TE OGH 1992/2/18 4Ob18/92

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Veröffentlicht am 18.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kommunistische Partei Österreichs, ***** vertreten durch Dr.Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** Verlag Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 1,000.000 S; Revisionsinteresse: 100.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3.Oktober 1991, GZ 1 R 158/91-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 3.Mai 1991, GZ 17 Cg 41/90-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie - unter Einschluß des bereits in Rechtskraft erwachsenen Ausspruches über das Unterlassungsbegehren (Punkt 1 des Ersturteils) - insgesamt wie folgt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, herabsetzende Behauptungen über das Unternehmen der klagenden Partei, insbesondere die herabsetzenden Behauptungen 'Die 'Volksstimme', sie hat gelogen seit je, daß sich die Balken bogen' und 'So lügt sich dies famose Pack am Ende selber in den Sack', zu unterlassen.

Hingegen werden die Mehrbegehren,

a) die beklagte Partei sei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution schuldig, die herabsetzenden Äußerungen über das Unternehmen der klagenden Partei 'Die 'Volksstimme', sie hat gelogen seit je, daß sich die Balken bogen' und 'So lügt sich dies famose Pack am Ende selber in den Sack' zu widerrufen, und

b) die klagende Partei werde ermächtigt, den Spruch des über diese Klage ergehenden Urteils binnen sechs Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der beklagten Partei im redaktionellen Teil einer Freitag-Ausgabe der 'Volksstimme' und in einer Freitag-Ausgabe der 'Neuen Kronen Zeitung' auf einer 'Lokales'-Seite in der linken unteren Seitenhälfte mit Fettdrucküberschrift, Fettdruckumrandung und fett sowie gesperrt geschriebenen Prozeßparteien in Normallettern zu veröffentlichen, abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 55.971,92 S bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten 13.536 S Barauslagen und 7.072,72 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 17.175,28 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 3.689,88 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der Abendausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 27.4.1990 wurde auf Seite 12 nachstehende Glosse in Gedichtform veröffentlicht:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Klägerin - die Medieninhaberin der Tageszeitung "Volksstimme" - begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, herabsetzende Behauptungen über ihr Unternehmen, insbesondere die herabsetzenden Behauptungen "Die 'Volksstimme', sie hat gelogen seit je, daß sich die Balken bogen" und "So lügt sich dies famose Pack am Ende selber in den Sack", zu unterlassen; ferner stellte sie das aus dem Spruch ersichtliche Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren. Sollten die beanstandeten Textstellen Tatsachenbehauptungen sein, dann seien sie im Sinne des § 7 UWG unwahr und kreditschädigend; liege darin aber eine dem Wahrheitsbeweis entzogene Pauschalabwertung, dann habe die Beklagte gegen § 1 UWG verstoßen. Sie habe bei der Veröffentlichung in Wettbewerbsabsicht gehandelt; die Klägerin stütze aber ihre Ansprüche auf "alle erdenklichen Rechtsgrundlagen".

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die beanstandeten Textstellen enthielten weder eine Pauschalherabsetzung der Klägerin noch kreditschädigende Tatsachenbehauptungen; es handle sich vielmehr um ein satirisches Gedicht, das die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Kunst für sich in Anspruch nehmen könne. Das Gedicht sei auch nicht in Wettbewerbsabsicht veröffentlicht worden, sondern es bringe nur den politischen Gegensatz zur

"Volksstimme" - zugegebenermaßen nicht gerade

schmeichelhaft - zum Ausdruck.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Mit den beanstandeten Äußerungen habe die Beklagte jedenfalls gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen, so daß sich eine Prüfung der Wettbewerbsabsicht erübrige. Abgesehen davon, daß die beanstandete Glosse gar kein Kunstwerk sei, erlaube auch die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Kunst nicht die Beleidigung eines Dritten oder die Verbreitung unwahrer und kreditschädigender Tatsachenbehauptungen. Die Ermächtigung der Klägerin zur Urteilsveröffentlichung gründe sich auf § 25 UWG.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die beanstandeten Textstellen enthielten keine Tatsachenbehauptungen, sondern einerseits eine beleidigende, die Ehre der Klägerin herabsetzende pauschale Beschimpfung ohne jegliches Tatsachensubstrat und andererseits eine Ehrenkränkung gegen die Würde der "Volksstimme". Es liege daher schon ein Verstoß gegen § 1330 Abs 1 ABGB vor, so daß sich eine nähere Prüfung der für Verstöße gegen § 1 bzw § 7 UWG erforderlichen Wettbewerbsabsicht erübrige. Gegenüber derartigen beleidigenden und herabsetzenden Äußerungen versage auch die Berufung auf die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Kunst. Zum Widerrufs- und zum Veröffentlichungsbegehren brauche nicht mehr Stellung genommen zu werden, weil die Berufung der Beklagten hiezu keine Ausführungen enthalte.

Nur gegen die Bestätigung auch der Stattgebung des Widerrufs- und des Veröffentlichungsbegehrens (Punkte 2 und 3 des Ersturteils) durch das Berufungsgericht wendet sich die ao Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in diesem Umfang im Sinne einer Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil sich die angefochtene Entscheidung bei der Lösung der hier maßgebenden Rechtsfrage, ob das Ersturteil nur in seinem Ausspruch über das Unterlassungsbegehren wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten war, auf keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zu einem weitgehend gleichartigen Sachverhalt berufen kann.

Die Revision ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da sich die Ausführungen der Rechtsrüge der Berufung der Beklagten - wenn auch nicht ausdrücklich, so doch inhaltlich wegen ausschließlicher Geltendmachung der fehlenden Wettbewerbsabsicht - nur gegen die Stattgebung des Widerrufs- und des Veröffentlichungsbegehrens der Klägerin, nicht aber gegen die ausschließlich mit einem Verstoß gegen § 1330 Abs 1 ABGB begründete Stattgebung des Unterlassungsbegehrens gerichtet hatten, ist die Meinung des Berufungsgerichtes, es habe sich mit diesen Teilen des Begehrens nicht mehr auseinanderzusetzen, verfehlt. Das träfe nämlich nur dann zu, wenn das Ersturteil nur in seinem Ausspruch über das Unterlassungsbegehren wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten worden wäre (EvBl 1985/154; MR 1987, 221; MR 1989, 52; ÖBl 1991, 108 ua). Im vorliegenden Fall konnte sich aber die Rechtsrüge der Berufung aus nachstehenden Gründen überhaupt nur auf das Widerrufs- und das Veröffentlichungsbegehren beziehen:

Die Klägerin hat auch diese beiden Begehren sowohl auf §§ 1 und 7 UWG als auch auf "alle erdenklichen Rechtsgrundlagen" und damit auch auf § 1330 ABGB gestützt. Sowohl nach § 7 Abs 1 UWG als auch nach § 1330 Abs 2 ABGB - nicht aber nach § 1 UWG (ÖBl 1991, 58) und auch nicht für Ansprüche nach § 1330 Abs 1 ABGB (Reischauer in Rummel, ABGB Rz 3 zu § 1330 mwN; Korn-Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht,

75) - besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung (ÖBl 1981, 45), nicht aber ein Anspruch auf Ermächtigung des Klägers zur Veröffentlichung des Widerrufs auf Kosten des Beklagten. Bei Verstößen gegen §§ 1 und 7 UWG kann auch auf Unterlassung geklagt und überdies die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Sinne des § 25 Abs 3 UWG verlangt werden; ein solcher Anspruch auf Veröffentlichung des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils besteht aber mangels Anwendbarkeit des § 25 Abs 3 UWG bei Verstößen gegen § 1330 ABGB nicht (Korn-Neumayer aaO 77; MR 1991, 20).

Da die Klägerin keinen öffentlichen Widerruf der Beklagten verlangt hat, hätte sie in ihrem Begehren angeben müssen, wem gegenüber der Widerruf abzugeben ist. Ohne Rücksicht darauf, ob der Klägerin daher überhaupt ein Anspruch auf Widerruf zusteht, weil das Verhalten der Beklagten auch gegen § 1330 Abs 2 ABGB und § 7 Abs 1 UWG verstoßen haben mag, ist daher die Klage in diesem Umfang schon wegen Unbestimmtheit des Begehrens abzuweisen (Korn-Neumayer aaO 76; ÖBl 1986, 70 mwN).

Als Grundlage für das Begehren auf Urteilsveröffentlichung kommt überhaupt nur § 25 Abs 3 UWG in Betracht, welcher aber zur Voraussetzung hat, daß das beanstandete Verhalten der Beklagten - wie auch ausdrücklich geltend gemacht - entweder gegen § 7 Abs 1 UWG oder gegen § 1 UWG verstoßen hat. Da beide Tatbestände ein Handeln "zu Zwecken des Wettbewerbs" voraussetzen, kann demnach die Frage der Wettbewerbsabsicht der Beklagten in diesem Zusammenhang nicht dahingestellt bleiben. Ob die Beklagte die beanstandete Glosse in Wettbewerbsabsicht veröffentlicht hat, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tat- und keine Rechtsfrage (SZ 47/23; SZ 61/193; ÖBl 1980, 18 und 250; ÖBl 1991, 15 und 87 uva). Selbst wenn aber der Beklagten im vorliegenden Fall der von ihr angebotene, aber nicht durchgeführte Beweis der gänzlich fehlenden Wettbewerbsabsicht mißlingen sollte, muß die zufolge der abfälligen Äußerungen anzunehmende Wettbewerbsabsicht noch nicht das einzige oder auch nur das wesentliche Ziel der Handlung gewesen sein; sie kann vielmehr gegenüber dem eigentlichen Beweggrund völlig in den Hintergrund getreten sein. Das ist aber als Wertung eine Rechtsfrage, die auf Grund der zu den verschiedenen Beweggründen und Zwecken des Handelns getroffenen Feststellungen und der offenkundigen Tatsachen zu beurteilen ist (MR 1989, 61; MR 1990, 18; ÖBl 1991, 87 ua; zuletzt etwa 4 Ob 135/91). Da die Glosse in ihrem vollen Wortlaut vorliegt, kann diese Frage entgegen der Meinung der Klägerin schon jetzt dahin beantwortet werden, daß bei ihrer Veröffentlichung weltanschaulich-politische Zwecke so überragend im Vordergrund standen, daß die allenfalls damit verbundene Absicht des Beklagten, der Klägerin damit Leser abspenstig zu machen, völlig in den Hintergrund tritt:

Nur wer die beanstandeten Anfangs- und Schlußverse des Gedichtes für sich allein, aus dem Zusammenhang gerissen, betrachtet, kann nämlich den Eindruck gewinnen, hier solle nur ein Mitbewerber schlecht gemacht und beleidigt werden, ohne daß irgendein Zusammenhang mit weltanschaulich-politischen Differenzen zwischen den Medien erkennbar wäre. Liest man jedoch das Gedicht zur Gänze, dann tritt klar zu Tage, daß hier eindeutig ein politisch-ideologischer Streit ausgetragen werden soll: Weil die "Volksstimme" bisher "Organ der KPÖ" war, sich aber jetzt nicht mehr als solches bezeichnet, bleibe sie doch die "Kummerlzeitung", welche aus ideologischen Gründen "seit je gelogen habe, daß sich die Balken bogen", selbst aber aus weltanschaulich-politischen Gründen an ihre Darstellungen glaube und sich so "am Ende selber in den Sack lüge".

War danach aber bei der beanstandeten Veröffentlichung die allfällige Wettbewerbsabsicht der Beklagten von nur untergeordneter Bedeutung, dann liegt kein Verstoß gegen § 7 oder § 1 UWG vor, weshalb auch dem Urteilsveröffentlichungsbegehren der Klägerin mangels Anwendbarkeit des § 25 Abs 3 UWG der Boden entzogen ist.

In Stattgebung der Revision waren daher sowohl das Widerrufs- als auch das Urteilsveröffentlichungsbegehren abzuweisen.

Das hat auch eine Neubemessung der Kosten erster und zweiter Instanz zur Folge: Die Klägerin hat in erster und zweiter Instanz nur mit 9/10tel ihres Begehrens obsiegt, die Beklagte hat ihr daher gemäß § 43 Abs 1 (50) ZPO 4/5tel der mit 53.044,90 S (darin enthalten 8.840,90 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, sohin den Betrag von 42.435,92 S (darin enthalten 7.072,72 S Umsatzsteuer) zuzüglich 9/10tel der Barauslagen von 15.040 S (= 13.536 S), sowie 4/5tel der mit 34.041,60 S (darin enthalten 5.673,60 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens, sohin den Betrag von 27.233,28 S (darin enthalten 4.538,88 S Umsatzsteuer) zuzüglich 9/10tel der Barauslagen von 40 S (= 36 S) zu ersetzen.

Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zur Gänze obsiegt. Die Klägerin hat ihr daher gemäß §§ 41, 50 ZPO die - allerdings nur auf der Basis des Revisionsstreitwertes von 100.000 S bemessenen - Kosten von 10.094 S (darin enthalten 5.000 S Barauslagen und 849 S Umsatzsteuer) zu ersetzen. Insgesamt ergibt sich somit immer noch ein Kostenersatzanspruch der Klägerin für das Rechtsmittelverfahren zweiter und dritter Instanz in der Höhe von 17.175,28 S (darin enthalten 3.689,88 S Umsatzsteuer).

Anmerkung

E28036

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00018.92.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19920218_OGH0002_0040OB00018_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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