Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Dezember 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengerichts vom 3. Juli 1985, GZ 12 b Vr 294/85-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Rszeszut, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schriefl zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe gemäß dem § 43 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.Mai 1959 geborene kaufmännische Angestellte Manfred A des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall, StGB (I), des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (II) und des Vergehens nach dem § 16 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2, zweiter Fall SuchtgiftG a.F. (III) schuldig erkannt. Als Veruntreuung liegt ihm zur Last, in der Zeit von Jahresende 1984 bis Februar 1985 in Baden ein ihm anvertrautes Gut, nämlich im Zuge des "Verkaufs von Flugreisen" für das Reisebüro B vereinnahmte Kundengelder im Gesamtbetrag von 301.434 S, sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet zu haben (I).
Rechtliche Beurteilung
Nur diesen Schuldspruch I ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, während er - nach den ausdrücklichen Rechtsmittelanträgen (S 272, 274) - die Schuldsprüche nach dem SuchtgiftG nur im Rahmen der Berufung anders gewürdigt haben will. Vor Eingehen auf das (insgesamt auf die Inanspruchnahme tätiger Reue ausgerichtete) Beschwerdevorbringen ist zunächst festzuhalten, daß der Angeklagte den erstgerichtlichen Konstatierungen zufolge nach unternehmensinterner Aufdeckung seiner dem angefochtenen Schuldspruch I zugrundeliegenden Malversationen am 19.Februar 1985 mit seinem (tatgeschädigten) Dienstgeber Rudolf C (vorerst bloß mündlich) eine ratenweise Gutmachung des tatbedingten Schadens vereinbarte. Er verpflichtete sich zur Zahlung eines Teilbetrages von 120.000 S bis 22.Februar 1985 und zur Begleichung des Restschadens in Monatsraten zu je 5.000 S ab April 1985. In Anbetracht der getroffenen Vereinbarung nahm Rudolf C von der Erstattung einer Strafanzeige vorläufig Abstand. Am 22.Februar 1985 erschien der Angeklagte beim Geschädigten und erklärte, seiner vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung von 120.000 S nicht nachkommen zu können, weil sich der zur Beschaffung der entsprechenden Barmittel ins Auge gefaßte Verkauf seines PKWs Audi 200 wegen Reparaturbedürftigkeit verzögere. Auf die (telefonische) Zusage der Zeugin Margit D hin, den Angeklagten im Zusammenhang mit der Reparatur des PKWs zu unterstützen, erklärte sich Rudolf C - so die weiteren Urteilsfeststellungen - mit einer Stundung des ersten Teilbetrages von 120.000 S bis Ende März 1985 einverstanden (S 246). Am 25. Februar 1985 wurde A jedoch im Zuge sicherheitsbehördlicher Erhebungen wegen des von den Punkten II. und III. des Schuldspruches erfaßten Suchtgiftdelikte festgenommen. Schon bei seiner ersten niederschriftlichen Vernehmung gab er die "Unregelmäßigkeiten" beim Reisebüro B zu (S 65), worauf am 26.Februar 1985 der Prokurist Dr. E einvernommen und die Schadensaufstellung sowie die schriftliche Vereinbarung über die Schadensgutmachung zum Erhebungsakt genommen wurden (S 113, 123 bis 129). Nach der Enthaftung des Angeklagten am 7.März 1985 kam es am 19.März 1985 vor dem Bezirksgericht Baden zwischen Rudolf C als Eigentümer des Hauses Baden, Marchetstraße 35, und Josefine A, der Mutter des Angeklagten als Mieterin einer in diesem Haus etablierten Wohnung (bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Vorraum und WC) sowie dem Angeklagten als mietrechtlich Eintrittsberechtigtem zu einem Vergleich, in welchem sich Josefine und Manfred A unter Aufgabe sämtlicher mietrechtlicher Ansprüche unter Verzicht auf jedweden Aufschub zur Räumung der betreffenden Wohnung bis 31.Mai 1985 verpflichteten. Rudolf C hinwieder nahm die ihm aus diesen Verpflichtungserklärungen erwachsenen Vorteile unter Miteinbeziehung eines einbehaltenen Gehaltsguthabens als vollständige Gutmachung des deliktsgegenständlichen Schadens an (S 246, 247 in Verbindung mit Beil./1 in ON 20).
Von den dargelegten Tatsachengrundlagen ausgehend folgerte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, daß die Voraussetzungen strafaufhebender tätiger Reue nicht erfüllt seien, weil der Vergleich vom 19.März 1985 über eine bloße Änderung zwischenweiliger Zahlungsmodalitäten weit hinausgehe (EvBl 1959/46). Gegen diese Rechtsauffassung wendet der Angeklagte - der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO - im wesentlichen ein, das Erstgericht gehe mit (im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO) unzureichender Begründung davon aus, daß es sich beim Vergleich vom 19.März 1985 um keine bloß unerhebliche nachträgliche Modifizierung der rechtzeitig geschlossenen Vereinbarung über die Schadensgutmachung handle, weil die Stundung der ersten Teilzahlung von 120.000 S bis Ende März 1985 noch vor dem behördlichen Bekanntwerden der Tat vereinbart und der Schaden im Wege des Vergleichsabschlusses vom 19.März 1985 vor Fälligkeit der ersten vereinbarungsgemäßen Teilzahlung zur Gänze gutgemacht worden sei. Eine für den Tatgeschädigten im Vergleich zu der vor behördlicher Tatkenntnis geschlossenen Vereinbarung (zeitlich) vorteilhaftere Schadensgutmachung wirke ebenso strafaufhebend im Sinn des § 167 Abs 2 Z 2 StGB wie die (für den Tatgeschädigten nachteiligere) bloße Einhaltung der zuvor vereinbarten Leistungsverpflichtungen.
Dem Beschwerdestandpunkt kann nicht gefolgt werden. Hat sich der Täter - wie der Angeklagte am 19. und 22. Februar 1985 - im Sinn des § 167 Abs 2 Z 2 StGB vertraglich verpflichtet, dem Verletzten innerhalb einer bestimmten Zeit (wenn auch ratenweise so doch vollständige) Schadensgutmachung zu leisten, so ist eine spätere Änderung der getroffenen Vereinbarung innerhalb enger Grenzen, und zwar in bezug auf die ziffernmäßige Höhe des Ersatzbetrages und der Leistungsfrist unter dem Gesichtspunkt tätiger Reue nur dann zulässig, wenn auch sie rechtzeitig, d.h. vor behördlicher Kenntnisnahme vom Verschulden des Täters stattfindet (Liebscher im WK, Rz 40 zu § 167). Ein späterer, die frühere Vereinbarung ändernder Vergleich hebt daher - selbst im Fall seiner Erfüllung - die Strafbarkeit des Täters nicht auf, es sei denn die Änderung beträfe nur die zwischenweiligen Zahlungsmodalitäten, ohne den Anfangs- und den Endtermin bzw die Höhe des Entschädigungsbetrages zu berühren (Mayerhofer-Rieder. StGB 2 , E Nr 46, 47 zu § 167).
Selbst wenn man unterstellt, daß bereits am 22.Februar 1985 zwischen Manfred A und Rudolf C eine (obschon nur mündliche) Vereinbarung über die Verschiebung der Fälligkeit der ersten Teilzahlung von 120.000 S auf Ende März 1985 zustandekam (was zivilrechtlich problematisch sein könnte - vgl Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 13 zu § 904), ergibt eine Gegenüberstellung dieser bis 19. März 1985 aufrechten Vereinbarung mit dem an diesem Tag abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich, daß es sich um eine tatsächlich und rechtlich vollkommen neue Abmachung handelte, die in den letzten Gesprächen des Angeklagten mit dem Geschädigten vor der Verhaftung nicht einmal in den Grundzügen vorgezeichnet war. Es wurde nämlich nicht nur die Leistungsfrist verändert (Räumungstermin 31. Mai 1985, Zahlungsbeginn aber schon Ende März 1985), sondern auch die Art des Schadensausgleiches neu geregelt (Verzicht auf Miet- und Kündigungsschutzrechte anstatt Schadenersatz in Bargeld) und die Leistungspflicht auf Dritte (nämlich die Mutter des Ersatzpflichtigen) ausgedehnt. Gerade die Tatsache, daß nunmehr der Schaden schwergewichtig durch einen Dritten gutgemacht werden sollte (und auch gutgemacht wurde), zeigt, daß der gerichtliche Vergleich keine strafaufhebende Wirkung mehr entfalten konnte, hätte doch diese Vereinbarung nach dem klaren Wortlaut des § 167 Abs 4 StGB nur unter den im Abs 2 dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen, nämlich vor der Kenntnis der Strafverfolgungsbehörde von Tat und Täter getroffen werden müssen. Es bedarf somit keiner weiteren Konstatierungen, um beurteilen zu können, daß der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue in diesem Straffall nicht zum Tragen kommt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach den §§ 133 Abs 2, 2.Strafsatz, 28 StGB eine achtzehnmonatige unbedingte Freiheitsstrafe und nach dem § 12 Abs 4 SuchtgiftG a.F. eine Wertersatzstrafe. Hiebei wurden als erschwerend das Zusammentreffen des Verbrechens der Veruntreuung mit dem Verbrechen nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. (Einfuhr und Inverkehrsetzen von 500 Gramm Cannabisharz) und dem Vergehen nach dem § 16 Abs 1
und 2 SuchtgiftG a.F. (Überlassen von Suchtgift an noch nicht 21-jährige Personen und unberechtigter Erwerb und Besitz von Rauschgift) und als mildernd das Geständnis und die tatsächliche Schadensgutmachung (beim Veruntreuungsfaktum) gewertet. Dem Berufungsbegehren, die Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen, kommt Berechtigung zu.
Der bis zu den urteilsgegenständlichen Straftaten nur wegen des Vergehens nach dem § 88 Abs 1 StGB (Verkehrsunfall) vorbestrafte Berufungswerber ist sozial integriert und gilt in seinem Beruf (Reisebüroangestellter) - wie auch sein derzeitiger Dienstgeber in einem beim Gerichtstag vorgelegten Schreiben bestätigt - als sehr tüchtig, sodaß von seiner Persönlichkeit her das Abgleiten in die Kriminalität nicht vorgezeichnet erscheint. Aber auch das Verhalten nach der Tat zeigt Ansätze zur Umkehr, weil er unter Verzicht auf eigene Eintrittsrechte seine Mutter zur Aufgabe ihres gesetzlich geschützten Mietrechtes an der im Haus des Geschädigten gelegenen Wohnung veranlaßte, um auf diesem Weg eine rasche und offensichtlich auch vollständige Schadensgutmachung zu erreichen. Dies läßt die Erwartung zu, daß er nicht mehr straffällig werden wird, und erfordert auch aus spezialpräventiver Sicht keinen sofortigen Strafvollzug. Diese qualifiziert günstige Prognose (§ 43 Abs 2 StGB) kann nach Lage des Falles aber auch unter Berücksichtigung der Delikte nach dem SuchtgiftG gestellt werden, sodaß sich der Oberste Gerichtshof doch zur Gewährung bedingter Strafnachsicht entschloß. Wenn das Erstgericht vermeint, Manfred A müsse man das Unrecht seiner Handlungen durch den Vollzug der Freiheitsstrafe drastisch vor Augen führen, müßten diesem Ziel wohl auch die spontan verhängte Untersuchungshaft, die Durchführung des Strafverfahrens und die wirtschaftlichen Folgen der Taten genügen. Es war daher der Berufung Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E07120European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00155.85.1217.000Dokumentnummer
JJT_19851217_OGH0002_0110OS00155_8500000_000