TE OGH 1989/12/13 1Ob688/89

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Veröffentlicht am 13.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jutta F***, geboren am 14. April 1961 in Mörfelden-Walldorf, Bundesrepublik Deutschland, Kürschnerin, Linz, Schumannstraße 61, vertreten durch Dr. Hubert Schauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Manfred F***, geboren am 19. Juni 1950 in Linz, Landesgerichtliches Gefangenhaus Linz, Außenstelle Asten, vertreten durch Dr. Wolfgang Pils, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1989, GZ 18 R 474/89-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 13. April 1989, GZ 4 C 18/88-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.793,20 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 1.132,20 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 10.10.1986 vor dem Standesamt Linz die Ehe. Die Klägerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland, der Beklagte österreichischer Staatsbürger. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt war in Linz.

Der mehrfach vorbestrafte Beklagte befindet sich seit 15.5.1987 in mehrjähriger Strafhaft. Zuerst war er in der Außenstelle des Landesgerichtlichen Gefangenhauses Asten angehalten. Von Mitte September bis 22.12.1987 war der Beklagte in der Strafanstalt Suben untergebracht. Seither sitzt er wieder in der Außenstelle des Landesgerichtlichen Gefangenhauses Linz in Asten ein. Die Klägerin besuchte den Beklagten regelmäßig in den Haftanstalten, sie schrieb ihm auch eine Reihe von Briefen. Vor der Eheschließung hatte der Beklagte der Klägerin von seinen sämtlichen Vorstrafen erzählt. Die Klägerin hielt auch während der Haft anfangs zum Beklagten. Sie wollte auf ihn warten, bis er wieder aus der Haft entlassen werde. Die Klägerin hat dem Beklagten alle früher begangenen Eheverfehlungen verziehen.

Die Klägerin begehrt mit der am 7.3.1988 zu Protokoll gegebenen Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. In der Klage macht sie, was auf Grund von Verzeihung für das Revisionsverfahren nicht mehr von Relevanz ist, als Eheverfehlungen geltend, der Beklagte habe ihr nichts davon erzählt, daß er bedingt verurteilt worden sei, welcher bedingte Strafaufschub nunmehr widerrufen worden sei. Der Beklagte sei auch während des Vollzuges der Freiheitsstrafe wegen Betruges zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Sie sei nunmehr nicht bereit, auf den Beklagten so lange zu warten. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. 5. 1988 brachte die Klägerin ergänzend vor, der Beklagte sei grundlos eifersüchtig. Das grundlos eifersüchtige Verhalten des Beklagten mache ihr die Fortsetzung der Ehe aus nervlichen Gründen nicht möglich.

Der Beklagte wendete zu den zuletzt genannten Vorwürfen ein, es sei zwar richtig, daß er eifersüchtig sei, er habe aber nur den Verdacht geäußert, daß die Klägerin ehewidrige Beziehungen unterhalte, er habe auch angenommen, daß sie zu ihrem früheren Freund zurückkehren werde. Für den Fall der Scheidung der Ehe erhob der Beklagte einen Mitschuldantrag. Die Klägerin wolle sich nur deshalb scheiden lassen, weil sie ehewidrige Beziehungen unterhalte. Die Klägerin treffe die überwiegende Mitschuld.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Es stellte fest: Schon vor Mitte September 1987 sei der Beklagte eifersüchtig gewesen. Er habe der Klägerin vorgehalten, sie gehe mit Arbeitskolleginnen abends aus. Während einer Haftunterbrechung vom 1.9. bis zum 3.9.1987 seien die Streitteile übersiedelt. Dabei sei ihnen Christian B***, ein gemeinsamer Freund, behilflich gewesen. Als die Klägerin und Christian B*** im Begriff gewesen seien, ein schweres Möbelstück wegzuheben, sei der Beklagte in die Wohnung gekommen und habe gefragt, warum sie so lange brauchen. Als die Klägerin wegen einer Kleinigkeit gelacht habe, habe sie der Beklagte zur Seite genommen und gefragt, sie lache soviel in Gegenwart des Christian B***, sie sei doch mit ihm verheiratet. Diese Äußerungen seien aus Eifersucht auf Christian B*** geschehen. Die Eifersucht des Beklagten habe sich nach seiner Haftüberstellung nach Suben verstärkt. Er habe die Klägerin des öfteren grundlos beschuldigt, sie hätte ehebrecherische Verhältnisse zu anderen Männern. Sei die Klägerin bei einem Besuch schlecht aufgelegt gewesen, habe der Beklagte daraus sofort geschlossen, die Klägerin sei am Abend ausgegangen und habe ihn betrogen. Insbesondere habe er der Klägerin vorgeworfen, sie sei wieder mit ihrem früheren Lebensgefährten zusammen. Einen konkreten Anhaltspunkt dafür habe der Beklagte nicht gehabt. Der Beklagte sei nicht einmal damit einverstanden gewesen, daß die Klägerin sich mit ihren Nachbarn treffe, um Karten zu spielen. Er habe auch kritisiert, daß ein Nachbar ihr bei Arbeiten in der Wohnung geholfen habe. Nachdem die Klägerin die Ehescheidungsklage eingebracht habe, habe der Beklagte ihr vorgeworfen, sie hätte ein Verhältnis zu Christian B***. Im Februar 1988 habe der Beklagte der Klägerin vorgeworfen, sie habe mit Harald N***, einem ehemaligen Zellengenossen des Beklagten, ein ehebrecherisches Verhältnis. Die Klägerin sei mit Männern abends nicht ausgegangen. Wenn sie beim Spaziergang einen Bekannten getroffen habe, sei es vorgekommen, daß sie mit diesem ein Lokal besucht habe, um Kaffee zu trinken. Ehewidrige Beziehungen der Klägerin zu anderen Männern hätten nicht festgestellt werden können. Die Klägerin sei während der Haftzeit des Beklagten nervlich angegriffen gewesen. Sie habe Beschwerden in der Magengegend gehabt. Deshalb hätten sie die grundlosen Vorwürfe des Beklagten sehr getroffen. Sie habe ihm auch des öfteren gesagt, daß sie krank sei, und habe ihn ersucht, von seinen Vorwürfen Abstand zu nehmen. Dazu sei noch gekommen, daß sie die mit der Haft des Beklagten im Zusammenhang stehenden Probleme an ihrem Arbeitsplatz ständig habe verschweigen müssen. Der Beklagte habe durch sein Verhalten die Ehe so tief zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zumindest aus der Sicht der Klägerin, nicht mehr erwartet werden könne. Die Zerrüttung der Ehe sei im Laufe der ersten zwei Monate des Jahres 1988 eingetreten. Die Klägerin habe den Beklagten zuletzt Anfang März 1988 besucht.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe auch nach der Verzeihung durch die Klägerin sein ehewidriges Verhalten fortgesetzt; er sei grundlos eifersüchtig gewesen. Die grundlose Beschuldigung, die Klägerin unterhalte ehebrecherische Verhältnisse zu anderen Männern, stelle eine schwere Eheverfehlung dar. Dem Beklagten sei sein grundlos eifersüchtiges Verhalten umso mehr vorzuwerfen, als ihm die Klägerin des öfteren gesagt habe, daß sie nervlich angegriffen sei und Beschwerden in der Magengegend habe. Die Klägerin habe ihn deshalb auch ersucht, von seinen Vorwürfen Abstand zu nehmen. Dadurch habe der Beklagte die Ehe unheilbar zerrüttet. Eheverfehlungen der Klägerin lägen nicht vor. Der Beklagte erhob Berufung. Darin bekämpfte er die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nur insoweit, als dieses feststellte, der Beklagte habe der Klägerin anläßlich ihrer Besuche im Gefangenhaus Beziehungen zu anderen Männern vorgeworfen, der Beklagte habe die Klägerin durch seine Fragen nicht persönlich verletzen wollen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Die Beweisrüge des Beklagten sei nicht berechtigt. Die Klägerin habe in der am 7.3.1988 vor dem Erstgericht zu Protokoll gegebenen Klage als Eheverfehlungen nur geltend gemacht, daß sie zwar von einer Verurteilung des Beklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr gewußt habe, der Beklagte ihr jedoch verschwiegen habe, daß er bereits zuvor wegen desselben Deliktes verurteilt worden sei, weiters daß der Beklagte schon vor der Eheschließung Schulden eingegangen und keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen sei, durch dieses Verhalten des Beklagten sei die Ehe tiefgreifend zerrüttet. Das Erstgericht habe unbekämpft festgestellt, daß die Klägerin dem Beklagten diese Eheverfehlungen verziehen habe. Die Klägerin habe erst nach dem Einwand der Verzeihung in der Streitverhandlung vom 11.5.1988 auch das grundlos eifersüchtige Verhalten des Beklagten zum Scheidungsgrund gemacht. Weil die Klägerin das eifersüchtige Verhalten des Beklagten und die Vorwürfe ehewidriger Beziehungen zu anderen Männern nicht sofort als Scheidungsgrund geltend gemacht habe, sondern dies erst zu einem Zeitpunkt getan habe, in dem ihr offenbar bewußt geworden sei, daß sie infolge Verzeihung die Scheidungsklage nicht auf die anderen Scheidungsgründe werde stützen können, sei der Schluß berechtigt, daß das eifersüchtige Verhalten und die damit im Zusammenhang stehenden Vorwürfe von der Klägerin zunächst nicht als ehezerstörend empfunden worden seien. Das Erstgericht habe auch festgestellt, daß die Ehe bereits in den ersten Monaten des Jahres 1988 tiefgreifend zerrüttet gewesen sei. Dies sei zum Teil auch eine rechtliche Schlußfolgerung, die durchaus zutreffend sei, weil die Klägerin bereits am 7.März 1988 die Scheidungsklage eingebracht und den Beklagten Anfang März 1988 das letzte Mal besucht habe und es nach der Rechtsprechung genüge, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren habe. Eine unheilbare Zerrüttung liege vor, wenn die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden geistig-seelisch-körperlichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei. Die Wiederherstellung einer derartigen Lebensgemeinschaft sei, da die Klägerin aus der Ehe wegstrebe und die Scheidung begehre, infolge der Trennung der Ehegatten seit Mai 1987 tatsächlich nicht mehr zu erwarten. Die Vorwürfe des Beklagten könnten noch nicht als schwere Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG gewertet werden. Diese hätten zum einen den Ehewillen der Klägerin nicht oder nur wenig oder nur im Zusammenhang mit den bereits verziehenen Eheverfehlungen negativ beeinflussen können, zum anderen habe die Klägerin auf Grund der Vorhaltungen des Beklagten nicht annehmen dürfen, daß dieser selbst an der Fortsetzung der Ehe nicht interessiert sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Der Scheidungsgrund nach § 49 EheG setzt ua voraus, daß die festgestellten Eheverfehlungen objektiv schwer sind und subjektiv als ehezerstörend empfunden wurden (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 49 EheG). Schwer ist eine Eheverfehlung dann, wenn sie im allgemeinen und objektiv in den Lebens- und Berufskreis der Ehegatten bei einem selbst mit nachsichtiger Gesinnung erfüllten und daher zur Nachsicht bereiten Ehegatten eine völlige Entfremdung herbeiführen würden (EFSlg 54.353, 48.726, 41.180 uva). Grundlose Eifersucht, die geeignet ist, eine Entfremdung herbeizuführen, stellt unter diesen Voraussetzungen nach ständiger Rechtsprechung eine solche schwere Eheverfehlung dar (EFSlg 54.368, 24.973, 15.844, 2235 ua, zuletzt 7 Ob 710, 711/88; vgl. Pichler aaO Rz 3). Gerade weil die Klägerin die Absicht hatte, ungeachtet der mehrjährigen Freiheitsstrafe des Beklagten nach seiner Haftentlassung die Ehe fortzusetzen, dies in einer Reihe von an ihn gerichteten Briefen und durch ihre häufigen Besuche auch bekundete, mußte sie die nach den Feststellungen völlig grundlosen Vorwürfe des Beklagten, sie habe ehewidrige Beziehungen zu einer Reihe von Männern, umso schwerer treffen. Die wiederholt an den Tag gelegte grundlose Eifersucht des Beklagten war daher objektiv sehr wohl geeignet, eine Entfremdung zwischen den Streitteilen herbeizuführen. Liegen aber schwere Eheverfehlungen des Beklagten vor, ist er dafür beweispflichtig, daß diese Eheverfehlungen von der Klägerin nicht als ehezerstörend empfunden worden waren (EFSlg 20.488; EvBl 1966/239; 6 Ob 600/89). Der Beklagte behauptete aber nur, keine Eheverfehlungen begangen zu haben. Er brachte nicht vor, die Klägerin habe sein Verhalten nicht als ehezerstörend empfunden. Das Erstgericht stellte vielmehr fest, die grundlosen Vorwürfe des Beklagten hätten die Klägerin schwer getroffen, sie habe den Beklagten wegen ihrer gesundheitlichen Beschwerden auch (ergebnislos) ersucht, von seinen Vorwürfen Abstand zu nehmen. Ob ein Verhalten als ehezerstörend empfunden wurde, ist ein innerer Vorgang, der auf Grund freier Beweiswürdigung festzustellen ist. Es handelt sich um eine tatsächliche Feststellung, an die auch der Oberste Gerichtshof gebunden ist (EFSlg 25.833, 20.822, 14.261, EvBl 1966/239; Schwind, Eherecht2 242; Pichler aaO Rz 4 zu § 56 EheG). Der Beklagte ließ diese Feststellungen des Erstgerichtes aber unangefochten. Gemäß § 498 Abs 1 ZPO hatte dann das Berufungsgericht die durch die geltend gemachten Berufungsgründe nicht berührten Ergebnisse der Beweisführung des Erstgerichtes seiner Entscheidung zugrundezulegen (SZ 59/6; ZVR 1979/178; Fasching, Kommentar IV 221). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist dann aber verfehlt, wenn es, noch dazu ohne Beweiswiederholung, von einem vom Erstgericht abweichenden Sachverhalt ausging. Legt man aber die unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes der Entscheidung zugrunde, hat die Klägerin die schweren Eheverfehlungen des Beklagten auch subjektiv als ehezerstörend empfunden. Sämtliche Voraussetzungen des § 49 EheG sind damit gegeben. Eine Mitschuld der Klägerin kann aus dem festgestellten Sachverhalt nicht abgeleitet werden. Der Revision ist Folge zu geben. Das angefochtene Urteil ist dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19443

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00688.89.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19891213_OGH0002_0010OB00688_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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