Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Wurz, Dr. Gamerith und Dr. Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***,
1040 Wien, Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und Dr. Friedrich Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Herbert R***, Möbelhändler, 2860 Kirchschlag, Ungerbachstraße 2, vertreten durch Dr. Johannes Ehrenhöfer, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 200.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15. Dezember 1986, GZ 4 R 234/86-8, womit der Beschluß des Kreis- als Handelsgerichtes Wr. Neustadt vom 26.September 1986, GZ 1 Cg 523/86-3, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Die klagende Partei hat die Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Beklagte betreibt an zwei Standorten in Kirchschlag den Einzelhandel mit Möbeln und Artikeln der Raumausstattung. Im Juli 1986 verteilte er im Wege einer Haushaltspostwurfsendung einen großformatigen vierseitigen Farbprospekt, in welchem er auf der ersten Seite unter der Überschrift "Der Einrichtungskönig 'R' präsentiert Räumungs-Hits '86" zugleich mit der Abbildung eines fünfflammigen "Maria-Theresien-Lusters" ankündigte: "Beim Kauf eines Schlafzimmers kostet der 5-flammige Maria-Theresien-Luster nur 99.-". Dabei sprangen das Wort "nur" und die Zahl "99" durch orangerote Farbe und besondere Größe deutlich in die Augen. In dem Prospekt waren die Schlafzimmer "Stams" und "Steyr" abgebildet und mit S 9.650 (ohne Frisierkommode) und S 13.980 ausgepreist. Eine sonstige Darstellung des "Maria-Theresien-Lusters" mit einer Preisangabe ist im Prospekt nicht enthalten. Tatsächlich verkaufte der Beklagte diesen Luster allein zum damaligen Zeitpunkt um S 990. Der klagende Schutzverband erblickte in dieser Vorgangsweise des Beklagten einen Verstoß gegen § 1 Abs 2 RabG sowie gegen § 1 UWG. Der Beklagte habe für bestimmte Verbraucherkreise, nämlich für die Käufer von Schlafzimmern, einen verbotenen Sonderpreis für den Luster angekündigt, zumal er damals den Käufern allein des Lusters einen Normalpreis von S 990 berechnet habe. Zugleich liege ein sittenwidriges Vorspannangebot vor, weil der vom Beklagten angekündigte Maria-Theresien-Luster im Einkauf bei einer ausländischen Firma S 600 (Verkaufspreis dann ca. S 1.200) und bei einer österreichischen Firma S 700 (Verkaufspreis dann ca. S 1.450) koste. Diese Verkaufspreise könnten als durchschnittliche Marktpreise bezeichnet werden. Die angesprochenen Interessenten würden daher zum Ankauf eines Schlafzimmers aus sachfremden Gründen angereizt.
Die klagende Partei beantragte, zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungshauptanspruches dem Beklagten die Ankündigung zu verbieten, daß beim Kauf eines Schlafzimmers der fünfflammige Maria-Theresien-Luster nur S 99 koste, wenn er gleichzeitig beim Beklagten um einen Normalpreis von S 990 angekündigt und verkauft werde, in eventu ihm zu verbieten, Aktionen anzukündigen, bei denen Käufern von Schlafzimmern der gleichzeitige Erwerb ganz besonders gesenkter wertvoller Bedarfsgüter, wie etwa eines fünfflammigen Maria-Theresien-Lusters, der handelsüblich S 1.200 bis 1.450 bzw. beim Beklagten S 990 kostet, um den besonders herabgesetzten Preis von S 99 angeboten wird.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag (spruchmäßig jedoch nur den Hauptantrag) ab. Es vertrat die Rechtsansicht, ein Vorspannangebot liege deshalb nicht vor, weil die Ersparnis von S 891 beim Kauf des Schlafzimmers "Stams" nicht einmal 10 % und beim Schlafzimmer "Steyr" nur ca. 6 % betrage. Das Angebot des Beklagten sei daher nicht geeignet, die angesprochenen Personen aus sachfremden Gründen zum Ankauf eines Schlafzimmers zu bewegen. Auch eine verbotene Zugabe liege nicht vor: Abgesehen davon, daß die klagende Partei ihren Anspruch nicht auf das Zugabengesetz gestützt habe, sei bei einem möglichen Einkaufspreis von S 600 für den Luster eine Unentgeltlichkeit bei einem Preis von knapp S 100 nicht gegeben. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das Rabattgesetz vor, weil jeder Verbraucher, der ein Schlafzimmer kaufe, den Luster um S 99 erwerben könne.
Das Rekursgericht gab infolge Rekurses der klagenden Partei dem Sicherungsantrag in der Form des Hauptbegehrens statt und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es liege ein Verstoß gegen § 1 Abs 2 RabG vor, weil der Beklagte den niedrigeren Preis nicht jedermann, sondern nur einer einzelnen Käufergruppe, nämlich den Käufern eines Schlafzimmers, berechne. Die "Käufer eines Schlafzimmers" seien als eine zu einem bestimmten Verbraucherkreis zugehörige Kundengruppe bestimmbar zusammengefaßt und von anderen Kunden des Beklagten deutlich unterschieden. Daß die Rabattankündigung in Form eines offenen Kopplungsangebotes erfolgt sei, ändere daran nichts, weil der Beklagte für Käufer bloß des Lusters einen höheren Normalpreis verlangt habe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die klagende Partei beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, allenfalls ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil wegen der Eigenart des Wettbewerbsrechtes mangels Vorliegens von Vorentscheidungen mit weitgehend gleichgelagerten Sachverhalten ein Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen vorzunehmen ist (ÖBl 1984,4 ua.).
Er ist jedoch nicht berechtigt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der klagenden Partei und des Rekursgerichtes, es liege ein Vestoß gegen § 1 Abs 2 RabG vor, zutrifft, da jedenfalls ein Verstoß gegen § 1 Abs 2 ZugG gegeben ist und Klagegrund das tatsächliche Vorbringen der Partei und nicht die rechtliche Qualifikation dieses Vorbringens ist (SZ 46/109; SZ 51/148 uva.).
Gemäß § 1 Abs 2 ZugG gilt das Zugabenverbot auch dann, "wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe.....durch Scheinpreise für eine Zugabe...verschleiert wird". Ob ein solches "Scheinentgelt" vorliegt, bestimmt sich vor allem danach, ob die Nebenware (Nebenleistung) ordnungsgemäß kalkuliert worden und damit der für sie ausgeworfene "Preis" auch materiell ein echtes Entgelt ist oder nicht. Daß dieses Entgelt im Einzelfall möglicherweise unter dem üblichen Endverbraucherpreis liegt, ja vielleicht sogar nicht einmal die Kosten der Anschaffung des betreffenden Gegenstandes deckt, schließt eine ordnungsgemäße, nach den Umständen des Falles auch wirtschaftlich vertretbare Kalkulation und damit die Annahme eines "echten" Preises keineswegs immer aus. Erst ein krasses Mißverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenware (Nebenleistung) und dem für sie geforderten "Entgelt" wird regelmäßig die (widerlegbare) Vermutung einer nicht ernst gemeinten, nur zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit geforderten "Scheinvergütung" begründen (ÖBl 1984, 68 mwN).
Im vorliegenden Fall ist bescheinigt, daß der Beklagte den sonst um S 990 verkauften Luster beim Kauf eines Schlafzimmers den Kunden um S 99, also um 1/10 des sonst verlangten Preises, überläßt. Eine derartige Preisdifferenz ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen, wirtschaftlich vertretbaren Kalkulation bei einem nicht kurzfristigen Modetendenzen unterliegenden langlebigen Wirtschaftsgut, wie einem Maria-Theresien-Luster, nicht denkbar, weshalb es sich um einen Scheinpreis im Sinn des § 1 Abs 2 ZugG handelt.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisonsrekurses des Beklagten gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO, 78, 402 EO, jener über die Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses auf § 393 Abs 1 EO.
Anmerkung
E10333European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00314.87.0310.000Dokumentnummer
JJT_19870310_OGH0002_0040OB00314_8700000_000