Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Marianne B***, Hausfrau, Gamlitz Nr. 270, vertreten durch Dr. Hans Paar, Rechtsanwalt in Graz, wider die verpflichtete Partei Othmar B***, Gast- und Landwirt, Spielfeld Nr. 53, vertreten durch Dr. Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen S 1,900.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 12. Dezember 1988, GZ 4 R 561/88-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 4.November 1988, GZ E 125/88-2, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisonsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird abgeändert und die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wieder hergestellt, daß der Verpflichtete die betriebene Forderung nur Zug um Zug gegen Räumung der Ehewohnung in Spielfeld 53 durch die betreibende Partei zu erfüllen hat.
Die weiteren Anordnungen obliegen dem Erstgericht.
Die Kosten des Revisionsrekurses werden mit S 19.339,65 (darin S 1.758,15 Umsatzsteuer) als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.
Text
Begründung:
Im Verfahren Sch 34/88 des Erstgerichtes beantragten die Parteien, ihre Ehe gemäß § 55 a EheG zu scheiden, und legten mit ihrem Antrag eine (mit 12.September 1988 datierte) Vereinbarung gemäß § 55 a Abs 2 EheG vor. In dem über die Tagsatzung vom 12. September 1988 aufgenommenen Protokoll heißt es unter anderem:
"Für den Fall der Ehescheidung im Einvernehmen schließen die Antragsteller eine Vereinbarung wie im Übereinkommen vom 12.9.1988, welche dem Antrag angeschlossen ist mit nachstehenden Ergänzungen:
.......". Die letzten beiden Absätze des vierten Punktes des genannten Übereinkommens haben folgenden Wortlaut: "Frau Marianne B*** gibt hiemit die ihr eigentümlichen ideellen Hälfteanteile an den vorbezeichneten Liegenschaften in das Eigentum des Herrn Othmar B*** und dieser übernimmt diese Liegenschaftshälften in sein Eigentum gegen Bezahlung eines vereinbarten und angemessenen Betrages von S 1,900.000,-- (in Worten: Schilling eine Million neunhunderttausend). Frau Marianne B*** verpflichtet sich, die Ehewohnung in 8471 Spielfeld 53 binnen vier Wochen nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe zu räumen und Herr Othmar B*** verpflichtet sich, Zug um Zug gegen diese Räumung den vorgenannten Betrag bar und abzugsfrei und bis dahin auch zinsenfrei an Frau Marianne B*** zu bezahlen."
Mit dem am 24.Oktober 1988 eingelangten Schriftsatz stellte die betreibende Partei zur Hereinbringung von S 1,900.000,-- sA einen Antrag auf Zwangsversteigerung, jedoch ohne Hinweis auf die in dem Übereinkommen enthaltene Zug um Zug-Verpflichtung. Sie brachte allerdings vor, daß sie die Ehewohnung am 12.Oktober 1988 geräumt habe. Der Verpflichtete sei mit der Bezahlung des damit fällig gewordenen Betrages von S 1,900.000,-- trotz Aufforderung in Verzug. Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution. Über Rekurs des Verpflichteten, der geltend machte, es sei in der Exekutionsbewilligung nicht darauf hingewiesen worden, daß er die Forderung nur Zug um Zug gegen Erbringung einer Gegenleistung zu erfüllen habe, wies die zweite Instanz den Exekutionsantrag ab. Dem Scheidungsübereinkommen der Parteien vom 12.September 1988 komme nicht die Eigenschaft eines gerichtlichen Vergleiches (§ 1 Z 5 EO) zu. Nach dem Protokoll über die Tagsatzung vom 12.September 1988 sei das von den Parteien unterfertigte und mit 12.September 1988 datierte Scheidungsübereinkommen zwar in schriftlicher Form errichtet und dem Protokoll angeschlossen (angeheftet), jedoch nicht als gerichtlicher Vergleich protokolliert worden. Die Eigenschaften eines gerichtlichen Vergleiches habe nur die in das Protokoll aufgenommene Ergänzung der schriftlichen Scheidungsvereinbarung, nicht auch deren übriger Teil. Werde im Protokoll festgehalten, die vorgelegte schriftliche Vereinbarung solle als Vereinbarung gemäß § 55 a Abs 2 EheG gelten, so werde aus dieser noch kein Bestandteil des Protokolls und daher auch kein Exekutionstitel. Die ohne Mitwirkung des Gerichts zustandegekommene Vereinbarung sei nicht in einen gerichtlichen Vergleich transformiert worden. Eine Verweisung stelle - ausgenommen die Fälle des § 210 Abs 1 ZPO - keine wirksame Protokollierung dar.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist berechtigt. Nach § 55 a Abs 2 EheG darf die Ehe nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über ..... die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen.
Nach § 204 Abs 1 S 2 ZPO ist, wenn ein Vergleich zustandekommt, dessen Inhalt auf Antrag ins Verhandlungsprotokoll einzutragen. Erst durch die Protokollierung wird ein Vergleich zum gerichtlichen Vergleich und damit zum Exekutionstitel iS des § 1 Z 5 EO (Fasching II 973; Fasching, Lehrbuch Rdz 1351;
Heller-Berger-Stix 75 f).
Einer dem Gericht unterbreiteten schriftlichen Vereinbarung gemäß § 55 a Abs 2 EheG kommt daher der Charakter eines Exekutionstitels im Sinne der Exekutionsordnung nur dann zu, wenn die Vereinbarung in die Form eines protokollierten gerichtlichen Vergleiches gebracht wurde. Ist dies nicht geschehen, so liegt eine bloß mit privatrechtlichen Wirkungen ausgestattete Vereinbarung vor; wird eine solche Vereinbarung nicht freiwillig erfüllt, muß Klage auf Zuhaltung der Vereinbarung geführt werden, wie dies auch sonst bei der Nichterfüllung privatrechtlicher Vereinbarungen notwendig ist (SZ 56/22).
Der Oberste Gerichtshof schließt sich aber der Ansicht des Rekursgerichtes, die Vereinbarung der Parteien sei in der Tagsatzung vom 12.September 1988 nicht in die Form eines gerichtlichen Vergleiches gebracht worden, nicht an.
Ein gerichtlicher Vergleich ist auch in der Form möglich, daß auf den Inhalt eines im Akt erliegenden außergerichtlichen Übereinkommens Bezug genommen und dieses zum Inhalt des gerichtlichen Vergleiches erhoben wird (1 Ob 2/55). Der gerichtliche Vergleich muß allerdings die schon anderwärts getroffene Vereinbarung zumindest in der Weise festhalten, daß eine Ausfertigung dieser Vereinbarung zum Akt genommen wird; es genügt nicht, etwa auf den Inhalt einer in einem anderen Verfahren abgeschlossenen und dort protokollierten Vereinbarung Bezug zu nehmen und sie so zum Inhalt eines gerichtlichen Vergleiches zu erheben (JBl 1958, 630).
Im vorliegenden Fall haben die Parteien nach dem Inhalt des Protokolls in der Tagsatzung vom 12.September 1988 eine Vereinbarung "wie im Übereinkommen vom 12.9.1988" geschlossen, wobei dieses Übereinkommen dadurch zum integrierenden Bestandteil des Protokolls gemacht worden ist, daß es an dieses angeschlossen wurde. Diese Vorgangsweise unterscheidet sich wesentlich von jener, die bei der Entscheidung SZ 56/22 zu beurteilen war; denn in jenem Verfahren wurde im Protokoll über die der Scheidung vorangegangene Verhandlung lediglich festgehalten, daß die Parteien eine Vereinbarung vom ..... vorlegen und erklären, daß mit dieser Vereinbarung alle gegenseitigen Ansprüche erledigt sind. Davon, daß die Parteien vor Gericht eine Vereinbarung mit bestimmtem, an anderer Stelle des Aktes festgehaltenen Inhalt schließen, war in dem genannten Verfahren nicht die Rede; die Parteien hatten vielmehr lediglich behauptet, daß sie eine Vereinbarung iS des § 55 a Abs 2 EheG geschlossen haben, und diese außergerichtliche Vereinbarung zum Beweis ihres Vorbringens vorgelegt.
Mit Recht hat daher das Erstgericht die beantragte Exekution bewilligt. Von Amts wegen (Heller-Berger-Stix 220) zu ergänzen war die Bewilligung - worauf bereits das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat - durch den gemäß § 8 EO erforderlichen und durch die bloße Behauptung der Erfüllung nicht entbehrlich gewordenen Hinweis darauf, daß die Forderung der betreibenden Partei nur Zug um Zug gegen die Räumung der Ehewohnung zu erfüllen ist. Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 74 EO.
Anmerkung
E16206European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00005.89.0125.000Dokumentnummer
JJT_19890125_OGH0002_0030OB00005_8900000_000