Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Vendula M***, geb. am 5. Juni 1979, und Helena M***, geb. am 27. Juni 1982, infolge Revisionsrekurses der Eltern Ilse Romana M***, Hausfrau, und Mag. Zdenek M***, akademischer Maler, beide Linz, Tummelplatz 18, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 23. April 1986, GZ. 13 R 261/86-46, womit dem Rekurs der Mutter vom 10. Dezember 1985 gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 6. November 1985 (ON 15) nicht Folge gegeben, ihr Rekurs vom 25. März 1986 (ON 38) zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Dem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß wird nicht Folge gegeben.
2.) Der Revisionsrekurs gegen den die Entscheidung des Erstrichters bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die mütterliche Großmutter Ilse F*** beantragte am 30. Juli 1985, ihr ein wöchentliches Besuchsrecht in Ansehung der beiden mj. Kinder Vendula und Helena M*** einzuräumen. Die Mutter sprach sich dagegen aus und machte geltend, daß zwischen ihr und der Großmutter schwerwiegende Differenzen bestünden und ein Besuchsrecht das Familienleben schwer belasten würde. Der Vater Mag. Zdenek M*** sprach sich nicht grundsätzlich gegen Kontakte der Kinder mit der mütterlichen Großmutter aus, beantragte aber die Abweisung des Antrages, weil eine außergerichtliche Vereinbarung des Besuchsrechtes jederzeit möglich sei.
Das Erstgericht sprach aus, daß der mütterlichen Großmutter Ilse F*** gemäß § 148 Abs. 2 ABGB ein Besuchsrecht in der Weise eingeräumt werde, daß sie berechtigt ist, die beiden Kinder an jedem Samstag um 12 Uhr von der Wohnung der Eltern abzuholen, und verpflichtet ist, die Minderjährigen bis 18 Uhr wieder zurückzubringen.
Das Erstgericht stellte fest, die Mutter leide an einer Legierungspsychose, die mehrmals stationäre Aufenthalte in geschlossenen Anstalten erforderlich gemacht habe. Die Geisteskrankheit gehöre teils dem Formenkreis der Schizophrenie, teils jenem des manisch-depressiven Krankheitsgeschehens an. Es komme dabei zu Perioden, in denen die Krankheitssymptomatik so sehr die Lebensführung beeinflusse, daß ein Anstaltsaufenthalt notwendig werden könne. Sei diese Periode abgeklungen, sei die Mutter völlig unauffällig und imstande, für die Kinder zu sorgen. In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, den Großeltern stehe gemäß § 148 Abs. 2 ABGB das Recht zu, mit dem Kind persönlich zu verkehren, soweit dadurch nicht die Ehe oder das Familienleben der Eltern oder deren Beziehungen zum Kind gestört würden. Dafür könne nur ein objektiver Beurteilungsmaßstab und nicht die persönliche Einstellung der Eltern maßgebend sein. Im vorliegenden Fall bestehe zwar kein Anlaß, der Mutter die grundsätzliche Fähigkeit zur Erziehung der Kinder abzusprechen, jedoch komme angesichts des gerichtsmedizinischen Gutachtens der Kontrolle der ordnungsgemäßen Entwicklung der Kinder durch die Großmutter erhöhte Bedeutung zu. Die Tatsache, daß sich die Mutter mit der Großmutter nicht verstehe, reiche nicht aus, der Großmutter das Besuchsrecht zu versagen.
Gegen diesen Beschluß gab die Mutter beim Erstgericht am 10. Dezember 1985 einen Rekurs zu Protokoll (ON 24). Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 1985 (ON 26) beantragte sie die Gewährung der Verfahrenshilfe und die Beistellung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer zum Zwecke der Erhebung des Rekurses gegen den Beschluß des Erstgerichtes. Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluß vom 13. Jänner 1986 (ON 30) ab, weil Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Walser am 5. Dezember 1985 eine Vollmacht vorgelegt habe und eine Vertretung durch zwei Rechtsanwälte nicht erforderlich sei. Die Mutter erklärte daraufhin, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Walser die Vollmacht zu kündigen (ON 31). Sie erhob am 7. Februar 1986 beim Erstgericht Vorstellung gegen die Versagung der Verfahrenshilfe. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10. Februar 1986 (ON 33) gab der Erstrichter der Vorstellung statt und bewilligte die Verfahrenshilfe. Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich bestellte Rechtsanwalt Dr. Peter Wiesauer zum Verfahrenshelfer (ON 33).
Das Rekursgericht wies den durch Rechtsanwalt Dr. Peter Wiesauer als Verfahrenshelfer gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 6. November 1985 (ON 25) erhobenen Rekurs (ON 38) zurück, weil mit dem von der Mutter am 10. Dezember 1985 zu Protokoll erklärten Rekurs das Rechtsmittelrecht verbraucht worden sei. Dem Rekurs der Mutter vom 10. Dezember 1985 gab es nicht Folge. Es führte aus, das Jugendamt Linz habe zum Antrag der Großmutter auf Einräumung eines Besuchsrechts am 22. November 1985 dahin Stellung genommen, daß dieser Antrag nur befürwortet werden könne. Die Pflege und Erziehung der Kinder sei bei den Großeltern weitaus gesicherter als bei den psychisch kranken Eltern. Daß sich die Mutter mit der Großmutter nicht verstehe, reiche nicht aus, dieser das Besuchsrecht zu versagen. Nur wenn zwischen den Großeltern und der Mutter so schwere Differenzen und Spannungen bestünden, daß dadurch die ruhige Entwicklung der Kinder gestört würde, wäre die Einräumung eines Besuchsrechts abzulehnen. Für eine solche Annahme habe das Verfahren keine Hinweise ergeben. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß die gedeihliche Entwicklung der Kinder durch den Kontakt mit der Großmutter gefördert werde. So habe das Jugendamt Linz ausgeführt, daß die Kinder seit ihrer Geburt bis zum Oktober 1984 hauptsächlich im Familienverband der mütterlichen Großmutter und ihres Ehegatten aufgewachsen seien, was hauptsächlich durch die immer wieder auftretenden Krankheitsschübe der Mutter und teilweise auch des Vaters bedingt gewesen sei. Allgemeine Befürchtungen einer negativen Beeinflussung der Kinder gegen die Erziehungsberechtigten reichten ebenfalls nicht aus, um den Großeltern ein Besuchsrecht zu versagen. Der gegen den Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs der Eltern ist nicht gerechtfertigt, im übrigen ist das Rechtsmittel unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung kann der Rechtsmittelwerber auch im Verfahren außer Streitsachen nur einen einzigen Rechtsmittelschriftsatz einbringen. Mit der Erhebung des Rechtsmittels ist das Rechtsmittelrecht verbraucht, weitere Rechtsmittelschriften sind unzulässig (EFSlg. 47.064, 39.586, 37.177; JBl. 1972, 274 u.v.a.). Da die Mutter am 10. Dezember 1985 gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 6. November 1985 einen Rekurs zu Protokoll erklärte, war die neuerliche Bekämpfung dieses Beschlusses mit dem vom Verfahrenshelfer ergriffenen Rechtsmittel unzulässig. Das Rekursgericht ist daher zu Recht auf die Ausführungen in dem vom Verfahrenshelfer erhobenen Rechtsmittel nicht eingegangen. An der Unzulässigkeit des Rechtsmittels vermag auch die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Bestellung des Verfahrenshelfers zum Zwecke der Erhebung des Rekurses nichts zu ändern. Im übrigen ist der Verfahrenshelfer ohnehin auch zur Einbringung des Rekurses gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 10. Dezember 1985 (ON 25) bestellt worden.
Was den Revisionsrekurs gegen den die Entscheidung des Erstrichters bestätigenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes betrifft, so ist dieses Rechtsmittel nur mit den Beschränkungen des § 16 AußStrG, somit nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und dennoch eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Offenbare Gesetzwidrigkeit kann daher schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, es sei denn, die Entscheidung verstößt gegen eine klare Gesetzesnorm oder gegen Grundprinzipien des Rechtes oder ist willkürlich bzw. mißbräuchlich (EFSlg. 44.656, 44.655 u.v.a.). Offenbar gesetzwidrig wäre die Entscheidung auch dann, wenn sie das Wohl des mj. Kindes vollkommen außer Acht ließe (EFSlg. 44.648, 39.824, 37.392; EvBl. 1979/214; JBl. 1975, 661). Die Gestaltung des Rechts des Großelternteils auf persönlichen Verkehr mit dem Kind gemäß § 148 Abs. 2 ABGB ist eine Ermessensentscheidung. Die Lösung der Ermessensfrage kann schon begrifflich nicht offenbar gesetzwidrig sein, wenn die nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Kriterien in die Ermessenserwägungen einbezogen wurden (EFSlg. 44.666, 21.404 u.v.a.). Das Rekursgericht gelangte auf Grund der Äußerung des Jugendamtes Linz und der Stellungnahme des Vaters zum Ergebnis, daß die Einräumung des Besuchsrechtes an die mütterliche Großmutter die Ehe oder das Familienleben der Eltern oder deren Beziehungen zum Kind nicht stören werde. Die Mutter konnte zum Antrag nicht einvernommen werden, weil sie trotz mehrmaliger Ladung nicht zu Gericht erschienen ist. Der Entscheidung haftet daher auch eine Mangelhaftigkeit, die der Nichtigkeit gleichkäme, nicht an. Das Vorbringen, die Großmutter sei selbst nervenkrank, ist eine in einem außerordentlichen Revisionsrekurs unzulässige Neuerung (EFSlg. 44.637), zumal nicht gesagt werden kann, daß dadurch die gesamte Entscheidungsgrundlage umgestoßen würde (EFSlg. 47.254); der eingehende Bericht des Jugendamtes Linz läßt keine Bedenken in dieser Richtung aufkommen. Da keiner der gesetzlichen Rechtsmittelgründe vorliegt, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Anmerkung
E09312European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00649.86.1117.000Dokumentnummer
JJT_19861117_OGH0002_0010OB00649_8600000_000