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60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
ArbVG §29;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 15/9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. April 2003, Zl. MA 15-II-St 15/2002, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Durchführung einer im Betrieb des Beschwerdeführers vorgenommenen Beitragsprüfung wurden ihm seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zunächst Kontoauszüge mit Beitragsvorschreibungen für jeden Dienstnehmer übermittelt, aus denen die diesen Dienstnehmern auf Grund der Beitragsprüfung zugeschriebenen Beitragsgrundlagen und die sich daraus ergebenden Beiträge ersichtlich waren. Auf diese Vorschreibungen reagierte der Beschwerdeführer mit dem Ersuchen um Ausfertigung eines Bescheides.
In ihrem erstinstanzlichen Bescheid vom 12. November 2001 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer und seine Ehefrau zur Nachzahlung von Beiträgen in der Höhe von S 105.125,06. In der Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Lohnänderungs- und Sonderzahlungsmeldungen für die in der Anlage zu diesem Bescheid genannten Dienstnehmer und Zeiträume einerseits aus den vorgelegten Lohnkonten ergeben. Des weiteren seien den Überprüfungen der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe, abgeschlossen zwischen dem Fachverband der Gastronomie und dem Fachverband der Hotel- und Beherbergungsbetriebe sowie der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, persönlicher Dienst, zugrunde gelegt worden. Nach Wiedergabe von Punkt 7 dieses Kollektivvertrages bezieht sich die Begründung des Bescheides auf die Ansprüche auf Jahresremuneration, auf deren aliquote Auszahlung bei vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und die nicht abgerechneten Krankenscheingebühren. Abgesehen von einem Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 44, 49, 46 und 58 ASVG enthält dieser Bescheid keine nähere Begründung, insbesondere auch nicht zu den "Lohnprozenten".
Mit Einspruchsvorentscheidung vom 22. Jänner 2002 hob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse diesen gegen den Beschwerdeführer und seine Ehefrau gerichteten Bescheid auf und schrieb mit Bescheid vom 28. Jänner 2002 dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau einen Betrag von S 2.914,74 (EUR 211,82) vor.
Gleichzeitig erließ die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse einen weiteren Bescheid (nur) an den Beschwerdeführer über eine Beitragsvorschreibung von insgesamt S 104.710,32 (EUR 7.609,60). Die Begründung gleicht jener des früher erlassenen Bescheides.
In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch führte der Beschwerdeführer - bezogen auf den nunmehrigen Beschwerdepunkt - aus, dass ihm "vorgeworfen" werde, Dienstnehmer nicht mit den ihnen gebührenden Umsatzprozenten nach klarem Festlohnsystem entlohnt zu haben. Dem hielt er entgegen, eine Festlohnvereinbarung getroffen zu haben. Dies "aus dem einfachen Grund, dass stark saisonale und wetterbedingte Umsatzschwankungen zu einer ungerechten Entlohnung führen würden".
In der von der belangten Behörde in Anwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 9. September 2002 wurde - ausweislich der darüber angefertigten Niederschrift - dargelegt, dass nach dem Kollektivvertrag für die Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe betreffend die Garantielöhner die Beschäftigten des Betriebes prinzipiell einen Anspruch von 10,5 % des Gesamtumsatzes hätten. Für den Fall, dass diese Umsatzprozente den kollektivvertraglichen Mindestlohn nicht erreichen würden, gelte der Kollektivvertragslohn. Die Bestimmungen über die Garantielöhne seien in Punkt 7 lit. b (Lohnordnung) des Kollektivvertrages geregelt. Seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei festgestellt worden, dass die Dienstnehmer des Beschwerdeführers weniger erhalten hätten. Dazu brachte der Beschwerdeführer vor, dass nach dem Zusatzkollektivvertrag für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe ein Festlohnsystem eingeführt werden könne. Dies sei in seinem Betrieb "im Wege einer Betriebsvereinbarung" erfolgt. Vereinbart sei für alle Garantielöhner der kollektivvertragliche Mindestlohn worden. Dazu habe die Gebietskrankenkasse darauf hingewiesen, dass von der Existenz eines Betriebsrates im Betrieb des Beschwerdeführers nie die Rede gewesen sei.
Betriebsvereinbarungen seien bislang nicht vorgelegt worden.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2002 hat der Beschwerdeführer "Betriebsvereinbarungen (acuerdo laboral)" nachgereicht. Es handelt sich dabei um in spanischer Sprache abgefasste Vereinbarungen, die zwischen dem jeweiligen Dienstnehmer und dem Beschwerdeführer abgeschlossen worden sind.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Zur Frage der Verpflichtung zur Nachzahlung von Beiträgen für die im Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers beschäftigten Garantielöhner für die Beitragsgrundlagendifferenz, die sich aus dem tatsächlich verrechneten Arbeitsentgelt und dem (höheren) Entgeltanspruch von 10,5 % des Gesamtumsatzes eines Monates ergibt, begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid damit, dass laut Punkt 7b und c (Lohnordnung) des Kollektivvertrages für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe Garantielöhner prinzipiell einen Anspruch von 10,5 % des Gesamtumsatzes eines Monates hätten. Für den Fall, dass diese Umsatzprozente einen kollektivvertraglichen Mindestlohn nicht erreichen würden, gelte der Kollektivvertragslohn. Seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei festgestellt worden, dass die Garantielöhner des Beschwerdeführers nicht die 10,5 % des Umsatzes, sondern weniger erhalten hätten. Der Beschwerdeführer habe hiezu vorgebracht, dass nach dem Zusatzkollektivvertrag für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe gemäß Punkt 2a in Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, für Garantielöhner ein Festlohnsystem eingeführt werden könne. Dies sei in seinem Bereich im Wege einer Betriebsvereinbarung erfolgt. Es sei für alle Garantielöhner der kollektivvertragliche Mindestlohn vereinbart worden. Zum Nachweis für sein Vorbringen habe der Beschwerdeführer Betriebsvereinbarungen für die Jahre 1997, 1998 und 1999 vorgelegt. Hiezu sei zu bemerken, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Betriebsvereinbarungen unzulässig seien, da entsprechend den Bestimmungen des Punktes 2a des Zusatzkollektivvertrages für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe als Festlohn der Monatslohn aus dem Durchschnittslohn für die Normalarbeitszeit der letzten zwölf vollen Kalendermonate, bei kürzerer Dienstzeit aus dem Durchschnitt für die Normalarbeitszeit der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses zu errechnen sei. Der Festlohn hätte daher ausgehend von dem im Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe festgelegten Anspruchslohn von 10,5 % des Gesamtumsatzes eines Monates bzw. des kollektivvertraglichen Mindestlohns (für den Fall, dass der kollektivvertragliche Mindestlohn durch die Umsatzprozente nicht erreicht werde) errechnet werden müssen. Dies habe der Beschwerdeführer jedoch nicht berücksichtigt, sondern lediglich den Kollektivvertragslohn als Festlohn ausbezahlt. Die Kasse habe daher zu Recht in jenen Monaten, in denen die Dienstnehmer auf Grund der Höhe des Umsatzes mehr als den kollektivvertraglichen Mindestlohn hätten erhalten sollen, "die Beitragsgrundlage der Dienstnehmer auf die 10,5 % des Umsatzes hinaufgesetzt".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erklärt, den Bescheid der belangten Behörde nur insoweit anzufechten, als er zur Nachzahlung von Beiträgen für die Garantielöhner aus dem Titel des höheren Anspruchslohns von 10,5 % des Umsatzes verpflichtet worden sei. Er rügt, dass weder der erstinstanzliche noch der angefochtene Bescheid eine die Zahlungsverpflichtung ausreichend begründende Tatsachenfeststellung oder eine den Spruch tragende Begründung enthielten. An welchen Umsätzen für welche Zeiten und in welchem Ausmaß die Dienstnehmer im Sinne einer ihnen gebührenden Entlohnung hätten teilhaben sollen, sei in beiden Instanzen nicht festgestellt worden. Es sei daher auch nicht ersichtlich, wie sich die Nachforderung im Einzelnen errechne. Bei "antragsgemäßer Befragung der Dienstnehmer als Zeugen" hätte dies zu Feststellungen geführt, die keine oder eine geringere Nachforderung nach sich gezogen hätten, jedenfalls aber "einer Kontrolle fähig gewesen" (gemeint offenbar: einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich) wären. Dies gelte insbesondere auch für die angebliche Nichtberücksichtigung der Voraussetzungen des § 2a des Zusatzkollektivvertrages im Hotel- und Gastgewerbe.
Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (Allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 leg. cit. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 leg. cit. Nach § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der Pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Soweit es danach auf den Anspruchslohn ankommt, ist diese Frage nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Gesichtspunkten zu beantworten (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. März 1990, Slg. Nr. 13148/A).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Richtigkeit der Feststellungen im angefochtenen Bescheid über den Inhalt des Zusatzkollektivvertrages für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe, die auf Grund seiner eigenen Angaben aus Anlass der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2002 getroffen worden sind. Danach kann die Einführung eines Festlohnsystems unter näher festgelegten Voraussetzungen in Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, durch Betriebsvereinbarung erfolgen. Solche Betriebsvereinbarungen hat der Beschwerdeführer weder behauptet, noch vorgelegt: Die von ihm vorgelegten Vereinbarungen sind jedenfalls keine Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 29 des Arbeitsverfassungsgesetzes, weil sie nicht mit einem Betriebsrat abgeschlossen worden sind. Es bedarf daher keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer die in diesen als "Betriebsvereinbarung" bezeichneten Verträgen vereinbarten Festlöhne zutreffend errechnet hat (was im angefochtenen Bescheid verneint wird), da die Vereinbarungen nicht rechtswirksam zustande gekommen sind.
Da der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren weder vorgebracht hat, die Beitragsvorschreibungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht nachvollziehen zu können (die hier strittige Frage wurde vielmehr bei einer mündlichen Verhandlung mit ihm ausführlich erörtert), noch dass die zugrunde gelegten Umsätze unzutreffend seien, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer in seinen Rechtsverteidigungsmöglichkeiten in einer für das Verfahrensergebnis relevanten Weise beschränkt worden wäre: Dem Beschwerdeführer wäre es vielmehr möglich gewesen, aus den ihm bekannten Umsätzen durch Gegenüberstellung mit den auf seinen Lohnkonten aufscheinenden Entgelten (für die Beiträge tatsächlich entrichtet wurden) zu überprüfen, ob die ihm von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mitgeteilten, aus dem Entgeltanspruch von 10,5 % des Umsatzes ermittelten neuen Beitragsgrundlagen richtig ermittelt worden sind. Er wäre daher auch in der Lage gewesen, verneinendenfalls ein konkretes zweckdienliches Vorbringen zu erstatten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. Oktober 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080148.X00Im RIS seit
25.11.2005