TE OGH 1991/11/14 7Ob624/91

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Veröffentlicht am 14.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christine P*****, vertreten durch Dr. Otto Tuma, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alfred P*****, vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung (Streitwert S 24.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Juni 1991, GZ 41 R 317/91-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 11.Februar 1991, GZ 2 C 330/90b-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.237,60 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 540,-- Barauslagen und S 1.449,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Mieter der näher bezeichneten Wohnung im Hause der Klägerin in W*****. Die Klägerin kündigt den Mietvertrag aus den Gründen des § 30 Abs.2 Z 2 und 3 MRG und begehrt die Räumung des Mietobjektes.

Das Erstgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Nach seinen Feststellungen hat das Haus der Klägerin zwei selbständige Wohnungen, ein Kellergeschoß und einen Dachboden, in dem ein Gästezimmer eingerichtet ist. Der Keller ist teilweise feucht; die Klägerin ließ in den Jahren 1989 und 1990 Trockenlegungs- und Sanierungsarbeiten durchführen, um weitere Räume zu schaffen. Auf der Liegenschaft befindet sich auch eine Garage. Das Haus ist von einem kleinen Garten umgeben, in dem sich auch Rosenbeete befinden. Die Rosen sind von kümmerlichem Wuchs und teilweise von Krankheiten befallen. Am 18.10.1990 (zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheins) waren die Beete nicht umgestochen und die Rosen mit Gras und Unkraut umwachsen.

Der monatliche Mietzins für die Wohnung des Beklagten wurde mit S 2.800 zuzüglich 50 % der Betriebskosten vereinbart. Der Beklagte verpflichtete sich darüber hinaus, die Gartenarbeiten zu verrichten und für das Freimachen und Freihalten der Zugangswege zum Haus von Schnee und Eis zu sorgen. Es wurde vereinbart, daß diese Arbeiten einen Teil des Mietentgeltes darstellen und die Vermieterin berechtigt ist, den Mietvertrag zu kündigen, falls die Arbeiten trotz Aufforderung beharrlich nicht verrichtet werden. Dem Beklagten wurden Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände mitvermietet. Er verpflichtete sich, die Gegenstände pfleglich zu behandeln und nach Beendigung des Mietverhältnisses in ordentlichem Zustand zurückzugeben. Der Beklagte war offensichtlich nicht in der Lage oder willens, die Arbeiten selbst zu machen. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung befand sich der Rasen zwar in "normalem Zustand", ein Bereich von wenigen Quadratmetern neben dem Haus und neben zwei großen Tannen war aber sehr ausgetrocknet. Die Rasenpflanzen waren überwiegend vertrocknet und abgestorben. Es blieb nur ein spärlicher Rasenbewuchs und das Erdreich kam zum Vorschein. Die Rosenpflanzungen wurden vom Beklagten nur bewässert, nicht aber gepflegt. Der Beklagte vertritt die Ansicht, daß sich die Voreigentümerin (die Mutter der Klägerin) die Rosenpflege vorbehalten hat. Ob dies tatsächlich der Fall war, konnte nicht festgestellt werden. An der Grenze zum Nachbargrundstück befindet sich eine etwa 2 m hohe Laubholzhecke. Die Klägerin forderte den Beklagten immer wieder zu den Gartenarbeiten, wie Rasenmähen und Heckenschneiden, auf, und es gab häufig Diskussionen mit lautem Wortwechsel zwischen den Streitteilen über die Gartenarbeiten. Der Beklagte pflegte die Klägerin jeweils zu vertrösten, diese forderte ihn immer wieder zur Gartenarbeit auf; dadurch kam es zu Mißstimmigkeiten. Der Beklagte kam der Pflege des Rasens immer erst nach mehrfacher Aufforderung durch die Klägerin oder durch deren Ehemann nach. Im Zuge der Unstimmigkeiten kam es dazu, daß der Beklagte von der Klägerin gepflanzte und durch Stäbe gekennzeichnete Blumen abmähte oder die Rasenpsrengungsgeräte derart aufstellte, daß die Hauswand beregnet wurde. Die Hecke an der Grundstücksgrenze wurde dreimal jährlich von der Nachbarin geschnitten, die dabei regelmäßig auch die obere Kante mitstutzte. Der Beklagte pflegte den Dachbodenzugang als Abstellplatz für Kisten und Vorräte zu benutzen. Mehrfache Aufforderungen, dies zu unterlassen, blieben auf längere Sicht erfolglos; der Beklagte stellte immer wieder seine Gegenstände vor dem Dachbogenzugang auf. Erst nach Einlangen der Kündigung hörte dieses Verhalten auf. Vor Weihnachten 1989 räumte der Beklagte einen Kasten der Klägerin, den er mitgemietet hatte, in zerlegtem Zustand in den feuchten Bereich des Kellers, ohne die Klägerin zu verständigen. Im Jänner 1990 warf er seinen Christbaum in die Wiese vor dem Haus und ließ ihn dort liegen. Auch über Aufforderung der Klägerin, den Christbaum zu beseitigen, brachte ihn der Beklagte nicht weg. Im Sommer 1987 traf die Klägerin den Beklagten an, als er Bastelarbeiten in der Garage durchführte und dabei den Strom vom Wohnbereich der Klägerin zuführte.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 2 MRG nicht gegeben. Die Gartenarbeiten würden überwiegend vom Beklagten, wenn auch erst über Aufforderung durch die Klägerin, verrichtet. Es liege keine gravierende Vertragsverletzung vor. Dagegen sei der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 3 zweiter Fall MRG verwirklicht. Das Verhalten des Beklagten sei seiner Art und Dauer nach geeignet, der Klägerin als Mitbewohnerin das Zusammenwohnen zu verleiden. Insbesondere das wiederholte Anräumen der Bodenstiege gegen den Protest der Klägerin, die Lagerung des Kastens im feuchten Keller und der in den Garten geworfene Christbaum ließen die Tendenz des Beklagten erkennen, seine Rechte fortwährend zu überschreiten und das Eigentum der Klägerin nicht in dem gebotenen Ausmaß zu respektieren. Zu berücksichtigen sei auch, daß die Klägerin stets bittstellig werden müsse, damit der Beklagte die vereinbarten Dienstleistungen erbringe; dies sei der Klägerin auf Dauer nicht zumutbar.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Das Berufungsgericht billigte die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Beklagte mangels gravierender Vertragsverletzungen den Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 2 MRG nicht verwirklicht habe. Es sei aber auch der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 3 zweiter Fall MRG nicht gegeben. Dieser Kündigungsgrund liege vor, wenn der Mieter durch rücksichtsloses oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleide. Durch den Mieter müsse das friedliche Zusammenleben gegenüber den übrigen Mitbewohnern gestört werden. Da aber nach dem Gesetz immer nur schwerwiegende Gründe eine Kündigung durch den Vermieter rechtfertigten, könne mit einer Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens nur gegen solche Störungen des friedlichen Zusammenlebens vorgegangen werden, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Mitbewohner im Genuß ihrer Wohnung bedeuteten. Dabei komme es nicht auf die subjektive Empfindlichkeit der klagenden Partei, sondern nur darauf an, ob nach den Umständen des Falles das beanstandete Verhalten in seiner Gesamtheit und objektiv nach allgemeiner Anschauung so schwerwiegend sei, daß es den Mitbewohnern, auch den im Hause wohnenden Vermietern, das Wohnen im Haus verleiden könne. Bei der Beurteilung der behaupteten Verfehlungen des Mieters sei aber auch das Verhalten des Vermieters nicht außer acht zu lassen. Das Erstgericht sei einem Rechtsirrtum unterlegen, indem es die Mißempfindungen der Klägerin gegenüber dem ihr in seiner psychischen Konstitution offenbar überlegenen Beklagten als Ergebnis eines objektiv schwerwiegenden Fehlverhaltens gewertet habe. Die dem Beklagten vorgeworfenen Verhaltensweisen rechtfertigten ihrem zu geringen Gewicht nach auch in der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht die Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei Beurteilung des Kündigungstatbestandes nach § 30 Abs.2 Z 3 zweiter Fall MRG von den Auslegungsgrundsätzen der ständigen Rechtsprechung abgewichen ist.

Die Revision ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unerörtert bleiben kann, ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 30 Abs.2 Z 1 MRG (Mahnung, Rückstand) auch beim Kündigungstatbestand des § 30 Abs.2 Z 2 MRG gegeben sein müssen (vgl. MietSlg.19.286). Wie schon das Erstgericht richtig erkannte, kann jedenfalls ein Verhalten im Zusammenhang mit den vereinbarten Dienstleistungen des Mieters als Teil des Mietzinses den Tatbestand nach § 30 Abs.2 Z 3 zweiter Fall MRG mitbegründen. Nach dieser Bestimmung bildet es einen wichtigen Grund zur Kündigung des Mietvertrages, wenn der Mieter durch sein rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet. Bei Beurteilung dieses Kündigungsgrundes kommt es auf das Gesamtverhalten des Mieters an. Selbst an sich geringfügige Störungen können im Zusammenhalt mit anderen derartigen oder ähnlichen Vorfällen zur Beurteilung des Gesamtverhaltens des Mieters als unleidliches Verhalten beitragen. Der Vermieter ist demnach zur Aufkündigung auch berechtigt, wenn zwar nicht jeder einzelne Vorfall für sich betrachtet für eine Kündigung ausreicht, durch die Häufung das dem Vermieter zumutbare Ausmaß jedoch überschritten wird. Der Kündigungsgrund ist auch nicht auf bestimmte Verhaltensweisen eingeschränkt wie etwa auf Beschimpfungen, Drohungen, ungebührliches Lärmen oder dergleichen. Er wird vielmehr durch jedes Verhalten des Mieters, durch das das friedliche Zusammenleben beeinträchtigt wird, verwirklicht. Auch ständige Verzögerungen der vereinbarten Geld- oder Sachleistungen und die dadurch hervorgerufenen Diskussionen können bei Beurteilung des Gesamtverhaltens nicht unberücksichtigt bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist unleidliches Verhalten auch in laufend unternommenen Versuchen des Mieters, seine Benützungsrechte auf nicht in Bestand genommene Räume oder Gegenstände auszudehnen, zu erblicken (MietSlg.37.406 mwN; MietSlg.34.418, 31.361). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen, daß der Beklagte immer wieder dadurch, daß er den Dachbodenzugang als Abstellraum benützte, seine Benützungsrechte auszudehnen versuchte. Hinzu kommt das festgestellte Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit den vereinbarten Gartenarbeiten, das immer wieder zu lautstarken Diskussionen zwischen den Streitteilen führte, und die an sich geringfügigen Vorfälle betreffend das Wegwerfen des Christbaums und das Abzweigen von Strom aus dem Wohnbereich der Klägerin. Dieses Gesamtverhalten ist, entgegen der Meinung der zweiten Instanz, auch objektiv nach allgemeiner Anschauung und nicht bloß nach der subjektiven Empfindlichkeit der Klägerin so schwerwiegend, daß es der Vermieterin das friedliche Zusammenleben verleiden kann. Der Umstand, daß der Beklagte die Benützung des Dachbodenzuganges nach der Zustellung der Kündigung einstellte, kann an der Beurteilung des Gesamtverhaltens, wie es sich auch in bezug auf die Gartenarbeiten äußert, nichts ändern (vgl. MietSlg.39.424).

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E26865

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00624.91.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19911114_OGH0002_0070OB00624_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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