Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers V*** J***, Linz, Kapuzinerstraße 84, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, wider die Antragsgegner 1.) Dr. Paul E***, Facharzt, 2.) Lukas E***, Student, 3.) Matthias E***, Schüler, 4.) mj. Maximilian E***, Schüler, letzterer vertreten durch den Erstantragsgegner als Vater und gesetzlichen Vertreter, alle Linz, Herrenstraße 52, wohnhaft und vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses und der gesetzlich zulässigen Betriebskosten nach § 37 Abs 1 Z 8 und 12 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 24. Juli 1986, GZ 13 a R 280/86-20, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 27. September 1985, GZ 26 Msch 38/85-16, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden und die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist Mieter dreier Wohnungen im Haus Linz, Sandgasse 15, die er mit den Mietverträgen vom 26.4.1979, beginnend ab 1.4.1979, und vom 7.4.1981, beginnend ab 1.1.1981, in Bestand genommen hat. Die genannten Mietverträge schloß der Antragsteller mit Dr. Paul und Herta E*** und Johanna Ü*** als Vermieter auf unbestimmte Zeit. Ab 1975 waren Herta E*** und Johanna Ü*** zu je 1/3 und Dr. Paul E*** und Herta E*** zu je 1/6 Eigentümer der genannten Liegenschaft. Nach dem Ableben von Herta E*** im Jahre 1981 erwarben Lukas, Matthias und Maximilian E***, geboren am 27.11.1964, am 11.9.1967 und am 10.1.1972, aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 4.3.1982 zu je 1/6 Eigentum an dieser Liegenschaft. Am 5.5.1982 wurde zugunsten der Genannten aufgrund des Kaufvertrages vom 22.12.1981 und des Übergabsvertrages vom 2.2.1982 Eigentum an je einem weiteren Sechstel der Liegenschaft einverleibt. Zugleich wurden diese drei Miteigentumsanteile zu je 1/6 mit einem Fruchtgenuß und einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Dr. Paul E***, des Vaters der Genannten, belastet. Am 25.2.1983 begehrte der Antragsteller bei der Schlichtungsstelle des Magistrates Linz die Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit des vereinbarten und begehrten Hauptmietzinses, des rückwirkend nachverrechneten Wertsicherungsbetrages und der vorgeschriebenen Betriebskosten für die Jahre 1981 und 1982. In der Verhandlung vom 15.12.1983 vor der Schlichtungsstelle dehnte der Antragsteller seinen ursprünglich nur gegen Dr. Paul E*** gestellten Antrag auf Lukas, Matthias und Maximilian E*** aus. Der dem Antrag stattgebende Bescheid der Schlichtungsstelle erging nur gegen Lukas, Matthias und Maximilian E***. Diese Antragsgegner gaben sich mit der Entscheidung der Gemeinde nicht zufrieden und machten die Rechtssache rechtzeitig bei Gericht anhängig.
Das Erstgericht behandelte als Antragsgegner nur Lukas, Matthias und Maximilian E*** und stellte die Halbschrift des das Gerichtsverfahren einleitenden Antrages an deren Rechtsvertreter - die Prozeßvollmacht ist für Lukas, Matthias und Maximilian E***, für die beiden Letztgenannten erteilt durch Dr. Paul E***, ausgewiesen - zu. Zu den öffentlichen mündlichen Verhandlungen wurde auch Dr. Paul E***, allerdings nach den erstgerichtlichen Zustellungsverfügungen nur als gesetzlicher Vertreter von Matthias und Maximilian E***, geladen.
Gegen den abweislichen Sachbeschluß des Erstgerichtes, der wieder nur gegen Lukas, Matthias und Maximilian E*** erging, erhob der Antragsteller rechtzeitig Rekurs.
Aus Anlaß dieses Rekurses hat das Rekursgericht den erstgerichtlichen Sachbeschluß und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen; dies aus nachstehenden Erwägungen:
Nach § 37 Abs 3 Z 2 und 3 MRG seien die von der Rechtsprechung für das Außerstreitverfahren in Mietsachen erarbeiteten Kriterien eines "Mehrparteienverfahrens" in das Gesetz aufgenommen worden. Die zitierten gesetzlichen Bestimmungen normierten zwar nur die Pflicht des Außerstreitrichters, andere "Hauptmieter", deren Interessen durch die Stattgebung des Antrages unmittelbar berührt werden könnten, von Amts wegen dem Verfahren beizuziehen. Es müsse dasselbe aber auch für die Vermieterseite gelten (Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 518). Das bedeute, daß mehreren Vermietern, die einem antragstellenden Mieter gegenüberstehen, von Amts wegen Gelegenheit zur Verfahrensbeteiligung zu geben sei. Vorweg sei daher zu prüfen, wem im materiellen Sinn Parteistellung als Vermieter zukomme:
Dies sei im vorliegenden Fall deswegen von Bedeutung, weil Lukas, Matthias und Maximilian E***, gegen die der erstgerichtliche Sachbeschluß ergangen sei, nicht Vertragspartner der mit dem Antragsteller abgeschlossenen Mietverträge gewesen seien. Soweit sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Eigentum an dem Haus, in dem sich die Mietobjekte befänden, erworben hätten, seien sie nach dem Prinzip der Universalsukzession ipso iure mit der Einantwortung in die Rechtsstellung der Vorgänger im Eigentum eingetreten. Darüber hinaus seien sie aber auch als Einzelrechtsnachfolger im Rahmen des § 1120 ABGB und § 2 Abs 1 MRG - diese Vorschrift komme für alle Erwerbsakte nach dem Inkrafttreten des MRG zur Anwendung - an die Mietverträge gebunden. Da jene Miteigentumsanteile, die den Kindern E*** aufgrund eines Kaufvertrages und eines Übergabsvertrages übertragen worden seien, unter einem mit dem Fruchtgenußrecht zugunsten Dris. Paul E*** belastet worden seien, habe sie der Fruchtnießer hinsichtlich dieser Anteile in ihrer Eigentümerposition verdrängt (zur Stellung des Fruchtnießers in der Gemeinschaft der dinglich Berechtigten siehe JBl 1968, 35). Vom Wortlaut des § 2 Abs 1 Satz 2 MRG seien nur die Akte der Einzelrechtsnachfolge, die zu einer Veränderung in der Eigentümerstellung führen, umfaßt. Ein Fall eines (teilweisen) Vermieterwechsels aufgrund einer Singularsukzession - der analog zu § 1120 ABGB und § 2 MRG zu behandeln sei - liege aber auch bei nachträglicher Einräumung eines Bruchteilfruchtgenusses vor (Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 288 ff; MietSlg. 28.171, 30.235, 32.672). Der Bruchteilsfruchtnießer, der im übrigen hier ohnehin schon Vertragspartner der Mietverträge gewesen sei, sei daher der Bestandgeberseite zuzurechnen. eine besondere Benützungsvereinbarung der an der Liegenschaft dinglich Berechtigten sei von keiner Partei behauptet worden. Das Erstgericht hätte daher Dr. Paul E*** schon von Amts wegen dem Verfahren als Beteiligten beiziehen müssen. Ihm sei aber lediglich als "Vertreter zweier Antragsgegner" Gelegenheit zur Verfahrensbeteiligung gegeben worden. Seine Beiziehung in dieser Eigenschaft genüge nicht zur Wahrung seines prozessualen Anspruches auf rechtliches Gehör. Für ihn sei nämlich dann nicht erkennbar, daß eine Entscheidung des Gerichtes auch ihm gegenüber rechtliche Wirkungen entfalte. Für die Beantwortung der Frage, wer "Empfänger" einer Ladung zu einer Gerichtsverhandlung im Sinne des § 7 ZustG sein solle, sei allein der in einer bestimmten Weise (durch die Zustellverfügung) geäußerte Wille der Behörde maßgebend, mit dem sie zum Ausdruck bringe, für wen die zuzustellende Ladung bestimmt sei (VwGH 8.4.1986, Zl.86/04/0001, Jus-Extra 1986, Nr.17, S.8). Da aber das Erstgericht nach der Fassung seiner Zustellverfügungen Dr. Paul E*** lediglich als gesetzlichen Vertreter zweier Antragsgegner von den gerichtlichen Verhandlungen verständigt habe, seien zwar die Vertretenen gehörig geladen gewesen, Dr. Paul E*** persönlich sei aber dadurch keinesfalls Parteistellung eingeräumt worden. Darüber hinaus wäre Dr. Paul E*** nicht nur als Beteiligter im materiellen Sinn, sondern auch als Formalpartei zu behandeln gewesen (siehe Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 517), weil der Antrag vor der Schlichtungsstelle, der nunmehr Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sei - durch die rechtzeitige Anrufung des Gerichtes sei der Bescheid der Schlichtungsstelle hinsichtlich aller im Bescheid auch nicht genannter Antragsgegner außer Kraft getreten -, auch gegen ihn gestellt worden sei. Ihm hätte daher jedenfalls auch der das Gerichtsverfahren einleitende Antrag zugestellt werden müssen.
Da auch im Verfahren außer Streitsachen die Verletzung des rechtlichen Gehörs einen Nichtigkeitsgrund darstelle (EvBl 1966/14; MietSlg.35.430) und Dr. Paul E*** nicht die Möglichkeit zu Sachvorbringen und Beweisanträgen eingeräumt worden sei, sei der erstgerichtliche Sachbeschluß und das ihm vorangegangene Verfahren für nichtig zu erklären gewesen. Gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG, der § 527 Abs 2 ZPO idF vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 rezipiere, sei der erstgerichtliche Sachbeschluß unter Rechtskraftvorbehalt aufzuheben gewesen, weil der Oberste Gerichtshof bisher zur Frage der Parteistellung auf der Vermieterseite - soweit ersichtlich - noch nicht Stellung genommen habe.
Gegen den unter Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner - Rechtsanwalt Dr. M*** schreitet nunmehr ausdrücklich namens aller vier Antragsgegner ein und erklärt in Vertretung des Dr. Paul E*** persönlich, daß sämtliche Prozeßhandlungen und Prozeßerklärungen der Antragsgegner auch als im Namen von Dr. Paul E*** persönlich abgegeben anzusehen seien - mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß bestätigt wird. Hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die inhaltliche Entscheidung über den gegen den erstgerichtlichen Sachbeschluß erhobenen Rekurs des Antragstellers aufzutragen.
Der Antragsteller beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Das Rekursgericht hat richtig erkannt, daß Dr. Paul E*** im gegenständlichen Verfahren als Fruchtnießer und Mitvermieter Parteistellung zukommt. Das Erstgericht hat ihn nicht als Partei dem Verfahren beigezogen, sondern nur als gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Miteigentümer angesehen. Dr. Paul E*** ist auch im Verfahren vor dem Erstgericht nicht in eigener Sache aufgetreten, sondern hat erstmals in seinem Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof behauptet, Rechtsanwalt Dr. M*** habe auch von ihm Vollmacht besessen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist aber nur dann gewahrt, wenn alle Mitvermieter dem Verfahren beigezogen werden und nicht bloß als Vertreter anderer Parteien auftreten. Das Rekursgericht hat daher zutreffend von Amts wegen die Nichtigkeit aufgegriffen. Die erst nach der Entscheidung des Rekursgerichtes im Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung durch Dr. Paul E*** kann daran nichts mehr ändern, weil eine Heilung im Sinne des § 477 Abs 1 Z 5 StPO zur Zeit der Beschlußfassung zweiter Instanz noch nicht eingetreten war (ebenso bereits Entscheidung des OGH 25.11.1986, 5 Ob 167/86, in der Mietrechtssache des Mieters Johann D***, die eine Mietwohnung im selben Haus betraf).
Nach § 37 Abs 3 Z 2 MRG hat das Gericht von einem Verfahren, das von einem Hauptmieter eingeleitet wurde, auch die anderen Hauptmieter der Liegenschaft zu verständigen, deren Interessen durch die Stattgebung des Antrages berührt werden könnten, und ihnen Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren und zu einem Sachvorbringen zu geben, das wegen des Neuerungsverbotes nur im erstinstanzlichen Verfahren erstattet werden kann. Die Interessen der anderen Hauptmieter können berührt werden, wenn bei Prüfung der Zulässigkeit des Hauptmietzinses die Ausstattungskategorie der Wohnung nicht bloß als Vorfrage, sondern wegen eines darauf gerichteten Feststellungsantrages mit Rechtskraftwirkung festgestellt werden soll. Diese Feststellung wäre nämlich in einem allfälligen Verfahren nach den §§ 18 und 19 MRG zugrundezulegen und würde damit gegenüber allen Hauptmietern eine bindende Wirkung entfalten. Die Nichtbeachtung der den übrigen Hauptmietern zukommenden Parteistellung hat gleichfalls die Nichtigkeit des erstinstanzlichen Sachbeschlusses zur Folge, wenn ihnen die Gelegenheit zu einem Sachvorbringen entzogen war (Würth-Zingher, MRG 2 , Anm.30 und 31 zu § 37; Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 519; MietSlg.35.429/29, 35.430/33, 36.504/43 ua). Solange der Antrag des Mieters auch auf die Feststellung gerichtet ist, daß es sich bei der ab 1.1.1981 im ersten Stock gemieteten Wohnung um eine Substandardwohnung handle, für die höchstens 4 S je m 2 an Hauptmietzins zulässig sei, wird über diesen Antrag daher außerdem erst nach Beiziehung der übrigen Hauptmieter des Hauses Linz, Sandgasse 15, zu entscheiden sein.
Dem Revisionsrekurs war demnach ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E10017European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00160.86.1209.000Dokumentnummer
JJT_19861209_OGH0002_0050OB00160_8600000_000