Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Doris H*****, und Petra H*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie für den 6. und 7.Bezirk) als besonderer Sachwalter, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Kinder gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. November 1992, GZ 43 R 704/92-97, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. September 1992, GZ 4 P 115/88-93, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem ao. Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Text
Begründung:
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18.9.1992, 4 P 115/88-93, wurden über Antrag des besonderen Sachwalters die vom Vater der Minderjährigen Doris und Petra H***** zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge erhöht. Für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1991 wurde der monatliche Geldunterhalt je Kind mit S 4.300,-- (zuvor S 3.150,-- bzw. S 2.650,--) bemessen, für die Zeit ab 1.1.1992 mit je S 4.000,--. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wurde abgewiesen. Das Erstgericht ging davon aus, daß sich die beiden Kinder in Pflege und Erziehung der Mutter befinden, die über ein monatliches Nettoeinkommen von etwa S 22.000,-- verfüge. Der Vater habe im Jahre 1991 monatlich durchschnittlich S 24.177,-- netto verdient, im Jahre 1992 habe sich sein Durchschnittsnettoeinkommen auf S 22.128,-- belaufen. Er sei nur für Doris und Petra H***** sorgepflichtig. Die beiden Minderjährigen hätten Anspruch auf je 18 % des väterlichen Nettoeinkommens. Die festgesetzten Unterhaltsbeiträge seien dem Leistungsvermögen des Vaters angepaßt, eine Überalimentierung liege nicht vor.
Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses des Vaters den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß für Doris und Petra H***** für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1991 ein vom Vater zu leistender monatlicher Unterhaltsbeitrag von je S 3.600,-- und ab 1.1.1992 ein solcher von je S 3.300,-- festgelegt wurde. Mit Ausnahme des Umstands, daß es das monatliche Nettoeinkommen des Vaters im Jahre 1992 mit etwa S 21.900,-- (gegenüber S 22.128,--) feststellte, ging es von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen aus. Es vertrat die Auffassung, daß dem Vater nach Abzug der von ihm zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge im Jahre 1992 lediglich S 15.000,-- monatlich verblieben, was als durchschnittliches Einkommen einzustufen sei. Es sei daher auch den Kindern nur ein im Bereich des Durchschnittsbedarfs gelegener Betrag (Durchschnittsbedarf ab 1.7.1992 S 3.250,--) zuzuerkennen. Im Jahre 1991 sei der durchschnittliche Bedarf von Kindern im Alter der Doris und der Petra H***** mit S 3.120,-- anzunehmen. Im Hinblick auf das väterliche Einkommen sei für das Jahr 1991 ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von je S 3.600,-- angemessen.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den nicht weiter begründeten Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei.
Im vorliegenden ao. Revisionsrekurs macht der besondere Sachwalter geltend, daß das Rekursgericht von der ständigen Rechtsprechung, wonach den Kindern eine angemessene Teilnahme an den Lebensverhältnissen der Eltern zu sichern sei, dadurch abgegangen sei, daß die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des zahlungspflichtigen Vaters erst nach Abzug der von ihm zu leistenden Unterhaltsbeiträge erfolgt sei. Die Unterhaltsbemessung müsse unter Bedachtnahme auf die überdurchschnittlichen Lebensverhältnisse der Eltern erfolgen. Der Revisionsrekursantrag geht demnach dahin, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB haben Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Es steht außer Frage, daß im vorliegenden Fall den Vater die Geldunterhaltsverpflichtung für die beiden Minderjährigen trifft. Seine Lebensverhältnisse bestimmen sich nach seinem Stand, Vermögen, Einkommen, seinen familiären Verhältnissen, gesetzlichen Sorgepflichten etc. (8 Ob 531/91 uva). Als Einkommen in diesem Sinne ist das monatliche, durchschnittliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen vor Abzug der ihm auferlegten Unterhaltsleistungen zu verstehen. Wenn das Rekursgericht bei der Beurteilung der Lebensverhältnisse des Vaters den ihm nach Abzug der zu leistenden Unterhaltsbeiträge verbleibenden Einkommensteil, nicht aber das tatsächliche monatliche Nettoeinkommen zugrundegelegt hat, hat es die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach sich die Lebensverhältnisse der Eltern auf die Höhe des Geldunterhaltsanspruches auswirken müssen, nur scheinbar berücksichtigt. Ein solcher Fehler in der Rechtsanwendung rechtfertigt gemäß § 14 Abs. 1 AußStrG die Anrufung des Obersten Gerichtshofes, weil er in Wahrheit ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung bedeutet und so die Rechtssicherheit gefährdet (5 Ob 516/92; ecolex 1991, 383; WoBl. 1992, 76/60). Der Revisionsrekurs ist daher zulässig.
In der Sache selbst ist für das Jahr 1992 von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Vaters im Betrag von etwa S 21.900,-- auszugehen. Er erzielt ein Einkommen, das etwa ein Viertel über dem Durchschnitt gelegen ist (vgl. Grillitsch-Juch-Wolf, Soziale Sicherheit 1992, 626). Bei überdurchschnittlichem Einkommen eines Unterhaltspflichtigen sind den Kindern an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierte Beträge zuzuerkennen (8 Ob 552/92). Wenn sich der Regelbedarf der hier unterhaltsberechtigten Kinder im Jahre 1992 auf je S 3.250,-- belaufen hat (ÖA 1992/Heft 4), dann nehmen die Kinder bei Zuspruch von je S 4.000,-- monatlich für die Zeit ab 1.1.1992 angemessen an den väterlichen Lebensverhältnissen teil, denn der durchschnittliche Bedarf wird um einen in angemessener Relation zum überdurchschnittlichen Einkommen des Vaters gelegenen Prozentsatz erhöht.
Im Jahre 1991 betrug das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters S 24.177,--. Dieses Einkommen stellt sich als weit überdurchschnittlich dar (etwa ein Drittel über dem Durchschnitt gelegen), sodaß auch der vom Erstgericht vorgenommene Zuspruch von S 4.300,-- monatlich im Jahre 1991 je Kind den überdurchschnittlich guten Lebensverhältnissen des Vaters angepaßt ist.
Die Gefahr einer Überalimentierung (vgl. JBl. 1991, 40; RZ 1991/26) besteht im vorliegenden Fall nicht, da das Einkommen des Vaters und damit auch der den Kindern zu gewährende Unterhalt nicht so erheblich über dem Durchschnitt liegt, daß eine Überalimentierung eintreten könnte. Mit der vom Erstgericht vorgenommenen Unterhaltsbemessung wird der Unterhaltsschuldner auch nicht über Gebühr in Anspruch genommen, er wird in seiner wirtschaftlichen Existenz keinesfalls gefährdet und auch nicht dazu verleitet, an der Erzielung weiteren Einkommens kein Interesse mehr zu haben (RZ 1991/50). Mit dem dem Unterhaltspflichtigen verbleibenden Einkommensrest kann er seine eigenen Bedürfnisse durchaus angemessen decken (vgl. 4 Ob 512/92, RZ 1991/26).
In Stattgebung des Revisionsrekurses war sohin der erstinstanzliche Beschluß wiederherzustellen.
Textnummer
E31154European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00509.93.0129.000Im RIS seit
15.06.1997Zuletzt aktualisiert am
21.01.2013