Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Theodor Zeh (Arbeitgeber) und Norbert Bartholomay (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Oswald S***, 7510 Hornwood - 303 E Houston, Texas 77036 USA, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** D*** A***, Friedrich
Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Höhe der Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Feber 1989, GZ. 33 Rs 272/88-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. August 1988, GZ. 2 Cgs 53/88-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur allfälligen Verfahrensergänzung und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Revisionskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom 4. Februar 1988 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf eine Alterspension ab 1. Jänner 1985 und setzte diese ab 1. Jänner 1985 mit S 1.796,50, ab 1. Jänner 1986 mit S 1.859,40, ab 1. Jänner 1987 mit S 1.930,10 und ab 1. Jänner 1988 mit S 1.930,10 fest. Als Beitragsgrundlage legte die beklagte Partei der Pensionsberechnung einen vorgemerkten Arbeitsverdienst des Klägers in der Zeit vom 1. Oktober 1934 bis 30. Juni 1935 von S 100 monatlich zugrunde.
In der dagegen erhobenen Klage brachte der Kläger, der dem begünstigten Personenkreis der §§ 500 f. ASVG angehört, vor, er sei von 1932 bis 1938 als Rechtsanwaltsanwärter in der Rechtsanwaltskanzlei Dris. Wilhelm P*** beschäftigt gewesen, wobei während der letzten drei Monate vor Eintritt des sozialversicherungsrechtlichen Nachteiles ein Arbeitsverdienst in den Unterlagen nicht vorgemerkt sei. Er habe durch seine Tätigkeit Ersatzzeiten gemäß § 229 Abs. 1 Z 2 ASVG erworben und sei nach § 9 ARÜG einzustufen. Die Beitragsgrundlage betrage demnach monatlich S 200 (alt). Die beklagte Partei sei daher schuldig, ihm ab 1. Jänner 1985 eine Alterspension von S 4.789,40 monatlich zu gewähren.
Die beklagte Partei wandte ein, es sei bei der Berechnung der Pensionshöhe nur von dem vorgemerkten Arbeitsverdienst von S 100 monatlich auszugehen.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1. Jänner 1985 eine Alterspension unter Zugrundelegung einer Einstufung von S 200 gemäß § 9 ARÜG zu gewähren. Es stellte im wesentlichen fest, daß der Kläger dem begünstigten Personenkreis der §§ 500 f. ASVG angehört. Er war im Jahre 1937 bis zum Einmarsch der deutschen Truppen im März 1938, also mehr als drei Monate, in der Rechtsanwaltskanzlei Dris. Wilhelm P*** als Konzipient mit Legitimationsurkunde beschäftigt.
Während der letzten drei Monate vor Eintritt des sozialversicherungsrechtlichen Nachteiles sei ein Arbeitsverdienst in den Unterlagen nicht vorgemerkt. Die Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter sei eine qualifizierte Arbeit im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. b ARÜG, der Kläger sei daher, bezogen auf das Jahr 1939, mit S 200 monatlich einzustufen.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger ab 1. Jänner 1985 eine höhere Alterspension als die im Bescheid vom 4. Februar 1988 festgesetzte, insbesondere eine unter Zugrundelegung einer Einstufung von S 200 gemäß § 9 ARÜG zu gewähren, abwies.
Die Beweisrüge könne auf sich beruhen, weil die Klage schon aus rechtlichen Gründen auch ausgehend vom festgestellten Sachverhalt nicht berechtigt sei. Auch wenn der Kläger unvorgemerkt in den letzten drei Monaten vor Eintritt des sozialversicherungsrechtlichen Nachteiles als Rechtsanwaltsanwärter gearbeitet haben sollte, gebühre ihm eine Pension nur unter Zugrundelegung einer Einstufung in Höhe der vorgemerkten S 100 monatlich. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur 38. ASVG-Novelle ergebe sich, daß der Gesetzgeber wegen gegenteiliger Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Wien mit der Neuformulierung des § 251 Abs. 4 ASVG klargestellt wissen wollte, daß zur Bildung der Beitragsgrundlage, wenn vorgemerkte Arbeitsverdienste aus einer Versicherungszeit vor dem Eintritt des Nachteiles in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen, in welcher zeitlichen Lagerung auch immer vorlägen, nur diese heranzuziehen seien und nur dann, wenn überhaupt keine Beschäftigung ausgeübt worden sei, der Betrag von S 7 pro Kalendertag (S 210 für den Kalendermonat) als Beitragsgrundlage gelte. Auch wenn die neuerliche Novellierung des § 251 Abs. 4 ASVG durch die 38. Novelle noch immer an Deutlichkeit zu wünschen übrig lasse, seien die vom Gesetzgeber beabsichtigten Normvorstellungen mit dem Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres in Einklang zu bringen. Da keine teleologischen Bedenken entgegenstünden, sei nur vom vorgemerkten Arbeitsverdienst auszugehen, eine Einstufung nach § 9 ARÜG komme nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung berechtigt.
§ 251 Abs. 4 ASVG bot infolge seiner Textierungen mehrfach Auslegungsschwierigkeiten, die durch die 35. und in der Folge durch die 38. ASVG-Novelle beseitigt werden sollten. Bis zur 35. ASVG-Novelle lautete § 251 Abs. 4 wie folgt: Zeiten, für die nach § 114 Abs. 4 des Sozialversicherungsüberleitungsgesetzes 1943 idF der 3. Novelle BGBl. Nr. 165/1954 oder nach § 502 Abs. 4 oder 5 Beiträge entrichtet oder die auf Grund dieser Bestimmungen beitragsfrei berücksichtigt wurden, gelten als Beitragszeiten der Pflichtversicherung in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem der Versicherte vor der Auswanderung zuletzt Beitrags- oder Ersatzzeiten nachweist; lassen sich auf Grund dieser Bestimmung die Beitragszeiten keinem Zweig der Pensionsversicherung zuordnen, gelten sie als Beitragszeiten der Pensionsversicherung der Angestellten. Als Beitragsgrundlage gilt der Arbeitsverdienst, der im Durchschnitt der letzten drei Versicherungsmonate vor dem Kalendermonat, in dem der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen (§ 500) eingetreten ist, vorgemerkt ist; ist ein Arbeitsverdienst in den Unterlagen nicht vorgemerkt, gilt als Arbeitsverdienst ein Betrag in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes gleichartig Beschäftigter. Wurde eine Beschäftigung noch nicht ausgeübt, gelten als Beitragsgrundlage S 7 für den Kalendertag (S 210 für den Kalendermonat).
Mit der 35. Novelle wurden die Bestimmungen über die Beitragsgrundlage (§ 251 Abs. 4 zweiter Satz) wie folgt geändert:
Als Beitragsgrundlage gilt der Arbeitsverdienst, der im Durchschnitt der letzten drei Versicherungsmonate vor dem Kalendermonat, in dem der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen (§ 500) eingetreten ist, vorgemerkt ist; liegen weniger als drei Versicherungsmonate vor, ist der durchschnittliche Arbeitsverdienst der zwei bzw. der Arbeitsverdienst des einen Versicherungsmonates heranzuziehen; ist ein Arbeitsverdienst in den Unterlagen nicht vorgemerkt, gelten als Beitragsgrundlage die im § 9 Abs. 1 Z 1 und 2 des ARÜG BGBl. Nr. 290/1961 idF des Bundesgesetzes vom 5. April 1982, BGBl. Nr. 114/1962, angeführten und nach der Art der zurückgelegten Zeiten in Betracht kommenden Beträge; wurde vor Eintritt des Nachteiles in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen keine Beschäftigung ausgeübt, gelten als Beitragsgrundlage S 7 für den Kalendertag (S 210 für den Kalendermonat). In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (535 BlgNR 15.GP, 28) wird die Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien (17 R 283/77) zitiert, nach der die ersatzweise vorgesehene Beitragsgrundlage von S 7 bzw. S 210 für die Durchschnittsberechnung auch heranzuziehen sei, wenn sich die letzten drei Versicherungsmonate vor dem Kalendermonat, in dem der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen eingetreten sei, teilweise aus Beschäftigungszeiten und teilweise aus Studienzeiten zusammensetze. Das Gesetz unterscheide zwei Fälle der Ermittlung der Beitragsgrundlagen: Gehe der Zeit der Emigration eine Beschäftigung voran, gelte als Beitragsgrundlage der Durchschnitt des in den letzten drei Versicherungsmonaten vor Eintritt des Nachteiles erzielten Arbeitsverdienstes bzw. des Arbeitsverdienstes gleichartig Beschäftigter. Sei noch keine Beschäftigung ausgeübt worden, gelte als Beitragsgrundlage ein Betrag von S 7 täglich oder S 210 monatlich. Für Fälle, in denen weniger als drei Versicherungsmonate vorlägen, fehle eine klare gesetzliche Regelung. In diesem Fall sei zur Auffüllung auf diese Zahl anteilig von der im letzten Satz dieser Gesetzesstelle angeführten Beitragsgrundlage auszugehen.
Durch diese Änderung sollte nunmehr eindeutig geklärt werden, daß zur Bildung der Beitragsgrundlage die Arbeitsverdienste von höchstens drei Versicherungsmonaten heranzuziehen seien, d.h. bei drei Monaten gelte ein Drittel der Summe der Arbeitsverdienste, bei zwei Monaten die Hälfte der Summe der Arbeitsverdienste und bei einem Monat der Arbeitsverdienst dieses Monates als Beitragsgrundlage. Nur dann, wenn überhaupt keine Beschäftigung ausgeübt worden sei, gelte der Betrag von S 210 als Beitragsgrundlage. Weiters sei im Zuge einer Verwaltungsvereinfachung und einer erstrebenswerten Gleichbehandlung bei Nichtvormerkung eines Arbeitsverdienstes den üblichen Arbeitsverdienst gleichartig Beschäftigter heranzuziehen, abgegangen und die für Ersatzzeiten nach § 229 Abs. 1 Z 1 und 4 ASVG geltende Regelung (ARÜG-Werte) auch in den § 251 Abs. 4 ASVG aufgenommen worden.
Damit aber hat der Gesetzgeber - eben so wenig wie das Oberlandesgericht Wien in der zitierten Entscheidung - nicht zwischen vorgemerkten Zeiten und anderen Arbeitsverdiensten (Ersatzzeiten nach § 229 ASVG) unterschieden, sondern lediglich Beschäftigungszeiten mit vorgemerkten und nicht vorgemerkten Arbeitsverdiensten den Zeiten gegenüberstellt, in denen vor der Auswanderung überhaupt keine Beschäftigung ausgeübt wurde. Da das Oberlandesgericht Wien auf Grund der Textierung in der Folge die Ansicht vertrat, zur Bildung der Beitragsgrundlage könnten die vorgemerkten Arbeitsverdienste nur dann herangezogen werden, wenn sie in den letzten drei Monaten vor Eintritt des sozialversicherungsrechtlichen Nachteiles gelegen waren nicht aber dann, wenn sie zu einem früheren Zeitpunkt erzielt wurden und in den letzten drei Monaten keine Beschäftigung sondern (konkret) Studienzeiten vorlagen (31 R 310/81), wurde mit der 38. ASVG-Novelle § 251 Abs. 4 zweiter Satz neuerlich wie folgt geändert: Als Beitragsgrundlage gilt der Arbeitsverdienst, der im Durchschnitt der letzten drei Beitragsmonate der Pflichtversicherung bzw. Ersatzmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit (§ 229 Abs. 1) vor dem Kalendermonat, in dem der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen (§ 500) eingetreten ist, vorgemerkt ist; liegen weniger als drei Versicherungsmonate der genannten Art vor, ist der durchschnittliche Arbeitsverdienst der zwei bzw. der Arbeitsverdienst des einen Versicherungsmonates heranzuziehen. Ist ein Arbeitsverdienst in den Unterlagen nicht vorgemerkt, gelten als Beitragsgrundlage die in § 9 Abs. 1 Z 1 und 2 des ARÜG .... angeführten und nach der Art der zurückgelegten Zeiten in Betracht kommenden Beträge. Wurden vor Eintritt des Nachteiles in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen keine Versicherungsmonate der genannten Art erworben, gelten als Beitragsgrundlage S 7 für den Kalendertag (S 210 für den Kalendermonat). In den Erläuternden Bemerkungen 1310 BlgNr 15.GP, 16 wird neuerlich auf die Erläuterungen zur 35. Novelle, insbesondere auf den Konnex zwischen Arbeitsverdienst und Versicherungsmonaten verwiesen und weiters ausgeführt, daß zur Bildung der Beitragsgrundlage für Zeiten gemäß § 502 Abs. 4 ASVG jene drei letzten Versicherungsmonate vor dem Eintritt des Nachteiles in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen heranzuziehen sind, in denen ein Arbeitsverdienst und somit eine Beschäftigung vorliegt. Da diese Rechtsansicht von der Rechtsprechung nicht geteilt wurde (Oberlandesgericht Wien 31 R 310/81), soll durch die vorgeschlagene Änderung nunmehr klargestellt werden, daß zur Bildung der Beitragsgrundlage, wenn vorgemerkte Arbeitsverdienste aus einer Versicherungszeit vor dem Eintritt des Nachteiles in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen, in welcher zeitlichen Lagerung auch immer vorliegen, nur diese heranzuziehen sind und nur dann, wenn überhaupt keine Beschäftigung ausgeübt worden ist, der Betrag von S 7 für den Kalendertag (S 210) für den Kalendermonat als Beitragsgrundlage gilt. Auch wenn die Formulierung in den Erläuterungen neuerlich (offenbar, weil nur die Rechtsmeinung des Oberlandesgerichtes widerlegt werden sollte und es in der konkreten Entscheidung um vorgemerkte Arbeitsverdienste ging) nicht eindeutig gewählt wurde, weil hinsichtlich der zeitlichen Lagerung nur von "vorgemerkten Arbeitsverdiensten" die Rede ist, so wird doch auch hier nur darauf verwiesen, daß Zeiten, in denen ein Arbeitsverdienst und somit eine Beschäftigung vorliegt, bei der Bildung der Bemessungsgrundlage jedenfalls zu berücksichtigen sind und § 251 Abs. 4 letzter Satz nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn überhaupt keine Beschäftigung ausgeübt worden ist.
Durch die nunmehr festgelegte Formulierung "als Beitragsgrundlage gilt der Arbeitsverdienst, der im Durchschnitt der letzten drei Monate der Pflichtversicherung bzw. Ersatzmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit (§ 229 Abs. 1 vor dem Kalendermonat, in dem der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen eingetreten ist, vorgemerkt ist", wurde klargestellt, daß Beitragsmonate und Ersatzmonate nach § 229 Abs. 1 grundsätzlich gleich zu behandeln sind, wenn es sich um Ersatzmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit handelt. Grundsätzlich soll daher der Arbeitsverdienst der letzten drei Versicherungsmonate herangezogen werden. Ist ein solcher vorgemerkt, so gilt in erster Linie dieser vorgemerkte Arbeitsverdienst, fehlt eine Vormerkung, ist § 9 Abs. 1 Z 1 und 2 ARÜG heranzuziehen. Auf weiter zurückliegende vorgemerkte Zeiten wäre zur Bildung der Beitragsgrundlage nur dann zurückzugreifen, wenn danach nicht Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate nach § 229 Abs. 1 ASVG, mögen diese auch nicht vorgemerkt sein, liegen, sondern nur Zeiten in denen überhaupt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde. Es ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Kläger Ersatzzeiten im Sinne des § 229 Abs. 1 ASVG erworben hat. Nach § 229 Abs. 1 Z 2 gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem 1. Jänner 1956 in der Pensionsversicherung der Angestellten die vor dem 1. Jänner 1939 und nach Vollendung des 15. Lebensjahres gelegenen Zeiten einer Beschäftigung als Angestellter, während derer nach dem Stand der Vorschriften vom 31. Dezember 1938, abgesehen von der Vorschrift über das Mindestalter von 17 Jahren und der Ausnahme der Lehrlinge von der Versicherungspflicht, die Pflichtversicherung in der Angestellten(pensions-)versicherung begründet wurde, soweit sie nicht schon als Beitragszeiten zählen.
Zum 31. Dezember 1938 war die Pflichtversicherung in der Angestelltenversicherung durch das Bundesgesetz betreffend die gewerbliche Sozialversicherung (GSVG), wiederverlautbart in BGBl. 1938/1 geregelt. Gemäß dessen § 1 regelte das Gesetz die Versicherung der im Inland auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses berufsmäßig beschäftigten Personen für die Fälle der Krankheit, der Invalidität, des Alters und des Todes sowie für die Folgen eines Arbeits(dienst)unfalles und die Arbeitslosen- und Altersfürsorge für diesen Personenkreis. Unabhängig vom Willen der Beteiligten, der Erstattung der Anmeldung beim Versicherungsträger und von Beitragszahlungen, trat die Versicherung mit dem Eintritt in das die Versicherung begründende Beschäftigungsverhältnis ein. Ob ein Arbeits- oder Dienstverhältnis vorlag, war nach dem wirtschaftlichen Sachverhalt zu beurteilen. Eine "berufsmäßige Beschäftigung" lag vor, wenn eine gewisse regelmäßige, beständig wiederkehrende Tätigkeit, die einen Erwerbszweck beinhaltete ausgeübt wurde, der Dienstnehmer vereinbarungsgemäß verpflichtet war, seine Zeit und seine Arbeitskraft regelmäßig und in nennenswertem Ausmaß nach den Weisungen des Dienstgebers in Eingliederung in dessen Betrieb gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen (Kerber, Die gewerbliche Sozialversicherung 1936, 8 mwN). Die Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung war in § 223 GSVG im einzelnen festgelegt. Danach war gemäß Abs. 1 lit. j Versicherungspflicht für Personen, die im Inland bei einem oder mehreren Dienstgebern vorwiegend zu Diensten angestellt waren, für die eine über das Lehrziel der Hauptschule wesentlich hinausgehende allgemeine Bildung erforderlich war. Die Tätigkeit eines gegen Entgelt regelmäßig beschäftigten Rechtsanwaltsanwärters fällt nicht unter die in § 224 GSVG von der Angestelltenversicherungspflicht ausgenommenen Beschäftigungen, wie z.B. jene der Notariatskandidaten (§ 224 Abs. 1 Z 13), die von der Versicherungspflicht ausgenommen wurden, weil deren Versicherung durch das Bundesgesetz vom 28. Oktober 1926 idF der Verordnung BGBl. 1934 I Nr. 70 gesondert geregelt war. Rechtsanwaltsanwärter waren daher, entgegen der Ansicht der beklagten Partei, in der Angestelltenversicherung pflichtversichert (Kerber aaO 382; so auch der Verwaltungsgerichtshof zu der dem § 223 Abs. 1 lit. j GSVG entsprechenden Bestimmung des § 1 Abs. 1 lit. i AngVG 1928:
VwGHSlg. 15.495 !A , Nr. 17.367 !A ). So sah auch die Regierungsvorlage zur Stammfassung des ASVG entsprechend der bis dahin bestandenen Regelung für Rechtsanwaltsanwärter die Vollversicherung vor (599 BlgNR 7.GP, 5: "Die in den Kanzleien der Rechtsanwälte tätigen Rechtsanwaltsanwärter werden als Dienstnehmer bereits durch § 4 Abs. 1 Z 1 für die Vollversicherung erfaßt"). Erst der Ausschuß fsV hat die Rechtsanwaltsanwärter in § 5 aus der Vollversicherung ausgenommen, weil nach einer Darstellung der Wiener Rechtsanwaltskammer, die auch vom Wiener Konzipientenverband unterstützt wurde, die Notwendigkeit einer Vollversicherung nicht bestehe (MGA ASVG 47. Erglfg. 142).
Wenn daher der Kläger in den letzten drei Monaten vor Eintritt des sozialversicherungsrechtlichen Nachteiles regelmäßig gegen Entgelt als Rechtsanwaltsanwärter im Inland beschäftigt gewesen sein sollte, hätte er durch diese Beschäftigung Ersatzzeiten gemäß § 229 Abs. 1 Z 2 ASVG erworben, als Beitragsgrundlage für die Pensionsbemessung wäre nach § 251 Abs. 4 ASVG der in § 9 Abs. 1 Z 2 lit. b ARÜG angeführte Betrag von S 200 (alt) monatlich heranzuziehen.
Da das Berufungsgericht wegen seiner abweichenden rechtlichen Beurteilung die Beweisrüge der beklagten Partei, welche die vom Erstgericht festgestellte Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwaltsanwärter von 1937 bis zum 13. März 1938 ausdrücklich bekämpft hat, nicht erledigt hat, wird dies im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
Die Entscheidung über den Vorbehalt der Revisionskosten beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E18398European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00177.89.0829.000Dokumentnummer
JJT_19890829_OGH0002_010OBS00177_8900000_000