TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/23 2005/09/0040

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Veröffentlicht am 23.11.2005
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §92 Abs1;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/09/0065

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerden des W in W, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen die Bescheide der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt I.) vom 16. Februar 2005, Zl. 24/6-DOK/05, betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung der Suspendierung (hg. Zl. 2005/09/0040) und II.) vom 10. März 2005, Zl. 112/11- DOK/04, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung (hg. Zl. 2005/09/0065), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je EUR 51,50 (gesamt EUR 103,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen im Gesamtschalterdienst verwendeten Beamten der Österreichischen Post AG.

ad I.) Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 24. Juni 2004 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert und die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluss der Kinderzulage - auf zwei Drittel verfügt.

     In der Begründung führte die Behörde ua. aus, der

Erhebungsdienst (ED) der Öst. Post AG habe am 21. Juni 2004

fernmündlich bekannt gegeben, dass am Postamt (PA) ... Wien Münzen

aus den Münzkassetten von öffentlichen Fernsprechanlagen

widerrechtlich entnommen worden wären. Einer der Hauptverdächtigen

sei der Beschwerdeführer, der seit 4. September 1989 im Postdienst

beschäftigt, zuletzt im Universalschalterdienst des PA ... Wien

verwendet worden und seit ca. einem Jahr auch mit der Entleerung der Münzkassetten von öffentlichen Fernsprecheinrichtungen betraut sei. Es sei in letzter Zeit zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Ermittlungen des ED hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer sich zumindest am 14., 15., 16. und 18. Juni 2004 Gelder aus den Münzkassetten angeeignet habe. Bei der ersten Einvernahme durch den ED sei der Beschwerdeführer geständig gewesen, sich seit ca. vier Wochen Gelder aus den Münzkassetten widerrechtlich angeeignet zu haben.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2004 brachte der Beschwerdeführer vor, über ihn sei mit Disziplinarerkenntnis vom 29. September 2004 die Disziplinarstrafe der Geldbuße gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 in der Höhe von EUR 3.000,-- verhängt worden. Er habe dieses Disziplinarerkenntnis unangefochten gelassen, während die Disziplinaranwältin dagegen Berufung erhoben und die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung gefordert habe. Da die Disziplinarkommission befunden habe, dass nichts Entscheidendes gegen den Verbleib des Beschwerdeführers im Dienststand der Öst. Post AG spreche, seien die Voraussetzungen für eine Suspendierung und Bezugskürzung weggefallen, weshalb er die Aufhebung beider Maßnahmen beantrage. Zudem sei seine wirtschaftliche Lage äußerst prekär, wenngleich noch keine absolute Existenzgefährdung gegeben sei.

Mit Spruchpunkt 1.) des erstangefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde den Antrag auf Aufhebung der Suspendierung gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 ab und leitete (Spruchpunkt 2.) den Antrag auf Aufhebung der Bezugskürzung gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 gemäß § 6 Abs. 1 AVG iVm § 105 BDG 1979 an die in erster Instanz zuständige Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen weiter.

Die belangte Behörde begründete ua., dass nur die Disziplinaranwältin, und zwar gegen Art bzw. Ausmaß der im Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz verhängten Disziplinarstrafe, berufen habe. Der Schuldspruch sei demnach in Rechtskraft erwachsen. Damit sei der im Suspendierungsbescheid vom 24. Juni 2004 aufgezeigte Tatverdacht erhärtet. Genüge bereits der bloße (konkrete, begründete und substantiierte) Verdacht des Vorliegens einer gewichtigen (schwer wiegenden) Dienstpflichtverletzung (d.h. einer solchen , die ihrer Art nach geeignet sei, das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Amtes zu gefährden), eine Suspendierung zu tragen, so müsse dies umso mehr für den Fall gelten, als ein derartiger Verdacht durch einen rechtskräftigen disziplinären Schuldspruch bereits erhärtet sei. Die Öst. Post AG sei auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Beamten und sonstigen Bediensteten im Umgang mit amtlich anvertrauten Geldern in hohem Maß angewiesen, weil eine lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters nicht möglich sei.

Der Beschwerdeführer habe wiederholt vorsätzlich rechtswidrige Angriffe gegen fremdes Vermögen gesetzt. Es handle sich um die Begehung besonders schwer wiegender, nicht zu bagatellisierender Dienstpflichtverletzungen, die den Kernbereich der Dienstpflichten des Beschwerdeführers, zu denen der Respekt vor fremden Vermögenswerten zähle, beträfen. Der wiederholte vorsätzliche Zugriff des Beschwerdeführers auf fremde Gelder während eines Zeitraumes von mehr als zwei Wochen deute darauf hin, dass der Beschwerdeführer nicht bei sämtlichen dienstlichen Aufgabenstellungen imstande sei, den Verlockungen zu widerstehen, die ihm die Zugriffsmöglichkeit auf amtlich anvertraute Vermögenswerte einräumten. Dies wäre für ihn als kassenführenden Schalterbeamten aber geboten. Mit diesen Taten habe der Beschwerdeführer einen schweren Vertrauensbruch zu verantworten. Es seien dem Beschwerdeführer die Wiedergutmachung des Schadens, seine geständige Verantwortung, seine disziplinäre Unbescholtenheit und eine 15-jährige, bisher anstandslose Dienstverrichtung durchaus zuzubilligen. Diese Umstände seien jedoch allenfalls bei der Strafbemessung im Rahmen des eigentlichen Disziplinarverfahrens heranzuziehen.

ad II.) Mit Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz vom 29. September 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich in der Zeit vom 2. Juni bis 18. Juni 2004 mehrmals Geldbeträge aus den Münzkassetten der öffentlichen Fernsprechzellen angeeignet und nicht der ordnungsgemäßen Verrechnung zugeführt. Dadurch habe er gegen die einschlägigen Bestimmungen des Kassen- und Verrechnungsdienstes und gegen die Pflicht des Beamten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zu Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 BDG 1979), sowie gegen die Pflicht des Beamten, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe (§ 43 Abs. 2 BDG 1979), verstoßen und somit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 BDG 1979 begangen. Es wurde die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- verhängt.

In der Begründung führte die Behörde erster Instanz ua. aus, dass durch eine Kontrolle der Münzkassetten seitens der Filialleitung seit 4. Juni 2004 Differenzen zwischen den Gesamtsummen der Filialleitung und den tatsächlich verrechneten Beträgen in den Rechnungen über die Einnahmen der öffentlichen Münzfernsprecher festgestellt worden seien. In der Folge sei hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer, der für die Verrechnung der Einnahmen aus den Münzkassetten verantwortlich gewesen sei, am 3., 4., (richtig laut Niederschrift vom 21. Juni 2004: 2., 3.), 14., 15., 16. und 18. Juni 2004 jeweils der Höhe nach bestimmte Geldbeträge aus den Münzkassetten der Telefonzellen entnommen und sich angeeignet habe. Da der verursachte Schaden vom Beschwerdeführer ersetzt worden sei, sei keine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet worden.

Ausschließlich gegen die Art (das Ausmaß) der in diesem Bescheid verhängten Strafe erhob die Disziplinaranwältin Berufung, der Beschwerdeführer brachte kein Rechtsmittel ein. Der Schuldspruch ist deshalb in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem nunmehr zweitangefochtenen Bescheid verhängte die belangte Behörde die Disziplinarstrafe der Entlassung. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Respektierung fremden Eigentums durch die im Bereich der Öst. Post AG beschäftigten Bediensteten, welche - wie der Beschwerdeführer - in sämtlichen Bereichen ihrer Tätigkeit mit fremden Vermögenswerten in Berührung kämen bzw. denen solche anvertraut würden, oberstes Gebot zur Aufrechterhaltung des Betriebes sei. Ein wie der Beschwerdeführer im kassenführenden Schalterdienst der Post verwendeter Beamter, der sich unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten im (rechtskräftig festgestellten) Zeitraum von 17 Tagen wiederholt und gezielt (vorsätzlich) Geldbeträge um des eigenen Vorteils willen rechtswidrig aneigne und auf diese Weise das Unternehmen Österreichische Post AG in Bereicherungsabsicht schädige, sei als Beamter nicht mehr tragbar, weil durch derartige schwerwiegende Straftaten nicht nur das für die Erfüllung der Aufgaben der Post AG unerlässliche Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit wesentlich zerstört werde. Der entscheidende Gesichtspunkt sei hierbei, dass sich die Unternehmensleitung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Beamten und sonstigen Bediensteten bei deren Dienstausübung verlassen müsse, weil eine lückenlose Kontrolle jedes einzelnen Mitarbeiters bzw. Arbeitsvorganges nicht möglich sei. Im Fall einer derart starken und nachhaltigen Belastung des Vertrauensverhältnisses sei es notwendig, den betreffenden Beamten aus dem Dienst zu entlassen.

Die von der Behörde erster Instanz bzw. vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände und Milderungsgründe, nämlich die bisherige straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, das dienstliche Wohlverhalten während der 15-jährigen rechtschaffenen und tadellosen Dienstleistung des Beschwerdeführers, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dem von ihm - ohnehin erst nach Tatentdeckung - abgelegten Geständnis, der - ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt - erfolgten Schadensgutmachung und einer "allfälligen" Existenzgefährdung seien angesichts der Art und Schwere der vorliegendenfalls begangenen Straftaten insgesamt nicht von entscheidendem Gewicht. Wer als kassenführender Schalterbeamter die für das Funktionieren des Unternehmens Öst. Post AG unabdingbare Vertrauensgrundlage unter Missachtung der grundlegenden Bestimmungen des Kassen- und Verrechnungsdienstes zum Eigennutz durch während des genannten Zeitraumes von 17 Tagen wiederholt getätigte Zugriffe auf fremdes, ihm dienstlich anvertrautes Vermögen zerstöre, entspreche einem mit den rechtlichen Werten verbundenen Beamten in keiner Weise und mache sich für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis untragbar.

Gegen Spruchpunkt 1.) des erstangefochtenen Bescheides und den zweitangefochtenen Bescheid richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

ad I.): zum Antrag auf Aufhebung der Suspendierung:

Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwer wiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwer wiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z. B. bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas. Dagegen liegt das dienstliche Interesse, und zwar sowohl vor wie auch nach Aufklärung, bei Verfehlungen auf der Hand, die in der Regel zur Disziplinarstrafe der Entlassung führen. Denn darin kommen eine so erhebliche Unzuverlässigkeit und ein so schwerer Vertrauensbruch zum Ausdruck, dass der Verwaltung und der Allgemeinheit bis zur Klärung und zum Abschluss des Falles eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2001/09/0012).

Die Begründung zu der im gegenständlichen Fall ausgesprochenen und in der Folge aufrecht erhaltenen Suspendierung bezieht sich auf alle jene Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers, die schließlich auch zum Ausspruch seiner Entlassung geführt haben. Der für die Suspendierung bloß erforderliche "Verdacht" ist in einem solchen Fall als "besonders verdichtet" zu bezeichnen.

Als weitere Begründung verweist der Verwaltungsgerichtshof zur Vermeidung von Wiederholungen auf die unten zu II.b) folgenden Ausführungen zum zweitangefochtenen Bescheid.

Das - auf die Entscheidung der Behörde erster Instanz vom 29. September 2004 - gestützte Vorbringen des Beschwerdeführers ist demnach nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Im Übrigen ist diese Entscheidung im Umfang der Strafbemessung nicht in Rechtskraft erwachsen.

ad II.): zur Entlassung:

a) Der Beschwerdeführer rügt, er habe die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt, um der belangten Behörde "das notwendige persönliche Bild von mir vermitteln zu können, auch um dort selbst bzw. durch meinen Verteidiger weitere Ausführungen machen zu können". Die belangte Behörde habe "nicht einmal die Tatsache dieses gestellten Antrages erwähnt, geschweige, dass sie die Entbehrlichkeit der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung bzw. die Abweisung des Antrages ausgesprochen und irgendwie begründet hätte."

Damit übersieht der Beschwerdeführer, dass im zweitangefochtenen Bescheid auf dessen S. 8 der Antrag des Beschwerdeführers erwähnt und auf S. 18 begründet wird, dass von der beantragten Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung "gemäß § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 Abstand genommen werden" könne.

Gemäß § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet. Ein derartiger Fall liegt hier vor; das Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des Absehens von der Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung aufzuzeigen.

b) Kern der weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers ist sein Vorbringen, die Tat sei nicht so schwerwiegend, als dass nicht mit der von der Behörde erster Instanz verhängten Geldstrafe das Auslangen gefunden werden könne. Er habe aus einer "situativ bedingten Verlockung gehandelt, der" er "aus purem Leichtsinn und Unbesonnenheit nach bereits jahrelanger, auch diesbezüglich korrekt ausgeübter, Tätigkeit kurzfristig erlegen" sei. "Die mehrfachen Zugriffe in wenigen Tagen bei 15-jähriger Dienstzeit" seien "ein Indiz für die Singularität" seiner Verfehlung.

Er übersieht, dass ihm nach der von ihm unterfertigten Niederschrift vom 21. Juni 2004 einleitend die gegen ihn bestehenden Verdachtsmomente vorgehalten worden sind. Schon im Hinblick auf diesen bereits an dem der letzten festgestellten Unregelmäßigkeit (18. Juni 2004) folgenden Montag erfolgten Vorhalt und den sechs innerhalb eines kurzen Zeitraumes stattgefundenen Angriffen auf fremdes Vermögen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, dass die Begründung der belangten Behörde zur Schwere der Taten, die eben nicht von bloß "kurzfristiger Unbesonnenheit" und "Singularität" (im Sinne der oben wiedergegebenen Beschwerdeausführungen) der Angriffe ausging, rechtswidrig sei.

Denn die Disziplinarstrafe der Entlassung ist keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter fordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis.

Auch wenn die Disziplinarstrafe der Entlassung nicht der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, so handelt es sich dabei doch um eine Strafe. Die Frage, ob durch die Verfehlung des Beamten das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen diesem und der Verwaltung zerstört wurde, ist auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Auch hier hat die Disziplinarkommission zunächst am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 geboten ist. Hiebei hat sie sich gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen hat, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte.

Erst wenn eine an diesem Maßstab erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten ergibt, dass sein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden ist, fehlt es dann im Sinn der angeführten Rechtsprechung an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen dahingehend, ob im Sinne des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. In diesem Fall bleibt für spezialpräventive Erwägungen kein Raum (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042).

Davon ausgehend erweist sich die von der belangten Behörde im Beschwerdefall auf Grund der Berufung der Disziplinaranwältin ausgesprochene Abänderung der verhängten Disziplinarstrafe der Geldstrafe in eine Entlassung nicht als rechtswidrig. Ein Beamter, der sich unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten und während seines Dienstes (hier: vorsätzlich und in mehreren Fällen, wobei es auf die Höhe des Gesamtschadens und die nach Entdeckung erfolgte Schadensgutmachung nicht entscheidend ankommt) an fremden Geldern vergreift, ist grundsätzlich nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit wesentlich zerstört wird. Der entscheidende Gesichtspunkt ist hiebei, dass sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen muss, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich ist. Dass dies gerade im Bereich der Post ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0183 mwN, vom 21. September 2005, Zl. 2005/09/0042, und vom 19. Oktober 2005, Zl. 2004/09/0142). Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005090040.X00

Im RIS seit

08.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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