Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ö***
V*** Gemeinnützige Gesellschaft mbH, Wien 8., Josefstädterstraße 51, und 2.) S*** W***, beide vertreten durch Dr. Alfred Peter Musil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Maria D***, Pensionistin, Wien 21., Theodor Körnergasse 9, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Mai 1987, GZ 41 R 151/87-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15. Dezember 1986, GZ 6 C 2510/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht stattgegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Mieterin einer im Stadtgebiet gelegenen, 489,70 m2 großen Grundfläche und Eigentümerin eines darauf als Superädifikat errichteten Wohnhauses.
Die erste klagende Partei ist Eigentümerin der Liegenschaft, zu deren Gutsbestand nun der weitaus überwiegende Teil des gemieteten Grundes als Teil des Grundstückes 1609/3 gehört, während nach einer Grundstücksteilung und Abschreibung eine rund 3,5 m2 große Trennfläche des vermieteten Grundes als Teil des Straßengrundstückes 1573/5 im Eigentum der zweiten klagenden Partei steht. (Die Einzelheiten der Rechtsentwicklung können der Darstellung in dem in einem Parallelverfahren der Erstklägerin gegen die Beklagte ergangenen Beschluß vom 17. November 1986, 1 Ob 616/86, entnommen werden.)
Der ersten Klägerin und ihren damaligen Miteigentümern wurde mit baubehördlichem Bescheid vom 14. August 1981 die Bewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage auf dem insgesamt 3318 m2 umfassenden Gutsbestand ihrer Liegenschaft erteilt. Mit baubehördlichem Bescheid vom 18. Dezember 1986 wurde dazu eine Nachfrist für den Baubeginn bis 3. September 1987 gewährt. Die zuständige Verwaltungsbehörde sprach mit Bescheid vom 2. Mai 1983 auf Antrag der Erstklägerin und einer weiteren damaligen Liegenschaftsmiteigentümerin gemäß § 30 Abs 2 Z 15 MRG aus, daß der Abbruch der durch Straßenordnungsnummer und Einlagezahl der Liegenschaft näher bezeichneten Superädifikate und deren Ersetzung durch einen Wohnhausneubau im öffentlichen Interesse liegt. Die Beklagte erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Mit Berufungsbescheid vom 6. September 1983 wurde die Interessenbescheinigung bestätigt. Eine von der Beklagten dagegen ergriffene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde als unbegründet abgewiesen. Die verwaltungsbehördliche Bestätigung des öffentlichen Interesses bezieht sich inhaltlich (auch) auf die von der Beklagten gemietete Grundfläche.
Zur Finanzierung des geplanten Bauvorhabens erklärte sich eine inländische Kreditunternehmung bereit, im Sinne des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 ein Darlehen von rund 28,580.000 S zu gewähren, und stellte dazu eine Vorpromesse aus, die bis 31. Dezember 1986 verlängert wurde.
Die Klägerinnen kündigten der Beklagten das Bestandverhältnis aus dem Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG zum 31. Dezember 1986 mit dem Vorbehalt nach § 32 Abs 1 MRG gerichtlich auf. Der hiefür ergangene Gerichtsbeschluß wurde der Beklagten am 23. Juni 1986 zugestellt.
Die Beklagte wendete unter anderem ein, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht erfüllt sei, weil zum einen das als Superädifikat auf der gemieteten Fläche errichtete Gebäude nicht als "Miethaus" im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gewertet werden könne, zum anderen die Errichtung des Neubaues nicht sichergestellt sei und sich der Verwaltungsbescheid über die Bestätigung des öffentlichen Interesses nicht auf die von der Beklagten in Bestand gehaltene Grundfläche beziehe. Überdies sei dieser Bescheid nicht auf Antrag der zweiten Klägerin ergangen. Das Prozeßgericht erster Instanz erkannte mit Zwischenurteil im Sinne des § 32 Abs 2 MRG, daß die Aufkündigung vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung rechtswirksam sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. In inhaltlicher Übereinstimmung mit der vom Obersten Gerichtshof in dem bereits erwähnten Beschluß vom 17. November 1986, 1 Ob 616/86 (nunmehr veröffentlicht in MietSlg 38.485), ausgeführten Auslegung gingen beide Vorinstanzen in ihrer rechtlichen Beurteilung davon aus, daß der Kündigungstatbestand nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG auch bei einem im öffentlichen Interesse liegenden Abbruch eines auf dem gemieteten Grund als Superädifikat errichteten Gebäudes erfüllt sein könne. Übereinstimmend erachteten beide Vorinstanzen den Einwand als unberechtigt, daß der sogenannte Interessenbescheid nicht auf Antrag der zweiten Klägerin ergangen sei, weil es hinreiche, daß der Bauwerber um diese Bestätigung ansuche. Beide Vorinstanzen sahen auch die Baudurchführung mit Rücksicht auf die in ihrer Wirkung verlängerte Baubewilligung und die Darlehenszusage der inländischen Kreditunternehmung als gesichert an. Zur Sicherung des Neubaues in finanzieller Hinsicht führte das Berufungsgericht ergänzend aus, die Beklagte hätte in keiner Weise aufzuzeigen vermocht, daß der Gewährung des zugesicherten Darlehens irgendein konkretes Hindernis entgegenstehen könnte.
Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Rechtsunwirksamerklärung der Aufkündigung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Klägerinnen streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Revisionsgericht sieht sich nicht bestimmt, seine zu 1 Ob 616/86 = MietSlg 38.485 dargelegte Auslegung des § 30 Abs 2 Z 15 MRG, daß im Fall der Miete eines Grundstückes, auf dem mit Zustimmung des Vermieters ein Superädifikat errichtet wurde, mag es auch im Eigentum des Benützers stehen und nicht zur Gänze oder in Teilen Gegenstand der Miete sein, als "Miethaus" im Sinne des genannten Kündigungstatbestandes zu begreifen sei, im Sinne der Revisionsausführungen zu revidieren.
Der Revisionswerberin schwebt in erster Linie aus rechtspolitischen Gründen ein erhöhter gesetzlicher Schutz des Bestandnehmers eines Grundstückes mit einem darauf im Einvernehmen mit dem Bestandgeber als Superädifikat errichteten, im Eigentum des Bestandnehmers stehenden Gebäudes als geboten vor. Die Rechtsanwendung hat sich aber in den Grenzen zulässiger Auslegung der gehörig kundgemachten Gesetze zu halten. Dem Vorwurf, die Grenzen des Wortsinnes zu überschreiten und einen Kündigungsgrund in unzulässiger Weise erweiternd auszulegen, wenn der Gesetzesbegriff "Miethaus" derart ausgelegt wird, daß darunter auch ein im Eigentum des Bestandnehmers stehendes, als Superädifikat auf dem gemieteten Grund errichtetes Bauwerk verstanden werde, ist folgendes entgegenzuhalten: Im Anwendungsbereich, in dem der Gesetzesbegriff "Miethaus" entgegen seinem Wortsinn wegen der angenommenen Gleichwertigkeit des Schutzbedürfnisses im Interesse eines bloßen Grundstücksmieters, der auf der gemieteten Fläche ein als Superädifikat errichtetes Bauwerk hält, so gedeutet wird, das Bauwerk sei in kündigungsrechtlicher Sicht so zu behandeln, als wäre es mitgemietet, um damit erst die sondergesetzlichen Kündigungsregelungen anwendbar zu machen, muß zur Vermeidung eines inneren Widerspruches dieselbe Fiktion auch bei der inhaltlichen Bestimmung des Kündigungstatbestandes nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG erfolgen. Jede andere Auslegung wäre unausgewogen einseitig. Auch die Beurteilung der Vorinstanzen, die geplante Bauführung sei in finanzieller Hinsicht sichergestellt, ist entgegen den Revisionsausführungen unbedenklich. Nach dem im bereits erwähnten parallelen Rechtsstreit durchgeführten Beweisverfahren brauchte kein Zweifel an der Erfüllung einer bereits vor Zustellung der Aufkündigung im nunmehrigen Verfahren erteilten Darlehenszusage bestehen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beklagte keine konkreten Umstände vorzubringen vermochte, die solche Zweifel gerechtfertigt hätten.
Letztlich ist auch die Rüge nicht stichhältig, daß die zweite Klägerin als Eigentümerin eines verschwindend kleinen, für die beabsichtigte Bauführung in keiner Weise bedeutenden Teiles der vermieteten Fläche um den sogenannten Interessenbescheid hätte ansuchen müssen. Die zweite Klägerin ist nicht Bauwerberin und auch nicht (Mit-) Eigentümerin (zu ideellen Anteilen) der von der Bauführung betroffenen Grundflächen. Ihre Vermieterstellung und Beteiligung an der Aufkündigung ergibt sich lediglich aus der (realen) Teilung der vermieteten Grundfläche. Entscheidend ist für das anhängige Kündigungsverfahren lediglich, daß die erste Klägerin als Bauwerberin die nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG erforderliche verwaltungsbehördliche Bestätigung erhalten hat.
Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 393 Abs 4, § 52 Abs 2 ZPO.
Anmerkung
E14214European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00696.87.0530.000Dokumentnummer
JJT_19880530_OGH0002_0060OB00696_8700000_000