Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Walter Zeiler und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien
1.) Agnes K***, Bedienerin, Mannswörth, Mannswörther Straße 87, und 2.) Erika P***, Bedienerin, Schwechat-Rannersdorf, Deimgasse 26/2, beide vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Otto M*** Gesellschaft mbH, Wien 9., Sechsschimmelgasse 21-25, vertreten durch Dr.Franz Calice, Rechtsanwalt in Wien, wegen zu
1.) 25.768,43 S netto und zu 2.) 25.760,57 S netto, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. November 1988, GZ 31 Ra 63/88-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.Dezember 1987, GZ 8 Cga 2141/86-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der Erstklägerin Agnes K*** einen Betrag von 25.768,43 S netto samt 4 % Zinsen seit 11. November 1986 und der Zweitklägerin Erika P*** den Betrag von 25.760,57 S netto samt 4 % Zinsen seit 17.November 1986 zu zahlen und den Klägerinnen die mit 22.931,26 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten 1.584,66 S Umsatzsteuer und 5.500 S Barauslagen) je zur Hälfte zu ersetzen, all dies binnen 14 Tagen bei Exekution".
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, den Klägerinnen die mit 9.074,84 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 679,14 S Umsatzsteuer und 5.000 S Barauslagen) je zur Hälfte binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Seit Jahren vergibt die Österreichische Mineralölverwaltung (ÖMV) die Reinigungsarbeiten in ihren Betriebsstätten in Schwechat an Reinigungsfirmen. Als Nachfolger des Reinigungsunternehmens G*** erhielt die beklagte Partei ab Beginn des Jahres 1982 den Reinigungsauftrag für das ÖMV-Labor in Schwechat. Die Zweitklägerin war bereits bei dem Vorgängerunternehmen G*** als Reinigungskraft beschäftigt und wurde von der beklagten Partei mit 4.Jänner 1982 (Beginn des Vertragsverhältnisses zur ÖMV) neu eingestellt. Die Erstklägerin trat bei der beklagten Partei am 15.Feburar 1982 als Raumpflegerin ein. Den beiden Klägerinnen wurde bei Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Personalblatt vorgelegt, in welchem festgelegt ist, daß sie als Raumpflegerinnen im Objekt ÖMV Nr. 321 - Labor eingestellt werden. Darunter befindet sich ein auf diesem Blatt vorgedruckter Text mit der Überschrift "Besonderheiten des Dienstverhältnisses". Der letzte Satz dieses Vordruckes lautet:
"Arbeitszeit und Arbeitsort werden von der Betriebsleitung im Einvernehmen mit dem Dienstnehmer geregelt, jedoch haben betriebliche Erfordernisse Vorrang".
Beide Klägerinnen haben dieses Blatt unterhalb des Vermerkes "Ich, Unterfertigter, bestätige die Richtigkeit der von mir vorstehend gemachten Angaben und die Kenntnisnahme obenstehender Besonderheiten des Dienstverhältnisses" unterschrieben. Die Zweitklägerin hatte im Erdgeschoß einer ÖMV-Abteilung Fußböden zu saugen bzw zu waschen, Labortische zu reinigen und einmal wöchentlich in der Kantine beim Abservieren zu helfen. Die Erstklägerin war in der Kantine der ÖMV beschäftigt. Sie hatte Essen auszutragen, in der Frühstückspause Kaffee, Tee und Gebäck auszugeben und dafür zu kassieren und zwischendurch den Speisesaal und die dazugehörigen Räume zu reinigen. Die Arbeitszeiten beider Klägerinnen waren von Montag bis Donnerstag von 7 bis 15 Uhr und am Freitag von 7 bis 13 Uhr. Die Erstklägerin ist in Mannswörth wohnhaft und fährt täglich mit dem Rad zu ihrem Arbeitsplatz. Die Zweitklägerin, die in Rannersdorf wohnt, fährt üblicherweise täglich mit dem Moped zum Arbeitsplatz und zurück, nur im Winter fährt sie mit dem Firmenbus, wobei sie allerdings Wartezeiten in Kauf nehmen muß.
Die ÖMV nahm ab 1.September 1986 eine andere Reinigungsfirma unter Vertrag. Das Vertragsverhältnis mit der beklagten Partei lief am 31.August 1986 aus. Die Klägerinnen erfuhren 14 Tage vor Vertragsende hievon. Die beklagte Partei bot den Klägerinnen mit Rundschreiben vom 22.August 1986 verschiedene andere Arbeitsplätze für die Zeit ab 1.September 1986 an. Eine dabei angebotene Tätigkeit bei der PCS-Schwechat wäre nur eine vorübergehende Lösung gewesen. Bei der Firma H*** wäre eine Arbeitszeit von 11 bis 18,30 Uhr bzw. von 9 bis 17,30 Uhr, bei der UNO eine solche von 8 bis 16,30 Uhr einzuhalten gewesen. Die Klägerinnen hätten auch längere Anfahrtszeiten in Kauf nehmen müssen. Um die letztlich von der beklagten Partei angebotene Arbeitsstelle bei der Firma H*** zu erreichen, wäre es erforderlich gewesen, mit der Schnellbahn zum Bahnhof Wien-Mitte und dann mit dem Firmenbus der Firma H*** zum Arbeitsplatz zu fahren. Die Tätigkeiten der Klägerinnen bei der Firma H*** hätten darin bestanden, die WC-Anlagen untertags zu kontrollieren, Tische und Kassen abzuwischen und die ausgestellten Waren in der Textilabteilung, Möbelabteilung und Sanitärabteilung nach einem bestimmten Plan regelmäßig zu reinigen. Auch waren Arbeitskräfte dafür vorgesehen, im Fall eines Glasbruchs im Kassenbereich für das Saubermachen an der Hand zu sein. Der Betriebsrat der beklagten Partei erteilte seine Zustimmung zum Einsatz der Klägerinnen an den angebotenen Ersatzarbeitsplätzen nicht und schlug der beklagten Partei die einvernehmliche Auflösung der Arbeitsverhältnisse unter Wahrung der Ansprüche auf Sonderzahlung und Abfertigung vor. Die Klägerinnen hatten vom Beginn an die Absicht, an ihrem bisherigen Arbeitsplatz zu bleiben, sie erklärten sowohl dem Betriebsrat K*** wie auch dem Prokuristen der beklagten Partei M***, daß für sie andere Arbeitsplätze mit weiteren Fahrzeiten indiskutabel seien, weil damit bedingt durch die schlechten Verkehrsverbindungen auch längere Wartezeiten verbunden seien. Sie erklärten, daß sie die angebotene Arbeit bei der Firma H*** wahrscheinlich nicht aufnehmen würden. Dessenungeachtet forderte Prokurist M*** die Klägerinnen Ende August auf, am folgenden Montag um 9 Uhr den Dienst dort anzutreten. Nach diesem Gespräch erschien am selben Tag ein Mitarbeiter der Firma Assanierung S***, des Unternehmens, das den Auftrag nun anstelle der beklagten Partei bei der ÖMV übernommen hatte, bei den Klägerinnen und erklärte ihnen, daß sie ab 1.September 1986 für dieses Unternehmen tätig sein könnten. Am folgenden Montag, dem 1. September 1986, erschienen die Klägerinnen wieder an ihrem bisherigen Arbeitsplatz und verrichteten die gewohnte Tätigkeit für die Firma S*** Assanierungen, wo sie auch derzeit noch tätig sind. Die Klägerinnen begehrten die Zahlung der aus dem Spruch ersichtlichen, der Höhe nach nicht bestrittenen Beträge an Urlaubszuschuß, Weihnachtsremuneration und Abfertigung. Sie seien ungerechtfertigt entlassen worden.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Kunden ÖMV sei ein Einsatz der Klägerinnen auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich gewesen. Die Entlassung sei gerechtfertigt erfolgt, weil die Klägerinnen ohne Angabe von Gründen an ihrem neuen Arbeitsplatz nicht erschienen seien. Im weiteren brachte die beklagte Partei vor, das Verhalten der Klägerinnen sei als ungerechtfertigter Austritt zu qualifizieren. Die begehrten Ansprüche bestünden daher nicht zu Recht.
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerinnen ab. Es sei den Klägerinnen bewußt gewesen, daß nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen der ÖMV und der beklagten Partei der beklagten Partei keine Beschäftigungsmöglichkeit für sie an ihrem bisherigen Einsatzort zur Verfügung gestanden sei. Sie hätten jedoch ohne eine Auflösung des Arbeitsvertrages durch die beklagte Partei abzuwarten, Arbeitsverträge mit dem Nachfolgeunternehmen abgeschlossen. Dieses Verhalten der Klägerinnen sei als unberechtigter vorzeitiger Austritt zu qualifizieren. Unter diesen Umständen käme die Tatsache, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zum Einsatz der Klägerinnen nicht erteilt habe, keine Relevanz zu, zumal sich daraus, daß die Klägerinnen sofort neue Arbeitsverhältnisse eingegangen seien, ergebe, daß sie an einem eventuellen Prozeßausgang über die Frage der Zustimmung zur Versetzung nicht interessiert gewesen seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen nicht Folge und sprach - ohne jede substantielle Begründung - aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Aus der Natur des Arbeitsvertrages der Klägerinnen ergebe sich der Einsatz an verschiedenen Arbeitsorten. Im Fall der betrieblichen Notwendigkeit der Änderung des Einsatzortes sei unter diesen Umständen die Versetzung als direktoriale Maßnahme zulässig gewesen. Die Anordnung des Einsatzes der Klägerinnen an den von der beklagten Partei angebotenen Arbeitsplätzen sei wohl als Versetzung im Sinn des § 101 ArbVG rechtlich unwirksam gewesen, da die Zustimmung des Betriebsrates hiezu nicht vorgelegen sei. Die Klägerinnen wären jedoch verpflichtet gewesen, am alten Arbeitsort für die beklagte Partei arbeitsbereit zu sein. Dadurch, daß sie sofort mit einem neuen Arbeitgeber Arbeitsverträge geschlossen hätten, hätten sie zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht mehr für die beklagte Partei arbeiten wollten, und seien damit ohne Vorhandensein eines gesetzlichen Grundes ausgetreten. Die erhobenen Ansprüche bestünden daher nicht zu Recht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerinnen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil die Frage, welche Rechtsfolgen mit der Weigerung des Arbeitnehmers verbunden sind, eine rechtsunwirksame Versetzung zu befolgen, eine Rechtsfrage von wesentlicher Bedeutung ist, die bisher in der hier zutage tretenden Ausformung nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung war.
Die von der beklagten Partei vorgeschlagenen neuen Tätigkeiten, insbesondere jene bei der Firma H***, auf die sich das Angebot letztlich beschränkte, hätten eine nicht unbeträchtliche Änderung für die Klägerinnen mit sich gebracht. Sowohl Arbeitsort wie auch Arbeitszeit unterschieden sich von den bisherigen Tätigkeiten erheblich. Es wären damit längere Anfahrtswege und - bedingt durch Wartezeiten - ein höherer Zeitaufwand verbunden gewesen; auch bezüglich der Lagerung der Arbeitszeiten hätte sich die gesamte Zeiteinteilung verschoben. Die vorgesehene Art der Tätigkeit unterschied sich ebenfalls gegenüber dem bisherigen Einsatzbereich. Es kann unerörtert bleiben, ob durch die von der beklagten Partei angeordnete Verwendungsänderung in den zwischen den Streitteilen geschlossenen Arbeitsvertrag eingegriffen wurde oder ob die Versetzung im Rahmen dieses Vertrages als direktoriale Maßnahme zulässig war, weil auch im letzteren Fall im Hinblick auf die mit der Änderung verbundenen verschlechternden Bedingungen die Versetzung jedenfalls nur im Rahmen der Bestimmung des § 101 ArbVG zulässig gewesen ist.
Gemäß § 101 ArbVG in der damals in Geltung gestandenen Fassung bedurfte die dauernde Einreihung von Arbeitnehmern auf einen anderen Arbeitsplatz zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates, wenn mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes eine Verschlechterung der Entgelt- und sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden war. Bei der Anordnung der beklagten Partei, die Klägerinnen hätten sich am 1.September 1986 bei der Firma H*** zum Arbeitsantritt zu melden, handelte es sich um eine rechtsunwirksame Versetzung, zumal weder die aus den dargelegten Gründen notwendige Zustimmung des Betriebsrates noch eine diese Zustimmung ersetzende Entscheidung des Einigungsamtes vorlag. Schon aus diesem Grund waren die Klägerinnen nicht verpflichtet, der Anordnung Folge zu leisten. Das Verhalten der Klägerinnen, die dem Prokuristen der beklagten Partei bereits Ende August unter Anführung der hiefür maßgeblichen Gründe erklärten, daß sie die Arbeit bei H*** nicht antreten werden, und dann tatsächlich nicht zum Dienstantritt erschienen, sondern andere Arbeitsverträge abschlossen, ist als schlüssiger (§ 863 ABGB) Austritt zu qualifizieren. Dieser Austritt war mit Rücksicht auf das Beharren der beklagten Partei auf der rechtsunwirksamen Versetzung berechtigt, sodaß die der Höhe nach unbestrittenen Ansprüche der Klägerinnen zu Recht bestehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17426European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00165.89.0510.000Dokumentnummer
JJT_19890510_OGH0002_009OBA00165_8900000_000