TE OGH 1987/2/12 8Ob668/86

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Veröffentlicht am 12.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***-B***,

Wien 1., Schottengasse 6-8, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Hans Wagner, Rechtsanwalt, Wien 1., Opernring 23, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der E***-M***-Gesellschaft mbH,

Wien 6., Hornbostelgasse 6, wegen Zustimmung zur Ausfolgung eines hinterlegten Betrages (S 104.997,12) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10. Juli 1986, GZ 3 R 259/85-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7. August 1985, GZ 35 Cg 150/84-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 7.577,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 1.920,-- und die Umsatzsteuer von S 514,35) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zur Sicherung eines ihm am 19. Juni 1980 von der Klägerin eingeräumten Kontokorrentkredites trat die E***-M***-Gesellschaft mbH, über deren Vermögen am 27.4.1982 der Konkurs eröffnet wurde, der Klägerin zwischen dem 31.3.1982 und dem 23.4.1982 ihr gegen die Firma K*** & B*** M*** AG (im folgenden kurz: Firma K*** & B***)

zustehende Forderungen von insgesamt S 104.997,12 ab. Die Firma K*** & B*** wurde von diesen Zessionen sowohl durch die nachmalige Gemeinschuldnerin als auch durch die Klägerin verständigt. Am 28.10.1983 erlegte die Firma K*** & B*** zugunsten der Streitteile den Betrag von S 104.997,12 bei der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien. Das Bezirksgericht Mödling nahm diesen Erlag am 7.11.1983 zu 2 Nc 211/83 an.

Mit der am 29.11.1983 erhobenen Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten die Zustimmung zur Ausfolgung des hinterlegten Betrages. Die Firma K*** & B*** habe die der Klägerin zedierten Forderungen dieser deshalb nicht bezahlt, weil ihr dies der Beklagte untersagt habe. Da der Beklagte die Zessionen nicht innerhalb der Jahresfrist des § 43 Abs 2 KO angefochten habe und ihm die Anfechtungseinrede nur dann zustehe, wenn er die davon betroffenen Vermögenswerte bereits in seinem Besitz habe, sei die einredeweise Geltendmachung der Anfechtung nun nicht mehr zulässig.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Zessionen der Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen die Firma K*** & B*** würden unter Hinweis auf § 31 KO angefochten. Die Abtretungen seien nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin durchgeführt worden. Hiedurch seien die Gläubiger der Gemeinschuldnerin benachteiligt worden, weil das Vermögen der Gemeinschuldnerin zugunsten der Klägerin vermindert wurde. Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin hätte der Klägerin bei Anwendung gehöriger Sorgfalt bekannt sein müssen. Bereits im Jahre 1980 sei die Gemeinschuldnerin nicht in der Lage gewesen, die Umsatzsteuervorauszahlungen zu erbringen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es

traf - zusammengefaßt dargestellt - nachstehende Feststellungen:

Im Jahre 1979 wies die spätere Gemeinschuldnerin einen Verlust von S 402.000,--, im Jahre 1980 einen solchen von S 261.000,-- aus. Sie hatte ein eingezahltes Stammkapital von S 500.000,-- und Rücklagen von S 479.000,--, wobei von der Klägerin nicht geprüft wurde, ob die Rücklagen lediglich eine rechnerische Größe darstellten.

Am 19.6.1980 wurde von der Klägerin der späteren Gemeinschuldnerin ein Kontokorrentkredit von S 200.000,-- eingeräumt, der nach der Mantelzessionsvereinbarung vom 19.6.1980 auch durch Forderungszessionen besichert bzw. finanziert werden sollte. Die näheren Einzelheiten dazu sind im erstgerichtlichen Urteil dargestellt.

Schon am 30.6.1981 wurde der Kredit auf S 600.000,-- erhöht. Mit der Kreditausweitung wurde keine Trennung vom früher gewährten Kredit vorgenommen. Es sicherten daher die in der Zeit vom 31.3.1982 bis 23.4.1982 abgetretenen Forderungen nach der gewählten Vertragsgestaltung nicht nur die Krediterweiterung, sondern den jeweils aushaftenden Gesamtsaldo und damit auch den darin enthaltenen Rest des bisherigen Kredites.

Den letzten Jahresabschluß der späteren Gemeinschuldnerin erhielt die Klägerin im November 1981. In der Zeit zwischen 26.2.1982 und 26.4.1982 erfolgten Kontobelastungen in Höhe von insgesamt rund S 797.000,--. Voraussetzung dieser Kontobelastungen waren entsprechend der Kreditvereinbarung und Mantelzessionsvereinbarung vom 19.6.1980 bzw. 30.6.1981 unter anderem die Zessionen von Forderungen der späteren Gemeinschuldnerin gegenüber der Firma K*** & B***, Maschinenfabrik Aktiengesellschaft.

Nach der Konkurseröffnung wurde das Konto der nunmehrigen Gemeinschuldnerin "auf Abbau gestellt"; der Debetsaldo per 25.10.1984 betrug S 198.588,03.

Die nunmehrige Gemeinschuldnerin war, nachdem sie in früheren Jahren Gewinne gemacht hatte, durch den Konkurs eines ihrer Kunden und einen damit verbundenen Forderungsausfall von S 500.000,-- in Schwierigkeiten geraten. Die Klägerin war über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten informiert, maß diesen jedoch keine allzu große Bedeutung bei. Von Wechselprotesten oder Exekutionen war der Klägerin nichts bekannt. Eine von der Gemeinschuldnerin der Klägerin angebotene Bucheinsicht wurde von dieser nicht vorgenommen. Die Gemeinschuldnerin war im Jahre 1980 nicht mehr in der Lage, die Umsatzsteuervorauszahlungen an das Finanzamt abzuführen. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Klägerin die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der gegenständlichen Sicherungszession erkennen hätte müssen; die Anfechtungseinrede sei daher im Sinne des § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO berechtigt. Die einredeweise Anfechtung sei nicht an die einjährige Frist des § 43 Abs 2 KO gebunden. Durch die Hinterlegung habe die Firma K*** & B*** nicht Zahlung an eine der Parteien geleistet. Das Begehren der Klägerin auf Zustimmung der Beklagten zur Ausfolgung des hinterlegten Betrages bezwecke die Vollendung des Anfechtungstatbestandes. Dem Beklagten stehe es daher zu, dies durch Erhebung der Anfechtungseinrede zu verhindern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es erklärte die Revision für zulässig, weil eine einschlägige Judikatur zu § 43 Abs 2 KO nicht vorliege. Das Gericht zweiter Instanz stellte sich auf den Standpunkt, daß dem Masseverwalter die Anfechtungseinrede zeitlich unbefristet zur Verfügung stehe. Sie diene aber nur der Verteidigung des Besitzstandes der Konkursmasse, jede angriffsweise Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs müsse hingegen innerhalb der Jahresfrist des § 43 Abs 2 KO erfolgen. Das Anfechtungsrecht des Masseverwalters sei deshalb zeitlich beschränkt, weil Mängel des Rechtsgeschäftes aus Gründen der Rechtssicherheit nicht ohne Rücksicht auf die seit der Vornahme des Geschäftes verflossene Zeit geltend gemacht werden sollen; dieser Gesichtspunkt treffe nicht zu, wenn sich der Masseverwalter einredeweise auf eine Anfechtung beruft, also nur Vermögenswerte, die er schon in seinem Besitz hat, verteidigt. Die Hinterlegung schaffe aber noch keinen Besitzstand. Die Frist des § 43 Abs 2 KO sei im vorliegenden Fall schon zum Zeitpunkt der Hinterlegung (28.10.1983) im Hinblick auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung (27.4.1982) abgelaufen gewesen. Hätte die Firma K*** & B*** nicht hinterlegt, sondern an die Klägerin Zahlung geleistet, so wäre die Anfechtung ebenfalls wegen Fristablaufes nicht mehr möglich gewesen. Da der Beklagte die Zessionen innerhalb der Jahresfrist nicht angefochten habe, hätte die Firma K*** & B*** auf Grund der Zessionen Zahlungen an die Klägerin leisten müssen. Daß sie dieser ihrer Verpflichtung nicht nachkam, könne nun wohl nicht zugunsten des Beklagten den Ausschlag geben. Auf die Rechtsstellung des Masseverwalters komme es nicht an, sondern lediglich darauf, ob er angriffsweise oder verteidigungsweise vorgeht.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 43 Abs 1 KO kann die Anfechtung von Rechtshandlungen iS des § 31 KO durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden. Gemäß § 43 Abs 2 KO muß die Anfechtung durch Klage binnen Jahresfrist nach der Konkurseröffnung erfolgen. Für die Geltendmachung der Anfechtung durch Einrede gilt die Jahresfrist des § 43 Abs 2 grundsätzlich nicht (BA 1965, 167; 5 Ob 88, 89/68; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung, 421).

Der Ausgangspunkt für diese Regelung liegt - worauf in der vergleichbaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verwiesen wird (vgl. BGHZ 59/60) - im Sicherungsbedürfnis des Rechtsverkehrs. Wer von dem Gemeinschuldner etwas erworben hat, soll sich darauf verlassen können, daß er später als ein Jahr nach Konkurseröffnung der Anfechtungsklage nicht mehr ausgesetzt ist. Anders sollte es sein, wenn eine infolge Ablaufes der Anfechtungsfrist an sich verlustig gegangene Rechtsstellung durch Gewährung einer Einrede dann gewahrt wird, wenn noch nicht geleistet ist und der Anfechtungsgegner von dem Anfechtungsberechtigten Erfüllung der anfechtbaren Verbindlichkeit fordert. Es kommt also im Grunde darauf an, ob es sich um eine angriffsweise Rechtswahrung handelt, die innerhalb der Frist des § 43 Abs 2 KO zu erfolgen hat oder um eine solche defensiver Art, für die die Jahresfrist nicht gilt (vgl. auch die mit den gleichen Problemen konfrontierte deutsche Lehre dargestellt in Kuhn-Uhlenbruck, § 42 RN 12 d).

Die Ausfolgung des im Sinne des § 1425 ABGB vorgenommenen Erlages kann nach ständiger Rechtsprechung nur dann geschehen, wenn diejenigen, zu deren Gunsten erlegt wurde, zustimmen oder wenn die Bedingungen, die beim Erlag für die Ausfolgung gesetzt wurden, erfüllt sind; sonst muß der Begünstigte, an den ausgefolgt werden soll, gegen die bzw. im vorliegenden Fall gegen den anderen Begünstigten ein Urteil erwirken (EvBl 1970/3; JBl 1969, 36; SZ 52/1; SZ 39/123; 8 Ob 599, 600/85 ua). Zwischen den Erlagsgegnern entscheidet das bessere Recht an oder auf die erlegte Sache. Dabei können alle schuldrechtlichen Verpflichtungsgründe zur Sachüberlassung erheblich sein (6 Ob 803/81 ua). Nach den dargestellten Grundsätzen kann demnach noch nicht davon ausgegangen werden, daß sich die anfechtbare Leistung bereits im Besitzstand des Beklagten befunden hätte, sodaß dieser nur aus seiner Stellung als Rechtswahrer die Einrede der anfechtbaren Begünstigung des Klägers zu erheben brauchte. Vielmehr wird erst im Rechtsstreit zwischen den beiden Erlagsgegnern darüber entschieden, welchem von beiden Forderungsprätendenten der Erlag ausgefolgt werden soll. Wenn aber auch der Masseverwalter letztlich klagen müßte, um einen aufgrund einer anfechtbaren Rechtshandlung hinterlegten Betrag der Konkursmasse zuzuführen, so wahrte er nicht (verteidigungsweise) seine Rechtsstellung durch eine Einrede, sondern ginge (angriffsweise) gegen die Rechtsstellung des Anfechtungsgegners vor und verlangte im Ergebnis die Herausgabe des nicht nur zu seinen, sondern auch zu Gunsten des Anfechtungsgegners erlegten Betrages an die Konkursmasse, was ihm infolge Fristablaufs versagt wäre (vgl. BGHZ 59/60; Kuhn-Uhlenbruck § 42 RN 12 d).

Diese Grundsätze wurden vom Berufungsgericht richtig erkannt; der Revisionswerber vermag dagegen keine stichhältigen Argumente vorzubringen. Seiner Revision war daher der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10592

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00668.86.0212.000

Dokumentnummer

JJT_19870212_OGH0002_0080OB00668_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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