Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Majda M***, Angestellte, Klagenfurt, Gurkerwirtstraße 9, vertreten durch Dr. Ulrich Polley und Dr. Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1.) G*** K***, 2.) Valentin
J***, Landwirt, Köttmannsdorf, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 120.000,-- s. A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3. Februar 1989, GZ. 5 R 12/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29. September 1988, GZ. 30 Cg 231/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,42 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.131,57 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin nahm am 26. Jänner 1986 in Wurdach an einem Faßdaubenrennen teil. Faßdauben sind der Teil eines Fasses und vorne und hinten aufgebogen. Sie verfügen über keine befestigten Seitenkanten und werden lediglich im Ristbereich mit einer Leder- oder Hanfschlaufe befestigt, sodaß die Fersen der Benützer frei sind. Die Klägerin kam im Ziel zu Sturz und verletzte sich schwer. Sie behauptet, daß die beklagten Parteien das Faßdaubenrennen veranstaltet hätten. Der ihr zur Verfügung gestellte Stock (Bremsstecken) sei zu dünn gewesen, sodaß sie auf dem Boden aufgesessen und schließlich zu Sturz gekommen sei. Der Zweitbeklagte habe es unterlassen, den der Klägerin zur Verfügung gestellten Bremsstecken auf seine Eignung zu prüfen. Die Klägerin begehrt ein Schmerzengeld von S 120.000 und die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für ihre künftigen Schäden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen veranstaltete die Freiwillige Feuerwehr K***-W*** unter ihrem Kommandanten, dem Zweitbeklagten, am 26. Jänner 1986 das alljährliche Faßdaubenrennen, zu dem mit einer Postwurfsendung eingeladen wurde. Die Klägerin hatte eine solche Postwurfsendung nicht erhalten. Sie war bereits im Jahr zuvor an dem Faßdaubenrennen als Zuschauerin dabei. Am 26. Jänner 1986 entrichtete sie das Nenngeld von S 20,-- und suchte sich unter den zur Verfügung gestellten Ausrüstungen zwei Faßdauben und einen Bremsstecken aus. Der Veranstalter hatte das beigestellte Material vor dem Rennen durchgesehen und, sofern erforderlich, auch repariert. Es wurde bewußt darauf geachtet, daß für alle Teilnehmer gleiche Bedingungen geschaffen werden. Die Bremsstecken waren aus Haselholz, 2 m lang, 3 bis 4 cm dick und so biegbar, daß sie nicht brechen konnten. Wenn die Stecken zu hart wären, bestünde die Gefahr, daß sie bei Bodenunebenheiten brechen. Der Schneebelag auf der Strecke war hart, der Untergrund zum Teil eisig, eine Bremsung war jedoch jederzeit möglich. Die meisten Stürze ereigneten sich im ersten Steilstück und in der Mitte der Strecke, wo ein Weg die Strecke quert. Dort standen auch die meisten Zuschauer, da sich dort "am meisten ereignete". Etwa 40 m vor dem Ziel befand sich ein Flachstück mit kleineren Unebenheiten, jedoch ohne Mulden. Dieser Auslauf erforderte eine höhere Geschwindigkeit, um bis ins Ziel durchzufahren. Ein Unfall mit Verletzungsfolgen war vor 1986 noch nie passiert. Die etwa 1,60 m große und etwa 50 kg schwere Klägerin bewältigte den Großteil der Strecke problemlos. Auf dem Flachstück vor dem Ziel drückte es sie aufgrund einer Mulde auf den Bremsstecken; sie rutschte, auf dem durchgebogenen, jedoch nicht gebrochenen Stecken aufsitzend, durch das Ziel, wo sie sich seitlich fallen ließ und verletzt liegenblieb.
Nach Auffassung des Erstgerichtes trete der Teilnehmer an einem sportlichen Wettkampf zum Veranstalter in ein Vertragsverhältnis. Der Veranstalter sei aufgrund dieses Verhältnisses verpflichtet, die nötigen Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Teilnehmer zu treffen. Habe der Veranstalter diese Vorkehrungen getroffen, müsse der Teilnehmer das mit der Ausübung des jeweiligen Sportwettkampfes verbundene Risiko selbst tragen. Der Klägerin hätte bekannt sein müssen, daß bei einem Faßdaubenrennen, der Urform des Schisports, mit Stürzen zu rechnen sei. Ein Verschulden der beklagten Parteien am Sturz der Klägerin sei nicht ersichtlich.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß das vom Veranstalter eines sportlichen Wettkampfes den Teilnehmern zur Verfügung gestellte Material einwandfrei und funktionstauglich sein müsse. Daß der der Klägerin zur Verfügung gestellte Bremsstecken diesen Erfordernissen nicht entsprochen habe, habe nicht festgestellt werden können. Die Biegsamkeit des Steckens sei kein Mangel, weil die bei Faßdaubenrennen verwendeten Bremsstecken biegsam sein müßten, um ihre Tauglichkeit zum Bremsen zu gewährleisten. Der Sturz der Klägerin falle in den Risikobereich des Teilnehmers an einer solchen Veranstaltung. Die Veranstalter habe auch keine Pflicht getroffen, die Klägerin in der Handhabung der Faßdauben und des Bremssteckens zu unterweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.
Es ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß der Veranstalter eines sportlichen Wettkampfes oder Bewerbes, durch den ein gefährlicher Zustand herbeigeführt wird, aufgrund der sich aus § 1295 ABGB ergebenden Verkehrssicherungspflicht auch gehalten ist, die zum Schutz der Teilnehmer erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1297 S 1288; Eichenberger, Zivilrechtliche Haftung des Veranstalters sportlicher Wettkämpfe 72 f; SZ 34/190; SZ 49/154; vgl. auch RZ 1981, 56). Diese Sorgfaltspflicht erstreckt sich auch auf das vom Veranstalter beigestellte Hilfsmaterial. Stellt der Veranstalter den Teilnehmern Sportgeräte, wenn auch nur aufgrund eines Leih- oder Gefälligkeitsverhältnisses, zur Verfügung, so ist er auch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß diese Geräte für die Ausübung der betreffenden sportlichen Tätigkeit geeignet und reglementkonform sind (vgl. Eichenberger aaO 127; Reichert, Grundriß des Sportrechts und des Sporthaftpflichtrechts 198). Verletzt der Veranstalter die ihn treffenden Sorgfaltspflichten, wird er dem Teilnehmer gegenüber haftpflichtig. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen werden beim Faßdaubenrennen üblicherweise zum Bremsen 3 bis 4 cm starke Stecken aus Haselholz verwendet, die biegsam sein müssen. Der der Klägerin zur Verfügung gestellte Bremsstecken entsprach diesen Anforderungen, sodaß die Vorinstanzen zu Recht eine Haftung der beklagten Parteien aus dem von der Klägerin zunächst angezogenen Haftungsgrund abgelehnt haben.
Über die obgenannten Pflichten hinaus treffen den Veranstalter dem Teilnehmer gegenüber in der Regel keine besonderen Schutzpflichten, insbesondere keine Pflichten zur Warnung und Belehrung (Reichert aaO). Wer an einer gefährlichen sportlichen Veranstaltung teilnimmt, nimmt das damit verbundene, in der Natur der betreffenden Veranstaltung gelegene Risiko, jedenfalls soweit er es kennt oder kennen muß, auf sich und handelt auf eigene Gefahr. Ihm wird eine Selbstsicherung zugemutet und die dem Gefährdenden sonst obliegenden Sorgfaltspflichten sind aufgehoben oder eingeschränkt (ZVR 1985/127; vgl. auch Eichenberger aaO 138; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 96). Der Veranstalter kann auch davon ausgehen, daß dem Teilnehmer die Handhabung der bei der betreffenden sportlichen Tätigkeit verwendeten Geräte geläufig ist. Beim Faßdaubenrennen handelt es sich, wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, um eine Urform des Schisports, die nur mehr zum Zwecke der Belustigung ausgeübt wird. Die hiebei verwendeten aufgebogenen Faßdauben verfügen über keine befestigten Seitenkanten und werden nur im Ristbereich mit einer Leder- oder Hanfschlaufe am Fuß befestigt. Das Bremsen erfolgt mittels eines Bremssteckens. Die Klägerin hatte an einem solchen Rennen schon einmal als Zuschauerin teilgenommen. Nach der Art und nach dem Charakter eines Faßdaubenrennens und aufgrund der hiebei verwendeten Geräte ist es für jedermann leicht erkennbar, daß er sich durch seine Teilnahme an einem solchen Rennen einer erhöhten Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit aussetzt. Die Veranstalter eines solchen Rennens trifft daher, entgegen der Meinung der Klägerin, keine besondere Warn- oder Belehrungspflicht.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17785European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00572.89.0518.000Dokumentnummer
JJT_19890518_OGH0002_0070OB00572_8900000_000