Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S***, Kaufmann, 3350 Stadt Haag, Bahnhof Nr. 12, vertreten durch Dr. Johannes Riedl, Rechtsanwalt in Haag, wider die beklagten Parteien 1. Günther D***, Arbeiter, 4441 Behamberg, Wanzenöd 153, 2. L*** N***, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 82.747 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Dezember 1983, GZ 13 R 243/88-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 13. Juli 1988, GZ 6 Cg 132/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte mit seiner am 16. März 1988 eingebrachten Klage 82.747 S sA als Ersatz für vom Erstbeklagten (Bediensteten der Zweitbeklagten) an einem LKW des Klägers verursachten Schaden. Der LKW sei der Zweitbeklagten am 20. Mai 1986 zum Transport von Bankettmaterial vermietet worden. Der Erstbeklagte sei von der Straßenmeisterei Haag für die Ladetätigkeit zur Verfügung gestellt worden. Er hätte auftragsgemäß bei der Entladung jeweils Kippernägel umstecken sowie die Bordwände öffnen und schließen sollen. Dabei habe er durch unrichtiges Umstecken der Kippernägel den Kipperaufbau beschädigt.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß der Erstbeklagte dem LKW-Lenker die entsprechenden Abladestellen zu zeigen gehabt hätte. Die Kippernägel habe er lediglich über Ersuchen des Lenkers, der für die Bedienung des LKWs einschließlich der Kipphydraulik verantwortlich gewesen sei, bedient. Der Lenker habe daher den Schaden selbst zu vertreten. Er hätte nämlich bei gehöriger Aufmerksamkeit den Schaden verhindern können. Trotz Zurufs durch den Erstbeklagten habe aber der LKW-Lenker den hydraulischen Hebevorgang reaktionslos fortgesetzt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme lediglich auf Grund des Parteivorbringens ab und führte zur Rechtsfrage aus, gemäß § 1111 ABGB müßten Schäden an dem vermieteten LKW binnen einem Jahr nach Rückstellung eingeklagt werden. Bis zur Klage seien aber fast zwei Jahre verstrichen, sodaß das Klagebegehren wegen Verfristung abzuweisen gewesen sei. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos; das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei, und führte aus, nach seinem diesbezüglichen Sachvorbringen habe der Kläger den LKW zum Transport von Bankettmaterial vermietet. Ein Werkvertrag läge nur dann vor, wenn er lediglich die eigenverantwortliche Herbeiführung des von der Zweitbeklagten gewünschten Arbeitserfolges mit dem LKW übernommen hätte. Miete liege hingegen selbst unter Beistellung des Lenkers (diesbezüglich Dienstverschaffungsvertrag) vor, wenn der Arbeitserfolg nach dem Ermessen des Bestellers herbeigeführt werden sollte. Aus der Behauptung des Klägers, er habe den LKW an die Zweitbeklagte zum Transport von Bankettmaterial vermietet, ergebe sich überhaupt kein Hinweis auf einen Werkvertrag. Nach seinem maßgeblichen Vorbringen sollte vielmehr ein Bediensteter der Zweitbeklagten nicht nur mit dem Be- und Entladen des LKWs betraut, sondern auch für das Öffnen und Schließen der Bordwände sowie für das Umstecken der Kippernägel am LKW selbst verantwortlich gewesen sein. Daraus lasse sich keine eigenverantwortliche Herstellung eines allein im Ermessen des Klägers liegenden Arbeitserfolges ableiten. Soweit sich der Berufungswerber auf die Entscheidung SZ 49/48 stütze, übersehe er, daß dort der Transport eines Baggers von einem Bahnhof zu einer Baustelle auf einem Tieflader gerade deshalb als Werkvertrag qualifiziert wurde, weil der Unternehmer die Transportstrecke vorerst abgefahren sei und sich erst dann entschieden habe, den Transport zu übernehmen. Gerade solche Voraussetzungen lägen aber im vorliegenden Fall nicht vor. Das Erstgericht sei daher schon auf Grund des Klagevorbringens zutreffend von einem Mietvertrag ausgegangen, weshalb eine Sachverhaltsfeststellung im Sinne der vorstehenden Ausführungen unterbleiben konnte. Werde ein Miet- oder Pachtstück beschädigt oder durch Mißbrauch abgenützt, so hafteten gemäß § 1111 ABGB Mieter und Pächter sowohl für ihr eigenes, als auch des Unterbestandnehmers Verschulden (nicht aber für Zufall), doch müsse der Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen einem Jahr nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern; sonst sei das Recht erloschen. Der Zweck dieser Bestimmung bestehe - ebenso wie bei der korrespondierenden Vorschrift des § 1097 ABGB - vor allem darin, nach Beendigung des Bestandverhältnisses und der Rückstellung des Bestandgegenstandes möglichst rasch Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche der Vertragspartner zu schaffen. Deswegen handle es sich bei dieser Frist auch nicht um eine Verjährungs-, sondern um eine von Amts wegen wahrzunehmende Präklusivfrist. Diese sei bei Einbringung der Klage längst abgelaufen gewesen. Handle es sich um die Vermietung des Fahrzeuges, ändere daran auch die Beistellung von Dienstpersonal seitens des Vermieters nichts an der Qualifikation als Sachmiete. Auch im Fall des in SZ 49/48 zitierten Krans sei vom Vermieter ein Kranführer beigestellt worden, doch hinderte dies weder die Annahme, daß der Kran in die tatsächliche Gewalt des Mieters gelangte, noch, daß es sich um Sachmiete (verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag) handelte. Es genüge also, daß der LKW nachher wieder in die ausschließliche Verfügungsgewalt des Klägers gelangt sei. Daß dies erst Monate nach dem Schadenereignis am 20. Mai 1986 gewesen sein solle, lasse sich dem Klagsvorbringen unter Berücksichtigung des behaupteten Vermietungszwecks nicht entnehmen. Der Berufungswerber mache weiters geltend, daß die Präklusivfrist des § 1111 ABGB dem Erstbeklagten nicht zugute komme. Nach Lehre und Rechtsprechung hafte aber der Bestandnehmer nicht nur für das Verschulden des im Gesetzestext erwähnten Unterbestandnehmers, sondern auch für das Verschulden jener Personen, die nach dem Vertragszweck mit der Bestandsache beschäftigt waren. Dazu gehörten unter anderem Familienangehörige und Dienstleute des Mieters. Habe aber die Bestimmung des § 1111 ABGB den Zweck, die gegenseitigen Ansprüche der unmittelbaren Vertragsparteien auch hinsichtlich jener Schäden möglichst rasch zu klären, für die der Bestandnehmer nur deswegen hafte, weil sie von Personen verschuldet wurden, die vom Vertragszweck analog dem Unterbestandnehmer seiner Benützungssphäre zugerechnet werden, müsse der erwähnte Zweck der Präklusivbestimmung auch auf die Schadenersatzpflicht dieses Personenkreises angewendet werden. Denn auch Ausnahmebestimmungen, wie die im § 1111 ABGB enthaltene Präklusivfrist, seien im Rahmen ihres engeren Zweckes ausdehnend auszulegen oder der Analogie fähig. Solle nach dem Willen des Gesetzgebers der mit zunehmendem Abstand zur Rückstellung immer schwieriger festzustellende Sachverhalt für Ansprüche des Bestandgebers durch Beschädigung am Bestandgegenstand gegenüber dem Bestandnehmer möglichst rasch aufgeklärt werden, gelte dies umsomehr für Ansprüche gegenüber jenem Personenkreis, der mit Willen des Bestandnehmers und nach dem Vertragszweck mit der Bestandsache zu tun habe. Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB, die dem Mieter den Beweis des fehlenden Verschuldens, nicht aber auch das Fehlen der übrigen Voraussetzungen (Kausalität ua) für den Schadenersatzanspruch des Vermieters auferlege, könne aber nicht der alleinige Zweck der raschen Entlastung des Mieters nach Rückstellung des Bestandgegenstandes sein. Einerseits gelte § 1298 ABGB auch für die Verletzung anderer Verträge; andererseits gelte die Präklusivfrist des § 1111 ABGB nicht für alle Ansprüche des Vermieters aus der Verletzung des Mietvertrages, sondern nur für die Beschädigung der Bestandsache selbst. Daraus werde klar, daß die Präklusivfrist des § 1111 ABGB hauptsächlich den Beweisschwierigkeiten auf beiden Seiten Rechnung trage, die mit dem Gewahrsamewechsel bei der Rückstellung des Bestandgegenstandes geradezu typischerweise entstehen. Daß aber durch den Bestandvertrag nicht nur die Vertragspartner unmittelbar geschützt werden, sondern auch jene Personen, die der Interessensphäre eines Vertragspartners (hier des Mieters) angehörten, sei in Lehre und Rechtsprechung unbestritten. Der Kläger behaupte selbst, daß der Erstbeklagte als Bediensteter der Zweitbeklagten nach dem Vertragszweck mit der Bedienung des LKWs wenigstens zum Teil betraut war. Eine mit der vertraglichen Verwendung des LKWs nicht im Zusammenhang stehende, deliktische Haftung des Erstbeklagten behaupte er gar nicht. Demgemäß sei auch der gegenüber dem Erstbeklagten geltend gemachte Ersatzanspruch präkludiert.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO) und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Der Kläger führt in seiner Revision - neben einer Bekämpfung der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Pflicht des § 1111 ABGB auch für Ansprüche gegenüber jenen Personen gelte, für deren Verschulden der Mieter hafte, im vorliegenden Fall also für den Erstbeklagten - insbesondere auch aus, daß das Berufungsgericht den gegenständlichen Vertrag zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten unrichtig als Mietvertrag beurteilt habe; bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Berufungsgericht vielmehr zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß es sich um einen Werkvertrag handle; so hätten die Beklagten in der Klagebeantwortung im Zusammenhang mit dem Abladen des LKWs vorgebracht, diesen Umstand habe allein der Kläger zu verantworten, weil er für das Abladen verantwortlich gewesen sei. Bereits dieses Vorbringen zeige deutlich, daß selbst die Beklagten davon ausgegangen seien, daß ein Werkvertrag, und nicht - wie dies vom Berufungsgericht angenommen wurde - ein Mietvertrag vorgelegen sei. Das Mietverhältnis setze begrifflich eine Sache voraus, die in die tatsächliche Gewalt des Mieters gelange. Im gegenständlichen Fall sei vereinbart worden, daß der Kläger mit einem LKW samt Fahrer ordnungsgemäße Transportleistungen erbringe, jedoch nach Auftrag und Weisung der Zweitbeklagten. Es sei demnach davon auszugehen, daß der LKW vom Kläger tatsächlich nicht der Zweitbeklagten bzw. der zuständigen Straßenmeisterei übergeben worden sei. Die Zweitbeklagte habe auch während des Zeitraums der Transportfahrt das Benzin nicht bezahlt. Der LKW sei durch einen Dienstnehmer des Klägers immer in dessen Besitz und Gewahrsam gewesen.
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Beide Vorinstanzen sind allein auf Grund des Parteivorbringens vom Vorliegen eines Mietvertrages zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten hinsichtlich des LKWs, an dem der Schaden entstanden ist, ausgegangen. Für die Abgrenzung des Mietvertrages vom Werkvertrag ist maßgebend, daß der Bestandvertrag den Gebrauch einer Sache vermitteln soll. Danach kommt es in den Fällen, in welchen fremde Sachen zur Herbeiführung eines Arbeitserfolges benützt werden, darauf an, ob dieser Erfolg von dem bewirkt werden soll, für dessen Zwecke die Sache verwendet wird, oder von dem Eigentümer. So ist etwa die Verwendung einer Dreschmaschine oder eines Transtors Miete, wenn die Maschine im Betriebe eines Gutsbesitzers verwendet wird, aber Werkvertrag, wenn die Arbeit vom Maschineneigentümer oder dessen Angestellten nach eigenem Ermessen geleistet wird (Klang in Klang2 V, 13). Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu verstehen, wenn es in der zitierten Kommentarstelle weiter heißt, "Beistellung eines Fahrzeuges mit Bedienungsmann ist in der Regel Miete". Das Mietverhältnis setzt begrifflich eine Sache voraus, die sein Gegenstand ist und die in die tatsächliche Gewalt des Mieters gelangt (Riezler, Der Werkvertrag in rechtsvergleichender Darstellung, Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, 1952, 522 ff). Demgemäß wurde zB auch das Zurverfügungstellen eines Krans samt Kranführer zum Gebrauch nach Belieben des Berechtigten gegen Entgelt als Sachmiete, verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, beurteilt (3 Ob 558/55). Der Vertrag über die Beförderung einer Person oder Sache gegen Entgelt ist aber Werkvertrag, auch wenn das Entgelt nicht für das Werk im Ganzen bemessen, sondern auch wenn dafür die aufgewendete Zeit als maßgebend vereinbart wird (Adler-Höller in Klang2 V, 167). Werden fremde Sachen, also zB technische Hilfsmittel, zur Herbeiführung eines Arbeitserfolges benützt, also zB zum Transport einer Sache von einem Ort zu einem anderen, dann ist für die Abgrenzung zwischen Miet- und Werkvertrag maßgebend, ob diese technischen Hilfsmittel im Einzelfall dem Kunden für bestimmte Zeit gegen Entgelt zum Gebrauch überlassen oder aber vom Unternehmer selbst zur eigenverantwortlichen Herbeiführung des vom Besteller gewünschten Arbeitserfolges verwendet werden (vgl. SZ 49/48 ua). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall reicht aber entgegen der Ansicht der Vorinstanzen das Parteivorbringen zur abschließenden rechtlichen Beurteilung der zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten hinsichtlich des LKWs abgeschlossenen Vereinbarung nicht aus; insbesondere kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob diese Vereinbarung als Bestandvertrag zu qualifizieren ist, was Voraussetzung für die Anwendung des § 1111 ABGB wäre; daß die Streitteile in ihrem Vorbringen von einer "Anmietung" des LKWs ausgingen, ist für die rechtliche Qualifikation der Vereinbarung nicht ausschlaggebend (vgl. SZ 44/18 ua). Im Hinblick auf die bestehenden Feststellungsmängel erweist sich daher die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen als unvermeidbar. Im fortgesetzten Verfahren werden zunächst die zur abschließenden rechtlichen Beurteilung des zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten hinsichtlich des LKWs bestehenden Vertragsverhältnisses erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen sein; da derzeit noch nicht einmal feststeht, ob die Bestimmung des § 1111 ABGB überhaupt zur Anwendung kommt, ist eine rein hypothetische Stellungnahme zur Frage des persönlichen Anwendungsbereiches dieser Vorschrift - insbesondere hinsichtlich des Erstbeklagten - als verfrüht entbehrlich; ebenso kann erst auf Grund einer entsprechenden Sachverhaltsgrundlage über die Haftung der Beklagten für den am LKW entstandenen Schaden abgesprochen werden.
Der Revision war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E18652European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00548.89.0912.000Dokumentnummer
JJT_19890912_OGH0002_0020OB00548_8900000_000