TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/13 2003/01/0329

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Veröffentlicht am 13.12.2005
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des HA in H, vertreten durch Dr. Gertraude Carli, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Raimund-Obendrauf-Straße 9, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. April 2003, Zl. FA7C-11- 10153/2002-14, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß "§ 10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985" (StbG) ab.

Die belangte Behörde gründete dies darauf, dass beim Beschwerdeführer, der sich unstrittig erst seit 1996 im Bundesgebiet aufhält und daher die Verleihungsvoraussetzung eines mindestens zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes in Österreich nicht erfüllt, kein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 1 (zweiter Fall) i.V.m. Abs. 5 StbG für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliege. Es fehle - in Bezug auf den in Betracht zu ziehenden Fall des § 10 Abs. 5 Z 3 StbG - am Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration. Zwar seien die Eltern des Beschwerdeführers Österreicher und aus einer Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 19. Juli 2002 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer "seit Oktober 2001 nicht mehr dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegt und somit die Integration gegeben sei. Darüber hinaus verfügt er lt. vorgelegtem Reisepass über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung". Zu seinem Nachteil falle jedoch ins Gewicht, dass er (im Anschluss an im Bescheid näher dargestellte Zeiten u.a. der Tätigkeit als Arbeiter und des Bezuges von Krankengeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) zwar "freien Zugang zum Arbeitsmarkt" habe, aber dennoch "seit 30.6.2002 Notstandshilfe bezieht". Darüber hinaus ergebe sich auch aus einer bezirksgerichtlichen Verurteilung wegen eines am 4. Februar 2000 versuchten Diebstahles einer Fünfhundertschillingnote "ein Integrationsdefizit" des Beschwerdeführers. Jedenfalls liege aber die berufliche Integration nicht über dem nach einem gleich langen Inlandsaufenthalt regelmäßig erwartbaren Ausmaß. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Z 3 StbG seien daher nicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Verleihung der Staatsbürgerschaft kann gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 zweiter Fall i.V.m. Abs. 5 Z 3 StbG - dem hier unstrittig (lediglich) in Betracht zu ziehenden Verleihungstatbestand - auch ohne den in § 10 Abs. 1 Z 1 StbG vorausgesetzten 10-jährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet erfolgen, wenn der Verleihungswerber seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration erbracht ist.

Im vorliegenden Fall kommt zunächst der Verurteilung des Beschwerdeführers bei der Prüfung der Voraussetzungen der zitierten Bestimmungen keine Bedeutung zu. Hiezu - und allgemein zur Vorjudikatur betreffend die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration - kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2005/01/0216, verwiesen werden. Der Ansicht der belangten Behörde, die hier vorliegende Verurteilung wegen des versuchten Diebstahls einer Fünfhundertschillingnote spreche (als "Integrationsdefizit") gegen die Erfüllung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Z 3 StbG, ist daher nicht zu folgen.

Nicht zu zweifeln ist weiters an der besonders stark ausgeprägten persönlichen Integration des Beschwerdeführers, dessen beide Eltern nach den Feststellungen der belangten Behörde österreichische Staatsbürger sind und der selbst als Jugendlicher nach Österreich gekommen ist und hier über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfügt. Eine intensive persönliche Verankerung in Österreich vermag auch eine allfällige weniger starke Ausprägung der Integration in anderen Bereichen - sofern es dessen bedürfen sollte - partiell auszugleichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2003/01/0043).

Die belangte Behörde hat drüber hinaus verkannt, dass es nach den von ihr selbst zitierten Gesetzesmaterialien für die Beurteilung der beruflichen Integration maßgeblich auf die beschäftigungsrechtliche Situation des Verleihungswerbers ankommt. Zieht man die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde in Betracht, wonach der Beschwerdeführer nicht (mehr) dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegt und - wie die belangte Behörde selbst formuliert - "freien Zugang zum Arbeitsmarkt" hat, so entspricht die Verneinung einer nachhaltigen beruflichen Integration in Verbindung mit den Feststellungen über den bisherigen Verlauf der Versicherungszeiten trotz des Umstandes, dass der Beschwerdeführer zuletzt Notstandshilfe bezog und eine Arbeitsstelle bei seinem Vater - wie in seiner Stellungnahme vom 27. Jänner 2003 ausgeführt - erst in Aussicht stand, nicht dem Gesetz (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis vom 24. Mai 2005 und das Erkenntnis vom 30. November 2004, Zl. 2002/01/0498, jeweils m. w.N.). Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert sich in dieser Hinsicht an der in den Gesetzesmaterialien (1283 BlgNR 20. GP 8) ausdrücklich so formulierten Ansicht, der "Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration" werde "dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (zB Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (zB unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf Weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist (zB Familie lebt mit dem Fremden in Österreich, Kinder besuchen die Schule usw.)" (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 13. Dezember 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010329.X00

Im RIS seit

08.02.2006

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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