TE OGH 1990/5/23 3Ob536/90

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst, und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** A*** V***-AG, Wien 1, Brandstätte 7-9, vertreten durch

Dr. Gerold Hirn ua, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Richard K***, Geometer, Hohenems, Schweizerstraße 10, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 376.920 S s.A, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. November 1989, GZ 3 R 338/89-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. Juni 1989, GZ 7 Cg 407/87-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten binnen vierzehn Tagen die mit 13.602,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.267,10 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahr 1983 erstellte der Beklagte für die Gemeinde Ludesch einen Wasserleitungskataster, dessen Zweck grundsätzlich die Gewährleistung des Auffindens von Leitungen ist. Im Jahr 1987 führte die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei, eine Baufirma (im folgenden kurz: Baufirma) auf dem Grundstück des Hans Z*** Aushubarbeiten für die Herstellung eines Kanalhausanschlusses durch und beschädigte dabei eine Wasserleitung der Gemeinde. Durch den Wasserausbruch wurden im Haus des Hans Z*** Sachschäden in Höhe von 376.920 S verursacht, die die klagende Partei auf Grund einer bestehenden Haftpflichtversicherung ersetzte.

Die klagende Partei begehrte ursprünglich zwei Drittel dieses Betrages, nach Klagsausdehnung jedoch den vollen Betrag samt 8 % Zinsen seit 20.September 1987. Sie macht geltend, daß der Schaden durch ein Verschulden des Beklagten verursacht worden sei. Die Baufirma habe den Plan des Beklagten verwendet, der eine Lage der Wasserleitung vorgetäuscht habe, die um 1,5 Meter von der wirklichen Lage abgewichen sei. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, daß der Wasserleitungskataster auch Baufirmen als Orientierungsmittel dienen werde. Wenn er sich bei der Erstellung des Planes auf die Angaben des Wassermeisters der Gemeinde verlassen habe, hätte er dies im Plan anzeigen müssen. Durch die genauen Zentimeterangaben und den fallweise, nicht aber im Unfallsbereich vorgenommenen Hinweis auf Unsicherheiten habe er den Eindruck hervorgerufen, im strittigen Bereich sei die Wasserleitung von ihm genau vermessen worden. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete ein, daß er den Plan genau nach dem Auftrag der Gemeinde erstellt habe. Bei einer PVC-Leitung bestehe keine Möglichkeit der Ortung. Er habe sich daher jeweils auf die Angaben des Wassermeisters verlassen müssen. Das Alleinverschulden treffe die Baufirma. Es sei auch die Schadensminderungspflicht dadurch verletzt worden, daß man das Wasser nicht so rasch als möglich abgesperrt habe. Der Schaden der klagenden Partei stelle im übrigen einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf kurz zusammengefaßt folgende wesentlichen Tatsachenfeststellungen:

Der Beklagte erfüllte seine Vermessungsarbeiten genau gemäß dem Auftrag der Gemeinde, wonach nicht metallische Leitungen nach den Angaben der Gemeinde einzumessen und planlich darzustellen seien, während für ortbare Leitungen auch das Orten vorgesehen war. Im strittigen Bereich handelte es sich um eine zur damaligen Zeit nicht ortbare PVC-Leitung ohne Ortungsband und Warnband. Der Beklagte mußte sich daher auf die Angaben des Wassermeisters verlassen, der für den Unfallsbereich angab, sicher zu wissen, daß hier die Wasserleitung gerade zwischen zwei vermessenen Wasserschiebern verlaufe. Tatsächlich macht aber die Wasserleitung, was dem Wassermeister und dem Beklagten unbekannt und diesem bisher auch nie untergekommen war, wegen früher dort stehender Obstbäume einen Bogen und war daher im Unfallsbereich 1,5 Meter neben der im Plan eingetragenen Stelle.

Der vom Beklagten erstellte Wasserleitungskataster wies aus, daß es sich im Gegensatz zu anderen Bereichen um eine nicht mit einem Ortungsband versehene PVC-Leitung handle. Entsprechend der sicheren Angabe des Wassermeisters war im strittigen Bereich nicht angegeben, daß hier die Lage oder die genaue Lage unbekannt sei, oder keine Ortung stattgefunden habe, wie dies bisweilen an anderen Stellen des Planes vermerkt war. Der Plan enthielt keinen Hinweis, daß hier nur den Angaben des Wassermeisters gefolgt wurde. Andererseits aber waren im Plan bis auf den Zentimeter genaue Entfernungen der Wasserleitung von den einzelnen Meßpunkten angegeben, ohne daß darauf hingewiesen worden wäre, daß es sich hier nur um eine rechnerische Ermittlung oder die Angaben des Wassermeisters, nicht aber um eine auf eine Ortung der Wasserleitung zurückgehende Messung handelte, wie dies bei einem fachgerechten Plan zu geschehen hätte. Die vom Beklagten vorgenommenen Bezeichnungen im Plan entsprachen aber jeweils den Weisungen des Wassermeisters der Gemeinde. Nach Erstellung der Pläne erfolgte eine gemeinsame Besprechung des Beklagten mit dem Wassermeister über die einzelnen Details in den Plänen. Es wurden insbesondere auch die Vorgangsweise bei der Beschriftung der jeweiligen Bereiche erörtert und vom Beklagten Zusätze zu der bereits von ihm vorgenommenen Beschriftung vorgenommen, wenn dies vom Wassermeister verlangt wurde. Es wurde für einige Stellen der Zusatz "genaue Lage nicht bekannt" einvernehmlich festgelegt, nicht jedoch für den Unfallsbereich, wo der Wassermeister keine Zweifel am geradlinigen Verlauf der Wasserleitung hatte. Dem Beklagten war bekannt, daß der Wasserleitungskataster auch dritten Personen bei Grabungsarbeiten als Orientierungshilfe für die Lage der Wasserleitung dienen werde. Die von Hans Z*** herangezogene Baufirma besprach nach Ausfolgung von Kopien des Wasserleitungskatasters bei der Gemeinde nicht, auf Grund welcher Meßdaten derselbe erstellt worden ist, und nahm auch nicht mit dem Beklagten Rücksprache. Die Verlegung der Kanalhausanschlußleitung war so geplant, daß unter der strittigen Wasserleitung durchgegraben werden sollte. Die Baufirma ging dabei wie bei einigen Nachbarhäusern so vor, daß der angenommene Verlauf der Wasserleitung gemäß dem Wasserleitungskataster mit Holzpflöcken oder Farbe gekennzeichnet wurde, dann wurde mit dem Bagger bis auf einen Meter an die angegebene Lage der Leitung herangegraben und von da an händisch weitergegraben. Als der Bagger etwa 1,5 Meter an die gekennzeichnete Stelle herangekommen war, kam es zur Beschädigung der Leitung. Mangels Kenntnis von der genauen Lage des nächsten Wasserschiebers und des Schlüssels dazu konnten die Leute der Baufirma die Wasserleitung nicht sofort absperren. Das Absperren erfolgte dann von der einen Seite der Ringleitung her einerseits durch die Baufirma, von der anderen Seite durch den Wassermeister der Gemeinde, doch war schon Wasser zum Haus des Hans Z*** eingedrungen, und zwar vor allem auch in die Klärgrube, die dann überlief, sodaß durch das WC Fäkalwasser in die ebenerdigen Räume des Hauses eindrang und dort am Gebäude und an der Einrichtung den eingangs angeführten Schaden anrichtete.

Auf Grund dieses Sachverhaltes verneinte das Erstgericht den Kausalzusammenhang zwischen dem nicht ganz fachgerechten Vorgehen des Beklagten und dem Schadenseintritt. Auch wenn im Plan vermerkt gewesen wäre, daß an der strittigen Stelle keine Ortungen stattfanden, sondern die Leitung nur nach den Angaben des Wassermeisters eingezeichnet worden sei, wäre die Baufirma in gleicher Weise vorgegangen. Nachdem nämlich auch bei den vorher hergestellten Hausanschlüssen die Leitung ohnedies jeweils an der Stelle war, wie sie im Wasserleitungskataster ausgewiesen war, wäre man auch beim Haus des Hans Z*** im Vertrauen auf die sich fortsetzende Richtigkeit des Planes genauso vorgegangen, wie dies tatsächlich erfolgte. Das Erstgericht führte dazu an, daß es diese Annahme auch als ergänzende Tatsachenfeststellung betrachte, die sich in Verbindung mit den bereits getroffenen Feststellungen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Vorgangsweise bei solchen Grabungsarbeiten ergebe. Die klagende Partei habe auch nicht behauptet, daß vollständige und fachgemäße Zusätze des Beklagten im Leitungskatasterplan die Einhaltung eines größeren Sicherheitsabstandes des Baggers als einen Meter veranlaßt hätten. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme der zuletzt angeführten Feststellungen über die anzunehmende Vorgangsweise der Baufirma für den Fall einer fachgerechten Kennzeichnung des Leitungskatasterplanes, vertrat aber die Ansicht, daß das Klagebegehren auch ohne Zugrundelegung dieser Tatsache nicht berechtigt sei, weil ein nicht erstattungsfähiger mittelbarer Schade vorliege. Zwischen der Baufirma und dem Beklagten bestünden keine vertraglichen Beziehungen. Eine Deliktshaftung für die von der Wasserleitung ausgehenden Gefahren treffe nur die Gemeinde. Trotz des vom Beklagten vorausgesehenen Kontaktes Dritter mit der von ihm erbrachten Hauptleistung der Herstellung des Wasserleitungsplanes könne dem Vertrag des Beklagten mit der Gemeinde keine Schutzwirkung zugunsten solcher Dritter entnommen werden. Der Beklagte habe genau nach den Anweisungen der Gemeinde gehandelt und habe nicht erkennen können, daß im strittigen Bereich die Wasserleitung nicht geradlinig zwischen zwei Fixpunkten verlaufe. Auch die vielleicht irreführende Scheingenauigkeit seines Planes habe genau dem Auftrag entsprochen. Das einzige, was dem Beklagten in diesem Zusammenhang angelastet werden könnte, wäre eine Verletzung der Warnpflicht gegenüber der Gemeinde. Daraus könne aber nicht eine Haftung für Schäden Dritter abgeleitet werden, die dem Plan vertraut hätten. Das Fehlverhalten liege hier bei der Gemeinde, deren Wassermeister die Gewißheit eines bestimmten Leitungsverlaufes falsch eingeschätzt habe. Wegen der gegebenen Haftung der Gemeinde sei es nicht erforderlich, auch noch den Beklagten zur Haftung heranzuziehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß den Beklagten keine Deliktshaftung trifft, weil er kein absolut geschütztes Rechtsgut eines Dritten unmittelbar beschädigt hat (vgl Koziol, Haftpflichtrecht2 I 157 oben, 158 Mitte). Er könnte daher, wenn ihm ein für den späteren Schadenseintritt kausales Fehlverhalten anzulasten wäre, nur wegen Verletzung einer Vertragspflicht haften. Da zwischen dem Beklagten und dem betroffenen Liegenschaftseigentümer, dessen Schaden von der klagenden Partei ersetzt wurde, kein Vertragsverhältnis besteht, käme eine solche Haftung nur in Betracht, wenn der seinerzeit zwischen dem Beklagten und der Gemeinde abgeschlossene Vertrag auf Erstellung eines Wasserleitungskatasters ein sogenannter Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte wäre.

Eine solche vertragliche Sorgfaltspflicht zugunsten am Vertrag selbst nicht beteiligter Dritter wird für Personen anerkannt, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung schon beim Vertragsschluß voraussehbar ist, die erkennbar durch die Zuwendung der Hauptleistung begünstigt werden sollen, oder an denen der Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse hat, oder denen gegenüber er selbst rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (Bydlinski, JBl 1960, 359 ff; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 70 f; Mayrhofer/Ehrenzweig, Schuldrecht AT 190; JBl 1982, 601; SZ 59/209). Es ist fraglich, ob in der voraussehbaren Weitergabe der Daten des Wasserleitungskatasters an Baufirmen ein solcher Kontakt zu dritten Personen, und zwar nicht einmal zu den Baufirmen selbst, sondern zu deren Auftraggebern, und wegen der vielleicht gegebenen Haftung der Gemeinde gegenüber solchen Personen eine Fürsorgeverpflichtung auch diesen Personen gegenüber zugrundegelegt werden könnte, wenn die Gemeinde dem Beklagten nur schlicht den Auftrag zur Erstellung eines Wasserleitungskatasters erteilt hätte. Sicher kann man von einer solchen vertraglichen Verpflichtung nicht mehr sprechen, wenn die Gemeinde dem Beklagten ausdrückliche Weisungen über die Art der Bezeichnungen und Beschriftungen im strittigen Plan erteilt hat, wie dies im vorliegenden Fall festgestellt wurde. Die Gemeinde war berechtigt, auch einen nicht ganz den Regeln der Vermessungskunde entsprechenden Plan in Auftrag zu geben. Den Beklagten könnte höchstens der Gemeinde gegenüber eine Warnpflicht getroffen haben. Auf die Verletzung einer solchen hat sich aber die klagende Partei nicht berufen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E20928

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00536.9.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19900523_OGH0002_0030OB00536_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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