TE OGH 1990/5/23 3Ob559/90

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** I*** FÜR S*** STAMS, Kluibenschädelstraße 64, 6422 Stams, vertreten durch Dr. Herbert Linser, Rechtsanwalt in Imst, wider die beklagte Partei Mathias K***, 9713 Zlan 92, wegen S 92.200,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 21.März 1990, GZ 2 R 82/90-4, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20.Feber 1990, GZ 23 Cg 65/90-1, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß aufgehoben wird.

Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses und des Revisionsrekurses der klagenden Partei sind weitere Kosten des Rechtsstreites.

Text

Begründung:

Der klagende Verein brachte beim Gerichtshof erster Instanz die Klage ein und begehrt vom Beklagten den für das Schuljahr 1988/1989 rückständigen Heimbeitrag von S 92.200,-- sA für die vom Verein betriebene Internatsschule für Schisportler.

Das Erstgericht wies die Klage von Amts wegen wegen sachlicher Zuständigkeit des Bezirksgerichtes nach § 49 Abs 2 Z 7 JN (Streitigkeiten zwischen Wirten und ihren Gästen über die aus diesen Verhältnissen entspringenden Verhältnisse) zurück.

Das Rekursgericht bestätigte und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Begriff des Wirtes iSd § 49 Abs 2 Z 7 JN sei weit und erfasse alle Bereiche der Gastaufnahme. Die Zuständigkeitsnorm finde auch auf Herbergen, Pensionen, Privatkuranstalten, Badeanstalten und Heurigenwirte Anwendung und gelte auch für eine private Internatsschule, deren wesentlicher Teil der Leistung Logis und Verpflegung der dort aufgenommenen Sportschüler gleich einem Gastwirt darstelle (§ 970 ABGB). Der Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den bestätigenden Beschluß ist zulässig, weil die Voraussetzung nach § 528 Abs 1 ZPO gegeben ist und mit dem erstgerichtlichen Beschluß die Klage aus formellen Gründen ohne Sachentscheidung zurückgewiesen worden ist (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO). Die Rechtsmittelbeschränkung nach § 45 JN liegt nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Vor die Bezirksgerichte gehören unter anderem ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes Streitigkeiten zwischen Reedern, Schiffern, Flößern, Fuhrleuten oder Wirten und ihren Auftraggebern, Reisenden und Gästen über die aus diesen Verhältnissen entspringenden Verpflichtungen (§ 49 Abs 2 Z 7 JN). Nicht nur Ansprüche aus dem Vertrag zwischen Wirten und ihren Gästen einschließlich der Ansprüche aus der Gastwirtehaftung nach § 970 ABGB, sondern auch Deliktsklagen, wie etwa nach § 1316 ABGB, gehören in die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes (Fasching I 307; Fasching, ZPR2 Rz 249; EvBl 1957/45; SZ 44/156; EvBl 1975/254 ua). Dabei wurde, vornehmlich wegen der darunter fallenden Streitigkeiten aus der Gastwirtehaftung nach den §§ 970 bis 970c ABGB und nach dem Bundesgesetz BGBl 1921/638 idF nach Art XVII WGN (vgl. Fasching II 1023 zu der mit der ZVN 1983 beseitigten Ferialsachenanordnung für diese Prozesse), der Begriff des "Wirtes" weit aufgefaßt und auf analoge Verhältnisse der Gastaufnahme ausgedehnt. Darunter gezählt werden nicht nur Gast- und Schankwirte im engeren Sinn, sondern auch Betriebsinhaber von Hotels, Herbergen, Fremdenpensionen, Sanatorien und Privatkuranstalten (Fasching I 308; JBl 1912,395; GlUNF 5888 = JBl 1912,395 = JBl 1912,540 dort mit krit. Anmerkung), aber auch der Inhaber eines Heurigenbetriebes (SZ 44/156) und einer Badeanstalt (AmtlSlgNF 1318). Der Vergleich des Wortlautes der Kompetenzvorschrift des § 49 Abs 2 Z 7 JN mit den nicht ausdrücklich bezogenen einschlägigen materiellrechtlichen Bestimmungen der §§ 970 und 1316 ABGB zeige, daß sich die Zuständigkeitsvorschrift auf jene Rechtssachen beziehe und keine taxative Aufzählung vorliege. Der Gesetzgeber habe derartige Rechtssachen ohne Rücksicht auf den Betrag deshalb der bezirksgerichtlichen Kompetenz unterstellt, weil es sich um vorübergehende, an eine bestimmte Lokalität geknüpfte Rechtsbeziehungen handle und es sich empfehle, die Entscheidung dem nächsten Gericht und einem möglichst raschen Verfahren zuzuweisen. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer der Badeanstalt und dem Badegast im Badekurort sei analog dem zwischen Wirten und Gästen. Gegen die Ausdehnung der Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes auf andere Rechtsverhältnisse wurden schon seinerzeit Bedenken angemeldet (JBl 1912,540 mwH). Die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes ist gewiß auch für Klagen auf Bezahlung von Zechschulden anzuwenden (GlUNF 7503), weil § 49 Abs 2 Z 7 JN nicht auf Gastwirte abstellt, die Fremde beherbergen, wie § 970 Abs 1 Satz 1 und § 1316 ABGB. Der Inhaber eines Heurigenbetriebes kann als Wirt bezeichnet werden (SZ 44/156). Nicht zu den Gastwirten iSd § 970 ABGB zählen jedoch Krankenanstalten (SZ 47/11), Privatturnschulen (SZ 19/233) sowie die Inhaber von Kliniken, Erziehungsheimen, Internaten oder Schülerheimen, bei denen die Beherbergung in den Hintergrund tritt (Schubert in Rummel2, Rz 2 zu § 970).

Die Gleichstellung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Wirt und seinem Gast bei Prüfung der Zuständigkeit für die Klage auf Leistung des Entgelts aus dem Vertrag und eines Vereins, der eine Internatsschule für Schisportler betreibt, und dem auf Zahlung des dafür zu entrichtenden "Heimbeitrages" für ein Schuljahr in Anspruch genommenen Beklagten verkennt, daß die für die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes maßgebenden Gründe hier nicht zutreffen. Abgesehen davon, daß die Nähe des Gerichtes keine Rolle spielt, wenn nicht der allgemeine Gerichtsstand des "Gastwirtes", sondern der des "Gastes" die örtliche Zuständigkeit bestimmt, stehen beim Betriebe einer Internatsschule andere Leistungen des Betreibers im Vordergrund als die bloß dem Schulbetrieb untergeordnete Unterbringung und Verköstigung der Lehrgangsteilnehmer. Die amtswegige Zuständigkeitsprüfung nach Einlangen der Klage hatte von den Angaben der klagenden Partei auszugehen (§ 41 Abs 2 JN). Nach diesen Angaben bestand kein Grund zur Annahme, es handle sich um eine von § 49 Abs 2 Z 7 JN erfaßte Streitigkeit zwischen einem Wirt und seinem Gast über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, ohne daß es darauf ankäme, wie sich der geforderte "Heimbeitrag" für ein Schuljahr zusammensetzt, ob es sich also um das Entgelt für Verpflegung und Quartier oder auch für die schulischen Leistungen, die Veranstaltungen und die Betreuung handelt.

Der angerufene Gerichtshof ist nach § 50 JN zuständig. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

Anmerkung

E20924

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00559.9.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19900523_OGH0002_0030OB00559_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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