicht nur die subjektive Wirkung, sondern auch die objektive Eignung habe, einen bedeutenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe zu leisten. Dabei sei das Gesamtverhalten des betreffenden Ehegatten zu berücksichtigen. Nach diesen Kriterien seien aber das massive Hineinziehen der Kinder in den Ehestreit, deren Verwendung als Druckmittel gegenüber dem Kläger und die Verhinderung eines guten Kontaktes der Kinder mit diesem schon wegen der ungünstigen Auswirkungen einer solchen Handlungsweise auf die psychische Entwicklung der Kinder und wegen der weitgehenden Wehrlosigkeit des Klägers gegenüber solchen Einwirkungen als schwere Eheverfehlungen anzusehen. Dies gelte umso mehr, als es sich nicht etwa nur um vereinzelte Entgleisungen der Beklagten aus einer momentanen Verzweiflung heraus gehandelt habe, sondern um ein fortgesetztes Verhalten, das bereits - hinsichtlich der Verwendung als Druckmittel - gegenüber dem älteren Kind der Streitteile zutage getreten sei und das sich dann beim jüngeren Kind bis hinein in den Sechsmonatezeitraum des § 57 EheG und in die Zeit nach Einbringung der Scheidungsklage in allen dargestellten Richtungen fortgesetzt habe.

Entgegen der Meinung des Erstgerichtes könne aber auch die Verwirkungsklausel des § 49 Satz 2 EheG nicht zugunsten des Standpunktes der Beklagten ins Treffen geführt werden. Durch diese Klausel solle verhindert werden, daß derjenige Ehegatte, der die Ehe schon geraume Zeit durch sein Verhalten mißachtet habe, auf Grund seiner Klage von der Ehe loskomme, wenn der andere Teil auch Eheverfehlungen begangen habe, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit den eigenen Verfehlungen stünden. Maßgeblich sei, daß die Verfehlung des beklagten Ehegatten erst durch das schuldhafte Verhalten des klagenden Ehegatten hervorgerufen worden sei oder daß ein Zusammenhang zwischen den Verfehlungen des beklagten Ehegatten und dem Verhalten des klagenden Ehegatten bestehe oder daß das Verhalten des klagenden Ehegatten unverhältnismäßig schwerer wiege als das des Gegners und daher dessen Verfehlungen in den Hintergrund treten lasse. Einem Scheidungsbegehren sei umso mehr die sittliche Berechtigung abzusprechen, je mehr der Kläger sich gegen die Ehe vergangen habe und je größer die seelische Notlage des Gegners gewesen sei, aus der heraus dieser zu seiner Verfehlung gekommen sei. Der Sinn der Verwirkungsklausel liege aber nicht darin, eine Kompensation von Eheverfehlungen zu ermöglichen; es dürften die Eheverfehlungen des einen Teils nicht als Freibrief für den anderen Teil aufgefaßt werden. Stünden die beiderseitigen Eheverfehlungen einander selbständig gegenüber, dann könne die sittliche Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn auch im vorliegenden Fall einerseits nicht zu übersehen sei, daß das der Beklagten anzulastende Verhalten dazu habe dienen sollen, den Kläger zu einer verstärkten Hinwendung zu seiner Familie zu veranlassen, und es daher insoweit durch Eheverfehlungen des Klägers ausgelöst worden sei, dürfe doch andererseits nicht außer Betracht bleiben, daß die Beklagte ihr Verhalten durch Jahre hindurch beharrlich fortgesetzt habe, obwohl sie habe sehen müssen, daß es nicht geeignet sei, den Kläger zu einer Einsicht oder Umkehr zu bestimmen. Dadurch habe die Beklagte aber dokumentiert, daß es ihr nicht nur darum zu tun gewesen sei, den Kläger zur ehelichen Gesinnung zu veranlassen, sondern auch darum, ihn als Vergeltung für empfangenes Unrecht zu maßregeln. Damit hätten sich aber die Verfehlungen der Beklagten von jenen des Klägers doch in einer Weise losgelöst, daß dem Scheidungsbegehren des Klägers die sittliche Berechtigung nicht abgesprochen werden könne, zumal das Verschulden der Beklagten hinter jenem des Klägers doch nicht so wesentlich zurücktrete, daß es vernachlässigt werden dürfte.

Dem Erstgericht könne auch in der Verneinung einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe nicht gefolgt werden. Eine Ehe sei dann als unheilbar zerrüttet anzusehen, wenn der klagende Ehegatte wegen des Verhaltens des anderen Ehegatten die eheliche Gesinnung verloren habe und daher die geistige und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die sittliche Grundlage der Ehe zu bestehen aufgehört habe und nicht erwartet werden könne, daß das Bewußtsein der Gemeinschaft zwischen den Ehegatten wieder entstehe. Betrachte man nun die vom Erstgericht festgestellte Entwicklung der Ehe, die völlig erfolglosen Versuche der Beklagten, den Kläger zu einer Änderung seines Verhaltens zu bewegen, und die seit den letzten geschlechtlichen Kontakten zwischen den Ehegatten verstrichene Zeit von 4 bis 5 Jahren (bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz), dann könne an einer - auch vom Erstgericht

angenommenen - tiefgreifenden Zerrüttung der Ehe nicht gezweifelt werden. Trotz des Willens der Beklagten zur Fortsetzung der Ehe könne aber entgegen der Auffassung des Erstgerichtes auch die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden. Die Zerrüttung der Ehe sei somit als unheilbar anzusehen. Wohl lasse sich die Zerrüttung einer Ehe fast ausnahmslos erst nach einer gewissen Zeit feststellen, da erst dann gesagt werden könne, ob nicht eine zunächst noch so schwer erscheinende Erschütterung der ehelichen Gemeinschaft doch noch überwunden werde. Wenn sich aber - wie hier - die heilende Kraft der Zeit als unwirksam erweise und sich am ehefeindlichen Verhalten beider Gatten nichts ändere, sei an einer unheilbaren Zerrüttung nicht zu zweifeln. Gewiß könnte eine Änderung des Verhaltens des Klägers angesichts der Ehebereitschaft der Beklagten die Ehe noch retten. Die Erwartungen der Beklagten in dieser Richtung erschienen aber angesichts der bisherigen Haltung des Klägers unrealistisch und entsprängen bloß einem Wunschdenken. Die vom Erstgericht aus der gemeinsamen Verpflichtung zur Erziehung des Kindes Harald und aus den vermögensrechtlichen Belangen gewonnenen Argumente könnten nicht überzeugen. Die Erziehung sei nämlich bisher nur ein Zankapfel zwischen den Ehegatten gewesen und die vermögensrechtlichen Fragen böten erfahrungsgemäß meist mehr Anlaß zu Streit als zur Entwicklung ehelicher Gesinnung. Die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten lägen daher vor.

Auch der hilfsweise gestellte Mitschuldantrag der Beklagten sei berechtigt. Der Kläger habe nämlich durch schwere Eheverfehlungen zur Zerrüttung der Ehe beigetragen, und zwar in erster Linie durch seine übermäßigen außerhäuslichen Aktivitäten als Musikant und als Mitglied einer Laienspielgruppe sowie eines Vereines, die eine gröbliche Vernachlässigung der Beklagten und Unzukömmlichkeiten durch spätes und teils erheblich alkoholisiertes Heimkommen nach sich gezogen hätten, aber auch durch wiederholtes Belegen der Beklagten mit groben Schimpfworten. Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens der Ehegatten sei das Gesamtverhalten beider Ehegatten zu berücksichtigen und auch auf die zeitliche Abfolge sowie auf die ursächliche Verknüpfung und auf den Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe Bedacht zu nehmen. Ausschlaggebend sei, wodurch die Zerrüttung der Ehe unheilbar geworden sei und welcher Eheteil ein Verhalten gesetzt habe, das zunächst den Zerrüttungsprozeß eingeleitet habe. Derjenige Teil, der mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang gemacht habe, sei bei sonst gleichen Umständen gegenüber dem anderen Teil jedenfalls in höherem Grade schuldig. Zum Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten könne es nur dann kommen, wenn sein Verschulden eindeutig und offenkundig erheblich schwerer sei als das des anderen Ehegatten. Ein solcher augenscheinlich hervortretender gradueller Unterschied sei hier aber zu bejahen, wenn man die beiderseitigen Eheverfehlungen - und überhaupt das gesamte festgestellte beiderseitige Verhalten, auch wenn darin isoliert betrachtet noch keine schwere Eheverfehlung zu erblicken sei - nicht bloß zeitmäßig und gewichtsmäßig gegenüberstelle, sondern auch die ursächliche Verknüpfung und den Beitrag zur Zerrüttung der Ehe gebührend berücksichtige. Der Kläger habe nämlich durch seine gröbliche Vernachlässigung der Beklagten und durch die beharrliche Verweigerung einer Besserung mit den eheschädigenden Handlungen begonnen und hiedurch einen weit überwiegenden Beitrag zur endlichen Zerrüttung der Ehe geleistet. Demgegenüber trete der Beitrag der Beklagten zur Zerrüttung der Ehe weit in den Hintergrund (wenngleich er auch nicht vernachlässigt werden dürfe), handle es sich doch dabei im wesentlichen nur um eine Antwort auf das ehefeindliche Verhalten des Klägers. Es dürfe schließlich nicht außer Betracht bleiben, daß die Beklagte im Gegensatz zum Kläger noch zur Ehe stehe. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem erstgenannten Revisionsgrund macht die Beklagte geltend, daß das Verfahren infolge Unterlassung entscheidungswesentlicher weiterer Feststellungen mangelhaft geblieben sei. Wären die von der Beklagten vermißten weiteren Feststellungen getroffen worden, dann hätte sich ergeben, daß das Recht des Klägers auf Scheidung wegen Verschuldens nach § 57 Abs. 1 Satz 1 und 2 EheG erloschen sei.

Auf diese der Rechtsrüge zu unterstellenden Ausführungen wird bei Behandlung der Rechtsrüge einzugehen sein.

Mit der Rechtsrüge bekämpft die Beklagte die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß ihr schwere Eheverfehlungen anzulasten seien, die zu einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe der Streitteile geführt hätten, und der Kläger sein Scheidungsrecht nicht nach § 49 Satz 2 EheG verwirkt habe.

Dazu sowie zu dem unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobenen Einwand, das Recht des Klägers auf Scheidung sei nach § 57 Abs. 1 EheG erloschen, ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Zunächst wendet sich die Beklagte dagegen, daß das Benützen der Kinder als Druckmittel gegenüber dem Kläger zur Durchsetzung ihrer wenn auch berechtigten Forderungen und ihr Versuch, das Kind Harald dem Kläger zu entfremden, als schwere Eheverfehlungen anzusehen seien. Ihr Verhalten, durch das sie lediglich ihr großes Interesse daran zum Ausdruck gebracht habe, den Kläger in ihrem Sinn umzustimmen, sei objektiv gesehen keinesfalls geeignet gewesen, eine völlige Entfremdung des Klägers herbeizuführen oder diesem das Kind Harald zu entfremden. Ein entsprechender Gesinnungswandel des Klägers hätte sofort eine funktionierende Ehegemeinschaft und Vater-Kind-Beziehung hergestellt. Die Einsetzung des ehelichen Kindes zur Erhaltung der Ehe löse nicht eine schwere Eheverfehlung aus. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die Vorinstanzen haben festgestellt, daß die Beklagte beiden Söhnen der Streitteile jahrelang wiederholt nahezu jeden Umgang mit gleichaltrigen Nachbarkindern untersagte, um auf den Kläger Druck in der Richtung auszuüben, daß er sich mehr seiner Familie zuwende und der Beklagten widme, und daß sie seit mehreren Jahren auch bestrebt ist, nach Möglichkeit jeden engen Kontakt des Sohnes Harald mit dem Kläger zu unterbinden. Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß diese Verhaltensweisen der Beklagten, die nach der Lebenserfahrung durchaus geeignet erscheinen, die Zerrüttung der Ehe hervorzurufen, als (rechtswidrige und schuldhafte) schwere Eheverfehlungen zu beurteilen sind (zur Wertung der Verletzung der gesetzlichen Elternpflichten als schwere Eheverfehlung - § 49 EheG in Verbindung mit §§ 44, 144 ABGB - vgl. Ehrenzweig-Schwind, Familienrecht 60) und nicht mehr als rechtmäßiges Bestreben, die Ehe der Streitteile zu erhalten, gebilligt werden können. Da die getroffenen Feststellungen für die Beurteilung hinreichen, daß die Beklagte ihr als schwere Eheverfehlung zu wertendes Verhalten gegenüber dem jüngeren Kind der Streitteile auch noch innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 57 Abs. 1 EheG vor der Erhebung der gegenständlichen Scheidungsklage fortgesetzt hat - so hat sie beispielsweise Harald zu Weihnachten 1983 (die in der Ausfertigung des ersgerichtlichen Urteils aufscheinende Jahreszahl 1984 beruht offensichtlich auf einem Schreibfehler) verboten, zwei ihm vom Kläger zugedachte Weihnachtspakete in Empfang zu nehmen -, und keine Rede davon sein kann, die Ehe der Streitteile wäre schon mehrere Jahre vor Klageerhebung unheilbar zerrüttet gewesen und hätte durch das weiter fortgesetzte Verhalten der Beklagten nicht mehr tiefer zerrüttet werden können, liegt auch der von der Beklagten im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der gegenständlichen Scheidungsklage gerügte Feststellungsmangel nicht vor.

Sodann vermeint die Beklagte, das Berufungsgericht habe die Verwirkung des Scheidungsrechts des Klägers im Sinne des § 49 Satz 2 EheG zu Unrecht verneint. Die Annahme des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe den Druck auf den Kläger über das Kind in Vergeltungsabsicht ausgeübt, sei feststellungsfremd. Im übrigen sei das Verhalten der Beklagten vom Kläger ausgelöst worden und trete gegenüber seinem ehewidrigen Verhalten in den Hintergrund. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die aus der Feststellung, daß die Beklagte ihr Verhalten durch Jahre hindurch beharrlich fortsetzte, obwohl sie sehen mußte, daß es nicht geeignet ist, den Kläger zur Einsicht und Umkehr zu bestimmen, gezogene Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, daß es der Beklagten nicht nur darum zu tun war, den Kläger zur ehelichen Gesinnung zu veranlassen, sondern auch darum, ihn als Vergeltung für erlittenes Unrecht zu maßregeln, weder den Gesetzen logischen Denkens noch der Lebenserfahrung widerspricht und daher der rechtlichen Beurteilung des Scheidungsbegehrens des Klägers nach § 49 Satz 2 EheG zugrundezulegen ist. Geschieht dies, dann ist auch der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes beizutreten, daß die Verfehlungen der Beklagten den Verfehlungen des Klägers derart selbständig gegenüberstehen, daß dessen Scheidungsbegehren die sittliche Rechtfertigung nicht abzusprechen ist.

Gegen die berufungsgerichtliche Annahme einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe der Streitteile führt die Beklagte ins Treffen, daß der Kläger immerhin bemüht gewesen sei, mit der Beklagten über die ehelichen Schwierigkeiten zu reden, daß er bis jetzt keine Beziehungen zu anderen Frauen unterhalte und daß ihm an engen Beziehungen zu seinem jüngeren Sohn gelegen sei. Damit bestehe noch immer eine Basis für die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft. Die Feststellung allein, der Kläger wolle die eheliche Gemeinschaft nicht mehr fortführen, rechtfertige nicht ohne weiteres die Annahme einer unheilbaren Ehezerrüttung, weil auch noch nach einigen Jahren die Möglichkeit bestehe, daß er seine Meinung ändere. Diese Argumente sind nicht geeignet darzutun, daß dem Berufungsgericht bei der Beurteilung, daß die Ehe der Streitteile unheilbar zerrüttet sei, in Ansehung der aus dem festgestellten Sachverhalt gezogenen tatsächlichen Schlußfolgerungen ein Verstoß gegen die Denkgesetze oder die Lebenserfahrung oder in Ansehung der Rechtsfrage ein Rechtsfehler unterlaufen wäre. Der Oberste Gerichtshof billigt das Ergebnis des Berufungsgerichtes insbesondere im Hinblick darauf, daß zwischen den Streitteilen schon seit 4 bis 5 Jahren keine intimen Beziehungen mehr bestehen und sich der Kläger seit Jahren beharrlich weigert, dem Wunsch der Beklagten nachzukommen, sich mehr ihr und der Familie zu widmen. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E07054

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00601.85.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19851203_OGH0002_0050OB00601_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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