TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/29 2005/11/0014

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Veröffentlicht am 29.09.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

VwRallg;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 2001 §26 Abs1 Z2;
WehrG 2001 §26 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in G, vertreten durch Dr. Walter Solic, Rechtsanwalt in 8430 Kaindorf-Leibnitz, Augasse 52, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 1. Dezember 2004, Zl. P831738/2-PersC/2004, betreffend Feststellung des Wegfalls der Voraussetzungen für die Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 8. Mai 2003 wurde der 1983 geborene Beschwerdeführer von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes aus besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen und familiären Gründen befreit. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass dieser Bescheid seine Wirksamkeit verliere, wenn die für die Befreiung maßgebenden Voraussetzungen nicht mehr bestehen. Begründend wurde, auf das Wesentliche zusammengefasst, festgestellt, der Beschwerdeführer sei im Landwirtschaftsbetrieb, den er von seiner Mutter gepachtet habe, unabkömmlich. Die Erwerbsfähigkeit des Vaters des Beschwerdeführers sei zu 80 % und die der Mutter zu 40 % gemindert. Beide könnten den Beschwerdeführer daher während der Leistung des Präsenzdienstes nicht in einem solchen Ausmaß vertreten, dass der Fortbestand des Betriebes - dieser verfüge nicht über die übliche Standardmechanisierung - gesichert wäre. Angesichts der geringfügigen Kapitaldienstgrenze des Betriebes und der kargen Rente der Eltern sei deren Existenzgrundlage im Fall der Abwesenheit des Beschwerdeführers während des Präsenzdienstes gefährdet. Zwar sei zur Unterstützung der Eltern die gesamte Familie berufen, doch seien die Schwestern des Beschwerdeführers bereits verheiratet und gingen einer eigenen Berufstätigkeit nach. Was die Brüder des Beschwerdeführers betreffe, so sei der Aufenthalt des älteren Bruders unbekannt. Auch der andere Bruder stehe als Ersatzkraft nicht zur Verfügung, weil er noch minderjährig und noch nicht zuverlässig genug sei, um den landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, gleichfalls im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 1. Dezember 2004 stellte der Bundesminister für Landesverteidigung unter Bezugnahme auf § 26 Abs. 1 Z. 2 sowie § 26a Abs. 1 und Abs. 2 des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) fest, dass der genannte Bescheid vom 8. Mai 2003 seine Wirksamkeit verloren habe, weil die für die Befreiung maßgeblichen Voraussetzungen weggefallen seien. Begründend wurde ausgeführt, dass die Wohnadresse des älteren Bruders des Beschwerdeführers nunmehr bekannt sei. Der jüngere, 1986 geborene, Bruder des Beschwerdeführers leiste bis 30. Dezember 2004 seinen Grundwehrdienst, es könne daher nicht mehr von der mangelnden Reife seiner Person gesprochen werden. Damit seien die wesentlichen Voraussetzungen für die Befreiung des Beschwerdeführers vom Grundwehrdienst weggefallen. Die Arbeitskraft des Beschwerdeführers im landwirtschaftlichen Betrieb könne somit während seines Präsenzdienstes durch seine Brüder ersetzt werden, weshalb auch die Existenzgrundlage seiner Eltern gewährleistet sei. Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, dass es am Willen seiner Brüder mangle, im Betrieb mitzuhelfen, so sei dem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach die gesamte Familie zur Unterstützung eines unterstützungsbedürftigen Familienmitgliedes verhalten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 137/2003, lauten wie folgt:

"Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

...

Mitteilungs- und Nachweispflichten

§ 26a. (1) Wehrpflichtige, denen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, haben den Wegfall der hiefür maßgeblichen Voraussetzungen, sofern für eine Befreiung nicht ausschließlich militärische Rücksichten maßgeblich waren, unverzüglich der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen Behörde mitzuteilen. Erfolgte eine Befreiung nach § 26 Abs. 1 Z 1 wegen einer beruflichen Tätigkeit, so ist zu dieser Mitteilung der Auftraggeber nach § 26 Abs. 2 verpflichtet. Der Wehrpflichtige hat in diesem Fall lediglich die Beendigung einer solchen Tätigkeit mitzuteilen.

(2) Wehrpflichtige, denen eine Befreiung gewährt wurde, haben, sofern die Befreiung nicht vorher endet oder für die Befreiung nicht ausschließlich militärische Rücksichten maßgebend waren, innerhalb eines Monates nach Ablauf

1. jedes fünften Jahres nach Rechtskraft einer Befreiung nach § 26 Abs. 1 Z 1 und

2. jedes dritten Jahres nach Rechtskraft einer Befreiung nach § 26 Abs. 1 Z 2

der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen Behörde das weitere Vorliegen der für die Befreiung maßgeblichen Umstände nachzuweisen. Erfolgte eine Befreiung nach § 26 Abs. 1 Z 1 wegen einer beruflichen Tätigkeit, so obliegt dieser Nachweis dem Auftraggeber nach § 26 Abs. 2. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so tritt der Bescheid über die Befreiung nach Ablauf dieser Monatsfrist außer Kraft.

(3) ..."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung aus dem Wortlaut des § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990, der im Wesentlichen wortgleich mit § 26 Abs. 1 Z. 2 WG 2001 ist, abgeleitet, dass eine dem Wehrpflichtigen gewährte Befreiung nur solange dauert, als die für die Befreiung maßgeblichen besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen bestehen. Die Befreiung endet somit, wenn die wirtschaftlichen oder familiären Interessen, die Grund für die Befreiung waren, zur Gänze wegfallen oder zumindest auf Grund geänderter Umstände den Grad der besonderen Rücksichtswürdigkeit verlieren (vgl. das Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0290). Bereits im Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 94/11/0098, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass mit der wesentlichen Änderung des Sachverhalts, der zur Befreiung vom Präsenzdienst geführt hatte, die Behörde zur Feststellung, es seien die Befreiungsvoraussetzungen weggefallen, berechtigt sei (vgl. in diesem Sinn auch das Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0059). Diese Rechtsprechung ist auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 WG 2001 - bei diesem Gesetz handelt es sich um eine Wiederverlautbarung des Wehrgesetzes 1990 - übertragbar.

Im vorliegenden Beschwerdefall hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides somit davon ab, ob sich der Sachverhalt, der dem Bescheid vom 8. Mai 2003 zu Grunde lag, maßgeblich geändert hat.

Wie dargestellt hat die belangte Behörde diesen Bescheid über die Befreiung des Beschwerdeführers vom Präsenzdienst im Wesentlichen damit begründet, dass die Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers und damit die Sicherung der Existenzgrundlage seiner Eltern durch eine dritte Person, die die Arbeitskraft des Beschwerdeführers während seines Grundwehrdienstes ersetzen könne, nicht gewährleistet gewesen sei. Der Mithilfe durch die beiden Brüder des Beschwerdeführers standen demnach - bei Erlassung des Befreiungsbescheides - objektive Gründe entgegen. Wörtlich wurde dazu im Bescheid vom 8. Mai 2003 ausgeführt:

"Zusammenfassend waren für die Befreiung folgende Gründe maßgeblich, deren Vorliegen Sie, wie in der u.a. Mitteilung zu entnehmen (ist), regelmäßig nachweisen müssen: Sie sind Pächter und Betriebsführer der gegenständlichen Landwirtschaft und arbeiten darin hauptberuflich. Ihr Bruder Johann steht mangels Auffindbarkeit und Ihr Bruder Herbert mangels Reife als Arbeitskraft nicht zur Verfügung. Keiner von beiden kann Sie in einem solchen Ausmaß vertreten, dass eine notwendige Aufrechterhaltung des Betriebes möglich ist."

In der Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer, dass sich dieser Sachverhalt maßgeblich geändert habe. Sein älterer Bruder lebe nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer und den Eltern, weshalb die belangte Behörde hätte überprüfen müssen, inwieweit dieser Bruder einerseits auf Grund der räumlichen Distanz seines Wohnortes zum landwirtschaftlichen Betrieb und andererseits auf Grund der familiären Diskrepanzen, auf die bereits in der Berufung hingewiesen worden sei, in der Lage sei, den landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers zu führen. Was den jüngeren Bruder des Beschwerdeführers betreffe, so mangle es diesem weiterhin an der Reife und an der Ausbildung, den Landwirtschaftsbetrieb des Beschwerdeführers zu führen. Die erforderliche Reife lasse sich aus dem Umstand, dass dieser Bruder den Präsenzdienst absolviert habe, jedenfalls noch nicht ableiten. Die Führung des landwirtschaftlichen Betriebes verlange neben körperlichen Anstrengungen auch organisatorische und kaufmännische Fähigkeiten, die von einem knapp 19-jährigen nicht verlangt werden könnten.

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich des älteren Bruders des Beschwerdeführers weiterhin Gründe (wie etwa eine große Entfernung der Wohnsitze) vorliegen, die seinem Einsatz im Betrieb des Beschwerdeführers entgegen stehen. Zu Recht durfte die belangte Behörde nämlich annehmen, dass sich an der Eignung des jüngeren Bruders des Beschwerdeführers, die Arbeitskraft des Beschwerdeführers für die Dauer seines Grundwehrdienstes zu ersetzen, wesentliches geändert hat, weil dieser Bruder bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Volljährigkeitsgrenze bereits überschritten hatte. Sonstige körperliche oder geistige Mängel dieses Bruders wurden nicht ins Treffen geführt. Dem Beschwerdeeinwand, dass von einem 19-jährigen die Führung des gegenständlichen Landwirtschaftsbetriebes nicht verlangt werden könne, steht schon entgegen, dass auch der Beschwerdeführer, als er im Jahr 2003 den elterlichen Betrieb gepachtet hat, nur unwesentlich älter war. Was die vom Beschwerdeführer angesprochenen organisatorischen und kaufmännischen Fähigkeiten, die zur Führung seines Betriebes notwendig seien, betrifft, so wird in der Beschwerde nicht präzisiert, um welche besonderen Fähigkeiten es sich dabei handelt und weshalb der Bruder diese Fähigkeiten nicht besitze.

Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, dass hinsichtlich der dem Bescheid vom 8. Mai 2003 zugrunde gelegenen Befreiungsgründe eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. September 2005

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005110014.X00

Im RIS seit

31.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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