Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Egermann, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Walter M*** Gesellschaft mbH & Co KG, Breitenau, Fabriksstraße 20 a, vertreten durch Dr.Ernst Fasan und Dr.Wolfgang Weinwurm, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei E*** M*** KG,
Böblingen, Tübingerstraße 81, vertreten durch Dr.Peter Avancini, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 12.Juni 1989, GZ R 220/89-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 6.März 1989, GZ 2 Nc 301/89-3, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird in der Hauptsache dahin abgeändert, daß der Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses wiederhergestellt wird.
Im Kostenausspruch wird der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die gefährdete Partei ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen hat. Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab dem Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden nur Gegnerin) die Einziehung der Bankgarantie der Wr.Neustädter Sparkasse (im folgenden nur Sparkasse) über DM 1,040.000 und der Sparkasse die Auszahlung des Garantiebetrages untersagt werde, im wesentlichen statt. Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung im Ausspruch über das Zahlungsverbot. In Ansehung des Einziehungsverbotes änderte es die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es den darauf gerichteten Antrag der gefährdeten Partei zurückwies. Das Rekursgericht sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt.
Nach dem unstrittigen und von den Vorinstanzen als bescheinigt
angenommenen Sachverhalt bestellte die gefährdete Partei bei ihrer
Gegnerin eine Lackieranlage in zwei Baustufen. Im vereinbarten
Lieferumfang ist auch die Inbetriebnahme der Baustufe II durch das
Personal der Gegnerin enthalten. Bezüglich der zweiten Baustufe
wurde vereinbart, daß 10 % des Gesamtpreises von DM 1,300.000 bei
Auftragsbestätigung, 80 % spätestens 3 Monate nach Lieferende und
die restlichen 10 % zwei Monate nach der zweiten Rate zu bezahlen
sind. Die Bezahlung der zweiten Rate wurde durch eine im Vertrag als
Bankbürgschaft bezeichnete Haftungserklärung der Sparkasse
gesichert. Die Haftungserklärung der Sparkasse ist als Garantie für
einen Betrag von DM 1,040.000 bezeichnet und enthält die
Verpflichtung der Sparkasse, auf erste schriftliche Anforderung
entweder unter Vorlage eines Prüfungsberichtes einer unabhängigen
Kommission ... oder spätestens am 15.3.1989 gegen Vorlage einer
Bestätigung der Gegnerin, daß die gefährdete Partei die fällige Rate
nicht bezahlt hat, und gegen Vorlage einer Ausführungsgarantie der
Gegnerin über DM 390.000 ... Zahlung zu leisten. Die Garantie wurde
mit der Rückstellung des Garantiebriefes, spätestens jedoch mit 31.3.1989 befristet. Die Gegnerin hat die Garantie unter Vorlage einer Bestätigung über die Fälligkeit (Variante 2 der Garantieerklärung) in Anspruch genommen, hatte zum 16.2.1989 jedoch wesentliche, zum Lieferumfang der Baustufe II gehörige Bauteile noch nicht geliefert. Nach den Vertragsbedingungen gilt zwischen den Streitteilen österreichisches Recht.
Nach der Auffassung des Rekursgerichtes handle es sich bei der Haftungserklärung der Sparkasse um eine abstrakte Bankgarantie. Der Anspruch des Garantieauftraggebers, eine unberechtigte Garantieinanspruchnahme zu unterlassen, könne durch einstweilige Verfügung (Verbot der Unterlassung der Inanspruchnahme an den Begünstigten und Zahlungsverbot an die Bank) dann gesichert werden, wenn die Inanspruchnahme evident rechtsmißbräuchlich sei und die rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme liquide und eindeutig nachgewiesen werden könne. Letzteres sei der gefährdeten Partei gelungen. Die durch die Bankgarantie gesicherte zweite Rate sollte nach der Vereinbarung der Streitteile erst 3 Monate nach vollständiger Lieferung fällig werden. Selbst wenn daher nach dem 16.2.1989 eine Nachlieferung der zu diesem Zeitpunkt noch fehlenden wesentlichen Bauteile erfolgt sein sollte, könnte die Fälligkeit der zweiten Rate frühestens mit 17.5.1989 eingetreten sein. Die von der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Abrufung der Bankgarantie am 27.2.1989 ausgestellte Bestätigung der Fälligkeit der zweiten Rate sei daher unrichtig. Die Inanspruchnahme der Garantie mit Hilfe einer unrichtigen Erklärung stelle einen Rechtsmißbrauch dar. Ein Ausspruch des begehrten Einziehungsverbotes sei jedoch unzulässig. Die Gegnerin habe ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Nach herrschender Ansicht sei eine im Ausland zu vollziehende einstweilige Verfügung nicht zu erlassen, soferne nicht aufgrund multilateraler oder bilateraler Verträge der Vollzug einer inländischen einstweiligen Verfügung im Ausland möglich sei. Gemäß Art. 14 Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und anderen öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen sei dieser Vertrag - abgesehen von den in Abs 2 zugunsten von Unterhalts- und anderen Geldleistungen getroffenen Ausnahmen - nicht auf einstweilige Verfügungen anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den abändernden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit wiederholt ausgesprochen hat, können einstweilige Verfügungen grundsätzlich auch gegen Personen mit dem Wohnsitz (Sitz) in der Bundesrepublik Deutschland erlassen werden. Gemäß Art. 14 des österreichisch-deutschen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages, BGBl. 1960/105, können von österreichischen Gerichten erlassene einstweilige Verfügungen - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - in der Bundesrepublik Deutschland zwar nicht vollstreckt werden. Ihre Erlassung ist aber nicht sinnlos, weil davon ausgegangen werden kann, daß sich der Antragsgegner - auch wenn eine zwangsweise Durchsetzung gegen ihn nicht möglich wäre - an ein solches Verbot hält. Daraus folgt aber, daß dem Gegner der gefährdeten Partei auch aus einer (im Ausland) nicht zwangsweise durchsetzbaren einstweiligen Verfügungen Nachteile (§ 390 Abs 1 EO) drohen können. Der dadurch entstandene Schaden ist ihm zu ersetzen, wenn der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch, für den die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wird oder ihr Ansuchen sich sonst als ungerechtfertigt erweist (SZ 57/169; SZ 52/100; ÖBl. 1983, 70). In der Entscheidung SZ 59/128, aus der das Rekursgericht eine Bekräftigung der gegenteiligen Ansicht ableitete, war jedoch nicht diese Frage, sondern die der Zuständigkeit nach § 387 Abs 2 EO ausschlaggebend. Die Zuständigkeit nach § 387 Abs 2 EO ist hier jedenfalls zu bejahen. Wird eine einstweilige Verfügung durch Drittverbot gegen eine Person beantragt, für die im Inland ein allgemeiner Gerichtsstand in Streitsachen nicht begründet ist, so ist hiefür das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Drittschuldner seinen Wohnsitz, Sitz oder Aufenthalt hat (Heller-Berger-Stix4 2815). Daß die obgenannten neueren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Wettbewerbssachen ergangen sind, hat auf die grundsätzliche Frage der Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung bei Wohnsitz oder Sitz des Gegners im Ausland keinen Einfluß. Es ist zwar richtig, daß der Zweck des Provisorialverfahrens nicht darin liegt, die Grundlage für allfällige künftige Ersatzansprüche zu schaffen, sondern darin, den Hauptanspruch zu sichern. Dieses Ziel kann aber erreicht werden, wenn sich der Antragsgegner an das, wenn auch zwangsweise nicht durchsetzbare Verbot hält. NUr Ersatzansprüche eines solchen Antragsgegners haben die Vorentscheidungen (insbesondere SZ 57/169) im Auge, nicht aber Ersatzansprüche eines Antragsgegners, der ein Einziehungsverbot übertritt. Es ist daher der zitierten Rechtsprechung zu folgen, daß Art. 14 Abs 1 des österreichisch-deutschen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen Personen mit dem Wohnsitz (Sitz) in der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegensteht.
Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß eine einstweilige Verfügung zulässig ist, wenn der Begünstigte die Bankgarantie rechtsmißbräuchlich in Anspruch nimmt, entspricht der ständigen Rechtsprechung (Bankarchiv 1988, 609 mwN). Die Bejahung der Eindeutigkeit und Evidenz des von der gefährdeten Partei zu erbringenden Nachweises über den Rechtsmißbrauch ist ein Akt der richterlichen Beweiswürdigung. Zu billigen ist jedenfalls die Ansicht des Rekursgerichtes, daß eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme vorlag. Die Abberufung der Bankgarantie aufgrund einer bewußt unrichtigen Erklärung über die Fälligkeit des Anspruchs stellt einen Rechtsmißbrauch dar (Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 II 310).
Unerörtert bleiben kann die Frage, ob dem Begünstigten die Inanspruchnahme einer befristeten Bankgarantie über die Garantiefrist hinaus untersagt werden darf (vgl. Koziol, Bankarchiv 1986, 492). Die gefährdete Partei begehrte hier nach bereits erfolgter Abberufung lediglich ein Einziehungsverbot. Beim Einziehungsverbot bestehen aber die gegen das Verbot der Inanspruchnahme gerichteten Bedenken nicht (Konecny, Grundlagen der einstweiligen Verfügungen gegen den Mißbrauch von Bankgarantien in BankArch. 1989 783; Mülbert, Mißbrauch von Bankgarantien und einstweiliger Rechtsschutz 160 f).
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der gefährdeten Partei auf § 393 EO, hinsichtlich der Gegnerin der gefährdeten Partei auf den §§ 78 und 402 EO und auf den §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E18579European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00658.89.0928.000Dokumentnummer
JJT_19890928_OGH0002_0070OB00658_8900000_000