TE OGH 1987/5/5 4Ob515/87

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Veröffentlicht am 05.05.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut L***, Angestellter, 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 2/9, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sieghild L***, Hausfrau, 3032 Eichgraben, Schwarzkreuzstraße 13, vertreten durch Dr. Walter Bacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22.Jänner 1987, GZ 1 R 259/86-25, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 16.Juli 1986, GZ 5 Cg 203/84-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte mit der am 14.November 1984 eingebrachten Klage die Scheidung seiner mit der Beklagten am 26.April 1958 geschlossenen Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage und stellte hilfsweise den Antrag, das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen.

Das Erstgericht gab der Scheidungsklage statt und sprach aus, daß das überwiegende Verschulden den Kläger treffe. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Ab dem Jahre 1980 besuchten die Streitteile regelmäßig Tanzkurse in der Tanzschule Fritz P***, wo Monika R*** als Assistentin arbeitete. Wegen verschiedener Fehler beim Tanzen kam es häufig zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen, bei denen vor allem die Beklagte dem Kläger Vorwürfe machte. Zu Ing. P*** äußerte die Beklagte einmal, er sei ihr Typ, ob er nicht bei ihr vorbeikommen wolle. Im August 1980 veranstaltete Ing. P*** in seinem Haus in Eichgraben eine Party, an der etwa 20 Gäste, darunter auch die Streitteile und die Ehegatten Heinz und Sylvia W***, teilnahmen. Nach erheblichem Alkoholkonsum herrschte eine ausgelassene und enthemmte Stimmung. Heinz W*** tanzte eng mit der Beklagten und küßte sie auch, während der Kläger mit Sylvia W*** tanzte und sie ebenfalls küßte. Im Verlauf dieses Abends ging die Beklagte mit Heinz W*** zu dessen PKW, um Zigaretten zu holen. Beide setzten sich bei dieser Gelegenheit für eine Weile ins Auto, um über persönliche Dinge, insbesondere eine vom Ehepaar W*** beabsichtigte Adoption, zu sprechen. Im Fasching 1983 begann sich zwischen dem Kläger und Monika R*** eine nähere persönliche Beziehung zu entwickeln. Aus diesem Grund wollte die Beklagte im Herbst 1983 keinen Tanzkurs in der Tanzschule P*** mehr absolvieren. Daraufhin besuchte der Kläger mit einer gemeinsamen Bekannten der Streitteile die Tanzschule. Am 24.Februar 1984 trat die Beklagte einen dreiwöchigen Kururlaub an. Während ihrer Abwesenheit besuchte der Kläger mit Monika R*** einen Maskenball und trat dann einen Skiurlaub in der Ramsau an, wohin ihm Monika R*** folgte. Als sodann der Kläger am 20.März 1984 auf Vorhalt der Beklagten zugab, wieder mit Monika R*** zusammen gewesen zu sein, wies ihn die Beklagte aus dem ehelichen Schlafzimmer. Daraufhin zog der Kläger zu Monika R***. Lediglich für die Zeit vom 22.Mai bis 26.Mai 1984 kehrte der Kläger in die eheliche Wohnung zurück, erklärte aber dann, Monika R*** gehe ihm zu sehr ab, und verließ endgültig die Ehewohnung. Spätestens ab diesem Zeitpunkt bestand zwischen dem Kläger und Monika R*** eine geschlechtliche Beziehung.

Außer Streit steht, daß die Beklagte im Sommer 1985 eine Woche Urlaub in Obervellach mit Othmar C*** verbrachte und mit ihm gemeinsam ein Zimmer bewohnte.

In diesem Zusammenhang gingen die Vorinstanzen davon aus, daß nicht festgestellt werden könne, daß es zwischen der Beklagten und Othmar C*** aus Anlaß dieses Urlaubes zu Zärtlichkeiten oder einem Geschlechtsverkehr gekommen sei; auch könne nicht festgestellt werden, daß die Beklagte etwa im Jahre 1978 ehewidrige oder geschlechtliche Beziehungen mit Alfons L*** hatte.

Rechtlich erwog das Erstgericht, daß bei Gegenüberstellung des Verhaltens der Streitteile das Verschulden des Klägers erheblich überwiege, wobei vor allem das beharrlich fortgesetzte Verhältnis mit Monika R*** ins Gewicht falle. Die Beklagte habe durch den mit Othmar C*** gemeinsam verbrachten Urlaub gleichfalls eine noch nicht verfristete Eheverfehlung gesetzt. Berücksichtige man gemäß § 59 Abs.2 EheG auch das frühere lieblose und ehewidrige Verhalten der Beklagten bei der Party und im Tanzkurs, dann seien die Eheverfehlungen der Beklagten zwar wesentlich weniger schwerwiegend als die des Klägers, rechtfertigten aber immerhin das Scheidungsbegehren.

Auch das Berufungsgericht war der Auffassung, daß das Verschulden der Beklagten gegenüber dem des Klägers eindeutig zurücktrete. Das Zusammensein der Beklagten mit Othmar C*** sei aber eine schwere Eheverfehlung; im Hinblick darauf, daß die Eheverfehlungen der Beklagten bis August 1980 zurückreichten, könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger durch sein Verhalten das Scheidungsrecht verwirkt hätte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen beider Streitteile jeweils aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Kläger beantragt Abänderung dahin, daß überwiegendes Verschulden der Beklagten, in eventu, daß gleichteiliges Verschulden der Streitteile ausgesprochen werde. Die Beklagte beantragt Abänderung im Sinne einer Klageabweisung. Hilfweise wird von beiden Streitteilen ein Aufhebungsantrag gestellt. Beide Teile beantragen jeweils, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Beide Revisionen sind nicht berechtigt.

1. Zur Revision des Klägers:

Rechtliche Beurteilung

Mit der Rüge, es seien Feststellungen unterblieben, daß sich die Beklagte während des gemeinsamen Urlaubes vor Othmar C*** nackt ausgezogen und das Badezimmer mit ihm gemeinsam benützt habe, wendet sich der Kläger in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, von deren negativer Feststellung auch die vom Kläger vermißten Feststellungen umfaßt sind. Der Frage, ob die Beklagte mit Othmar C*** per Du ist, kommt bei Beurteilung des Gesamtverhaltens der Streitteile hingegen keinerlei Relevanz zu. Zu Unrecht wendet sich der Kläger aber auch gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

Zur Zerrüttung der Ehe haben nicht die im Zeitpunkt der Klagseinbringung verfristeten Eheverfehlungen der Beklagten geführt, sondern vor allem die Übersiedlung des Klägers zu Monika R***. Daß die Beklagte mehr als ein Jahr nach Aufnahme dieser Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann einen gemeinsamen Urlaub verbrachte und dabei mit diesem ein Zimmer bewohnte, ist gegenüber dem grob ehewidrigen Verhalten des Klägers zwar nicht völlig zu vernachlässigen, ändert aber nichts daran, daß dem Verschulden des Klägers gegenüber dem der Beklagten erheblich größeres Gewicht beizumessen ist.

Der Revision des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen.

2. Zur Revision der Beklagten:

Auch die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Ehegatten sind nicht nur zur ehelichen Treue verbunden, sondern auch verpflichtet, alles zu unterlassen, was geeignet ist, einen objektiv begründeten Schein ehewidriger Beziehungen zu erwecken (siehe EFSlg.13.814, 25.008). Die Beklagte hat daher auch dann ihre eheliche Treuepflicht verletzt, wenn sie mit Othmar C*** während des Urlaubes gemeinsam ein Zimmer bewohnte, ohne mit ihm intime Beziehungen aufzunehmen; zumindest den Anschein, es mit der Treue zum Kläger nicht ernst zu nehmen, hatte die Beklagte zuvor schon durch ihre anzügliche Bemerkung gegenüber Ing. P*** und ihr Verhalten anläßlich der Party erweckt. Treueverletzungen zeigen grundsätzlich einen schweren Mangel an ehelicher Gesinnung auf, so daß dem Scheidungsbegehren des anderen Teiles auch dann nicht gemäß § 49 Satz 2 EheG die sittliche Rechtfertigung abgesprochen werden kann, wenn auf dessen Seite noch schwerwiegendere und fortdauernde Treueverletzungen vorliegen (EFSlg.46.188, 46.190 ua). Da die Beklagte demnach nicht gemäß § 49 Satz 2 EheG schutzwürdig ist, haben die Vorinstanzen dem Scheidungsbegehren des Klägers mit Recht stattgegeben. Auch der Revision der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 43 Abs.1 und § 50 ZPO.

Anmerkung

E10932

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00515.87.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19870505_OGH0002_0040OB00515_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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