Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Erich Reichelt als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erna Z***, Hausbesorgerin, Wien 21., Hermann Bahrstraße 1-3, Gerichtsgasse 4, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 19.520,32 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. März 1987, GZ. 32 Ra 1011/87-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 4. April 1986, GZ. 4 Cr 544/85-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.219,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer und S 1.500 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit 1. Februar 1954 Hausbesorgerin für das Haus Wien 21., Hermann Bahrstraße 1-3/Gerichtsgasse 4, dessen Eigentümerin die Beklagte ist.
Mit der Behauptung, die Beklagte habe ihr regelmäßig ausgezahltes Hausbesorgerentgelt ab Dezember 1984 einseitig und rechtswidrig um S 2.440,04 brutto monatlich verkürzt, verlangte die Klägerin den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von insgesamt S 19.520,32 brutto sA von der Beklagten.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Klägerin sei zusätzlich zu ihren Pflichten als Hausbesorgerin aufgetragen worden, den zum Gebäudekomplex gehörigen Innenhof im Bedarfsfall zu säubern und für die Reinhaltung der dort befindlichen Gehwege und Rasenflächen zu sorgen. Seit Dezember 1984 seien aber dort im Zuge von Bauarbeiten für längere Zeit Baumaterialien gelagert, welche den Hof unbenützbar und jede Hofpflege unmöglich machten. Lediglich eine Fläche von etwa 420 m2 sei noch angemessen zu säubern. Da die Klägerin die zusätzlichen Arbeiten nicht verrichten könne, habe sie keinen Anspruch auf das zusätzliche Reinigungsentgelt. Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Klägerin wurde zusätzlich zu ihren allgemeinen Hausbesorgerpflichten aufgetragen, den zum Gebäudekomplex des Hauses Wien 21., Gerichtsgasse 4, gehörigen Innenhof im Bedarfsfall zu säubern und für die Reinhaltung der Gehwege und Rasenflächen zu sorgen.
Seit 9. Juli 1984 finden an diesem Gebäude Bauarbeiten statt. Nach Abbruchsarbeiten wurde mit einem Zubau begonnen. Der Innenhof ist seither bis auf eine kleine Fläche um die Müllkübel zur Gänze in die Bauarbeiten miteinbezogen; auch auf dem Rasen sind Baumaterialien gelagert, wodurch der Hof nicht mehr benützbar ist. Entsprechend den nicht mehr zu säubernden und instandzuhaltenden Flächen reduzierte die Beklagte das Entgelt der Klägerin. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß es dahingestellt bleiben könne, ob im Hinblick auf § 1 Abs 2 lit d HBG die Vorschriften des Hausbesorgergesetzes überhaupt anwendbar seien, da es sich hier um andere Dienstleistungen des Hausbesorgers im Sinne des § 4 Abs 3 HBG handle, die besonders zu entlohnen seien, wobei das Ausmaß der Entlohnung gemäß § 12 Abs 1 HBG einer besonderen Vereinbarung überlassen sei. Das Entgelt für die anderen Dienstleistungen bestimme sich jedenfalls nicht nach § 7 HBG. Da aber mit der Klägerin ein besonderes Entgelt vereinbart worden sei, könne die Beklagte davon nicht einseitig abgehen. Das Entgelt gebühre nämlich nicht für einen bestimmten Erfolg, sondern für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft. Der Entfall des Entgeltanteils für die Hofarbeiten beziehe sich auf die Sphäre der Beklagten. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß neben einer synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung aus dem Arbeitsvertrag, in der die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers der Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers gegenüberstehe, auch eine konditionale Entgeltverknüpfung zulässig sei. Bei dieser stehe dem Arbeitnehmer ein Entgeltanspruch nur zu, wenn er eine bestimmte Leistung erbringe. Es könne dahingestellt bleiben, ob das dem Hausbesorger für seine Arbeitspflicht zustehende Entgelt nicht auch konditional gebühre, da in den Mindestlohntarifen jeweils auf das Ausmaß der zu reinigenden und zu betreuenden Flächen abgestellt werde und andere Dienstleistungen im Sinne des § 4 Abs 3 HBG jedenfalls nur dann zu entlohnen seien, wenn sie auch tatsächlich verrichtet werden können. Wenn die Möglichkeit solcher Arbeiten nicht mehr bestehe, gebühre hiefür auch kein Entgelt. Einen von diesen Voraussetzungen unabhängigen Verpflichtungsgrund habe die Klägerin nicht behauptet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Mängelrüge ist entgegenzuhalten, daß nicht das Berufungsgericht die Feststellung getroffen hat, die Rasenfläche im Hof sei "nur im Bedarfsfall" zu reinigen, sondern bereits das Erstgericht. Soweit sich dieses im Sinne des § 267 ZPO auf ein "teilweise unbestrittenes Prozeßvorbringen" stützte, ist das Berufungsgericht darauf eingegangen und hat seinerseits auf eine eingehende Erörterung dieser Frage im Verfahren verwiesen. Haben aber zwei Instanzen die Verfahrensfrage, ob eine Tatsache als zugestanden anzusehen sei, übereinstimmend gelöst, kann der behauptete Verfahrensverstoß in dritter Instanz nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (3 Ob 507/85).
Der Revision ist aber aus rechtlichen Erwägungen beizupflichten. Da der Innenhof des Gebäudes, das die Klägerin als Hausbesorgerin zu betreuen hat, nicht dem öffentlichen Verkehr dient und daher nicht schon in Erfüllung der dem Hauseigentümer nach den bestehenden Vorschriften obliegenden Verpflichtungen zu reinigen ist, konnte eine Verpflichtung zur Reinigung des Hofes und insbesondere zur Instandhaltung der Grünflächen nur durch eine besondere Vereinbarung im Sinne des § 4 Abs 3 HBG begründet werden (Arb. 9.206, 10.335). Auch wenn das nach § 12 Abs 1 HBG vereinbarte Entgelt hinsichtlich des Verpflichtungsgrundes von der Entlohnung nach § 7 Abs 1 HBG verschieden ist, können die anderen Dienstleistungen im Sinne des § 4 Abs 3 HBG doch nicht schlechthin als völlig unabhängig angesehen werden, da Voraussetzung für diese Sondervereinbarung der Zusammenhang mit dem Hausbetrieb und das Vorliegen eines Hausbesorgervertrages sind (vgl. Arb. 9.429).
Das Entgelt des Hausbesorgers nach § 7 Abs 1 HBG ist bis zu einem gewissen Grad objektiviert und vom tatsächlichen Ausmaß der Arbeitsleistung unabhängig. Es kommt dabei darauf an, ob der Hausbesorger die in den §§ 3 und 4 Abs 1 HBG angeführten Dienstleistungen grundsätzlich zu erbringen hat, ohne daß auf das tatsächliche Ausmaß der Tätigkeit Bedacht zu nehmen ist (Arb. 9.459). Vereinbarungsgemäß wurde der zum Gebäudekomplex gehörige Innenhof in den grundsätzlichen Tätigkeitsbereich der Klägerin einbezogen und ihr Aufgabenbereich dadurch erweitert. Die Verpflichtung der Klägerin, den Innenhof zu säubern und für die Reinhaltung der Gehwege und Rasenflächen zu sorgen, erfuhr durch die Wendung "im Bedarfsfall" keine Einschränkung. Es ist nämlich selbstverständlich, daß die Arbeiten nur dann verrichtet werden, wenn ein Bedarf gegeben ist, so daß sich der Begriff "Bedarf" nur auf die Intensität der Arbeit beziehen kann. So wird etwa die Rasenpflege bei Schneelage im Winter ebenso entfallen können, wie eine Säuberung des Hofes auch nur nach Notwendigkeit anfallen kann. Keinesfalls kann aus dem Begriff "im Bedarfsfall" mangels jeglicher diesbezüglicher abweichender Feststellungen die von der Beklagten unterstellten grundsätzlichen Einschränkungen der Arbeiten durch von ihr veranlaßte örtlich und zeitlich beschränkte Zwischenfälle verstanden werden. Die Möglichkeit, die Dienstleistungen grundsätzlich zu erbringen, fiel entgegen der Meinung der Beklagten nicht schon dadurch weg, daß der Innenhof, wie sie selbst vorbringt, durch etwa 1 1/2 Jahre für Bauarbeiten in Anspruch genommen wird. Der Klägerin steht daher schon nach § 1155 ABGB weiterhin ein ungeschmälerter Entgeltanspruch zu, da sie lediglich durch vorübergehende Umstände, die zur Gänze auf Seite der Beklagten liegen, daran gehindert wird, tatsächlich ihre (volle) Arbeitsleistung zu erbringen. Die von der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung angeführten Beispiele betreffen den grundsätzlichen Wegfall der Möglichkeit, die vereinbarten Dienstleistungen zu erbringen. Der Grund für die anderen Dienstleistungen ist im vorliegenden Fall aber keineswegs weggefallen.
Dazu kommt, daß die Klägerin nicht einmal gehindert ist, die gesamte Hoffläche zu reinigen und zu pflegen. Ein immerhin 420 m2 großer Teil dieses Hofes, der wegen der dort abgestellten Mülltonnen offensichtlich einer intensiven Betreuung bedarf, wird von ihr nach wie vor sauber gehalten. Es ist daher auch aus dem Aspekt einer arbeitsvertragswidrigen Teilkündigung unzulässig (Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht2 I 192), eine Teilfläche dieses Hofes von der Bemessungsgrundlage für das Entgelt der Klägerin auszunehmen (Arb. 10.038).
Aus diesen Erwägungen war der Revision Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Im Berufungsverfahren verzeichnete die Klägerin keine Kosten. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E12178European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00058.87.0902.000Dokumentnummer
JJT_19870902_OGH0002_009OBA00058_8700000_000