TE OGH 1991/9/18 3Ob538/91

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei STADTGEMEINDE B*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei

Dipl. Ing. Albert P*****, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 769.730,88 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. Februar 1991, GZ 2 R 143/89-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. April 1985, GZ 8 Cg 3782/84-24, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie unter Einbeziehung des schon in Rechtskraft erwachsenen Teiles insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen 384.865,44 S samt 4 % Zinsen seit 8. 5. 1984 zu zahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 384.865,44 S samt Anhang und weiterer Zinsen wird abgewiesen."

Die Prozeßkosten aller Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahr 1967 erhielt der Beklagte von der klagenden Partei den in den Jahren 1969 bis 1972 ausgeführten Auftrag, für einen Erweiterungsbau eines Krankenhauses die konstruktive Planung und die statischen Berechnungen vorzunehmen. Im Jahr 1980 senkte sich eine Betonfassadenplatte, weil die Verankerung nachgegeben hatte. Um der Gefahr eines Herunterfallens anderer Fassadenplatten zu begegnen, veranlaßte die klagende Partei Sanierungsarbeiten, welche 769.730,88 S kosteten.

Mit einer im Jahr 1984 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei den Ersatz dieses Betrages mit der Begründung, den Beklagten treffe ein Verschulden an diesem Schaden, weil er die Befestigungskonstruktion für die Fassadenplatten nur mit gewöhnlichem Baustahl statt mit rostfreiem Chrom-Nickel-Stahl vorgesehen habe. Als die klagende Partei dieses Problem zur Diskussion gestellt habe, habe der Beklagte zumindest eine Empfehlung in dieser Richtung unterlassen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete ein, daß ihn kein Verschulden treffe. Seine Vorgangsweise habe dem damaligen Wissensstand entsprochen. Die klagende Partei müsse sich aber als Verschulden anrechnen lassen, daß sie auf eine korrosionsgeschützte Verankerung der Fassadenplatten keinen Wert gelegt habe. Auch ohne besonderen Hinweis des Beklagten, der im übrigen einen Korrosionsschutz durch eine Eintragung im Bautagebuch angeordnet habe, sei es Sache der klagenden Partei gewesen, diesen ordnungsgemäß anzubringen. Schließlich erhob der Beklagte eine Verjährungseinwendung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab.

Mit Beschluß des Revisionsgerichtes 3 Ob 560/86 wurde das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Verjährungseinwendung als unberechtigt erkannt.

Im zweiten Rechtsgang war gemäß dem Aufhebungsbeschluß des Revisionsgerichtes vor allem der allgemeine Wissensstand und Stand der Technik in den kritischen Jahren 1969 bis 1972 über die Verwendung von korrisionsbeständigem rostfreiem Verankerungsmaterial, aber auch über die Vorgangsweise eines Statikers, dem Bedenken an der Verwendung des von ihm vorgeschlagenen Materials mitgeteilt worden, zu erörtern. Im einzelnen wird hier auf den Beschluß 3 Ob 560/86 hingewiesen.

Zur Aufhebung des abändernden Urteiles des Berufungsgerichtes im zweiten Rechtsgang wegen Beiziehung eines mit Recht abgelehnten Sachverständigen ist auf den Beschluß 3 Ob 545/88 hinzuweisen.

Im dritten Rechtsgang gab das Berufungsgericht der Berufung wieder weitgehend Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache im Sinne einer Klagsstattgebung ab. Die Abweisung eines Teiles des Zinsenbegehrens erwuchs in Rechtskraft. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht nahm zu den offenen Fragen eine Beweisergänzung vor und gelangte kurz zusammengefaßt einschließlich der übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes insgesamt zu folgenden Tatsachenfeststellungen:

Der Stand der Technik zur Befestigung von vorfabrizierten Betonfassadenplatten befand sich im Jahr 1970 in einer kritischen Entwicklungsphase. Die entsprechenden Baunormen enthielten nur Hinweise auf die Anbringung eines geeigneten Korrosionsanstrichs. In einer Fachzeitschrift des Jahres 1967 und einer Bekanntmachung eines deutschen Ministeriums des Jahres 1968 wurde aber schon darauf hingewiesen, daß bei besonders der Korrosion ausgesetzten Stellen nicht rostender Stahl verwendet werden müsse. Im Jahr 1970 gab es auch in Österreich schon Anbote von Unternehmen, Fassadenplattenanker aus rost- und säurebeständigem Edelstahl zu verwenden. Obwohl dem erhöhten Korrosionsschutz schon Beachtung geschenkt wurde, wurden dennoch noch kaum korrosionsbeständige Stähle eingesetzt. Dem Wissensstand der Technik 1969 bis 1972 entsprach also noch die Anbringung eines zweifachen Rostschutzanstriches.

In den von der beklagten Partei erstellten Plänen wurde kein besonderer Korrosionsschutz erwähnt. Als die Bauherrschaft Bedenken zum vorgeschlagenen gewöhnlichen Baustahl äußerte, zerstreute sie der vom Beklagten zur Erfüllung des Auftrages herangezogene Mitarbeiter. Fachgerecht wäre es aber gewesen, auf Grund dieser Bedenken entsprechende Nachforschungen zu pflegen, um dann auf die schon in der Fachliteratur behandelte Optimallösung hinzuweisen.

Im Bautagebuch trug der Mitarbeiter des Beklagten im Jahr 1971 die Anordnung ein, die Eisenteile seien mit Rostschutzfarben zu schützen. Der örtliche Bauleiter der klagenden Partei war ein äußerst gewissenhafter Mensch. Da unter Fachleuten damals bekannt war, daß ein einfacher Rostschutzanstrich nicht sinnvoll ist, war auf Grund der Eintragung im Bautagebuch klar, daß damit ein zweifacher Rostschutzanstrich gemeint war.

Ein in diesem Sinn ordnungsgemäß angebrachter Rostschutzanstrich hätte eine Lebensdauer von zwanzig bis fünfundvierzig Jahren gewährleistet. Der von der klagenden Partei vorgenommene Rostschutzanstrich war nicht lückenlos und ordnungsgemäß, sodaß die Verankerungen schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit unbrauchbar waren. Eine Kontrolle des Rostschutzanstriches hat der Beklagte nicht durchgeführt; dies war aber auch nicht seine Aufgabe, sondern Aufgabe der Bauherrschaft.

Auf Grund dieser Tatsachenfeststellungen ging das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß der Beklagte auf Grund der von der klagenden Partei geäußerten Bedenken zu einem ganz besonders sorgfältigen Vorgehen verpflichtet gewesen wäre. Er hätte daher auf Grund entsprechender Nachforschungen die Verwendung von nicht rostendem Stahl empfehlen, zumindest aber auf eine besonders sorgfältige Anbringung des doppelten Schutzanstrichs aufmerksam machen müssen.

Die Revision der beklagten Partei ist teilweise berechtigt.

So weit die beklagte Partei unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens die Nichtberücksichtigung ihres Einwandes rügt, die klagende Partei treffe das Alleinverschulden, ist die beklagte Partei auf die Erledigung der Rechtsrüge zu verweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Hinweis, der Sachverständige sei zu streng, wenn er vom Beklagten in der kritischen Zeit schon eine Kenntnis vereinzelter Stimmen in ausländischen Publikationen verlange, betrifft die in dritter Instanz nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes; denn es ist eine Tatfrage, was zu einer bestimmten Zeit unter Fachleuten bei entsprechenden Nachforschungen schon bekannt sein kann. Die Eintragungen im Bautagebuch boten keinen Anlaß, das bisherige Gutachten des Sachverständigen zu ergänzen; denn auch im Bautagebuch wurde nicht die Verwendung rostfreien Stahls vorgesehen.

Zu dem von der klagenden Partei in ihrer Revisionsbeantwortung geltend gemachten Feststellungsmangel über die Verpflichtung der beklagten Partei, auch die Rostschutzanstriche zu kontrollieren, ist auf die ausdrückliche Feststellung des Berufungsgerichtes hinzuweisen, daß diese Kontrolle der Bauherrschaft oblag. Diese auf Grund der Ansicht des Sachverständigen (Berufungsverhandlung 10. 12. 1990) getroffene Feststellung mag auf den ersten Blick wie die Beantwortung einer Rechtsfrage erscheinen. Sie enthält aber auch ein tatsächliches Element, nämlich die Berücksichtigung des unter Fachleuten üblichen Verständnisses einer bestimmten Vertragsbestimmung. Gemäß Punkt I lit g des Vertrages (Beilage 1) oblag dem Beklagten die "Baukontrolle, das heißt, Überwachung und Abnahme der Ausführung von Konstruktionen, Kontrolle der Betonherstellung und Abnahme der Bewehrungen". Von einer Pflicht zur Überprüfung auch des Rostschutzanstriches ist in dieser Vertragsbestimmung nicht die Rede. Die Feststellung des Berufungsgerichtes erweist sich damit als eine die allgemeine Baupraxis wiedergebende Tatsachenfeststellung, die in dritter Instanz nicht bekämpft werden kann.

Es ist damit in vollem Umfange von den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichtes auszugehen.

Gegenüber den Ergebnissen im ersten Rechtsgang ist damit im wesentlichen folgende neue Tatsachensituation gegeben:

Der Beklagte schlug eine Konstruktion vor, die damals noch dem Wissensstand entsprach. Er ordnete auch an, daß ein Rostschutzanstrich vorzunehmen sei, wobei er auf Grund der Gewissenhaftigkeit und Fachkenntnis des Bauleiters der klagenden Partei damit rechnen konnte, daß dieser darunter einen doppelten Anstrich verstehen werde. Befragt, ob der vorgeschlagene Baustahl wirklich geeignet sei, zerstreute der Beklagte die Bedenken der klagenden Partei, obwohl er durch entsprechende Nachforschungen feststellen hätte können, daß verschiedentlich schon Nirostastahl empfohlen wurde. Er unterließ es aber auch, die klagende Partei auf eine besonders sorgfältige Anbringung des Rostschutzanstriches aufmerksam zu machen. Die klagende Partei hat den Rostschutzanstrich nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß angebracht, sodaß die Haltbarkeit der Plattenbefestigungen nur etwa zehn Jahre statt zwanzig bis fünfundvierzig Jahre gegeben war.

Bei dieser Sachlage ist beiden Streitteilen ein etwa gleich hohes Verschulden anzulasten, wobei der von der beklagten Partei erhobene Alleinverschuldenseinwand den Mitschuldeinwand einschließt (SZ 53/164 mwN). Der Beklagte hat zu vertreten, daß sein Mitarbeiter gemäß den Ausführungen des Berufungsgerichtes weder Nachforschungen über die Zweckmäßigkeit der Verwendung nicht rostenden Stahls vornahm, noch auf eine besonders sorgfältige Anbringung des Rostschutzanstriches hinwies. Der klagenden Partei ist hingegen zuzurechnen, daß ihre Leute bei der Anbringung des Rostschutzanstriches trotz der bei der klagenden Partei ohnedies vorhandenen Bedenken bezüglich der Korrosionsgefahr nicht sorgfältig genug vorgegangen sind. Beide Fehlverhaltensweisen können nicht vernachlässigt werden. Der Beklagte durfte nicht auf die Fachkenntnis der klagenden Partei vertrauen, wenn er schon den schweren Fehler begangen hatte, ihre Bedenken unsachgerecht zu zerstreuen. Die klagende Partei durfte auf Grund der falschen Auskunft des Beklagten trotz ihrer eigenen Bedenken jetzt zwar dem gewöhnlichen Baustahl vertrauen, war damit aber nicht der Pflicht entbunden, wenigstens auf eine besonders exakte Anbringung des Rostschutzanstriches hinzuwirken.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher im Sinne einer Schadensteilung von 1 : 1 abzuändern.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27418

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00538.91.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19910918_OGH0002_0030OB00538_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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