TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/23 2006/11/0041

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Veröffentlicht am 23.05.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2 impl;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des B in B, vertreten durch Dr. Zsizsik & Dr. Prattes, Rechtsanwälte GmbH in 8600 Bruck an der Mur, Hauptplatz 23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 9. Jänner 2006, Zl. 273.917/2- III/7/05, betreffend befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahr 1985 geborene Beschwerdeführer gab als Wehrpflichtiger eine mängelfreie Zivildiensterklärung ab und ist, wie mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Dezember 2003 festgestellt wurde, mit Wirkung vom 23. September 2003 zivildienstpflichtig

Mit Schreiben vom 23. Jänner 2005 beantragte er seine befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes für die Dauer von fünf Jahren und begründete dies damit, dass er die einmalige Chance erhalten habe, ab 1. April 2005 einen Handelsbetrieb zu übernehmen, weil der bisherige Besitzer aus gesundheitlichen Gründen das Unternehmen abgebe. In den ersten Jahren als Jungunternehmer müsse er sich auf diese Aufgabe voll konzentrieren und die damit verbundenen Fortbildungen besuchen. Der Zeitraum von fünf Jahren gebe ihm die Möglichkeit, seine Lebensgrundlage aufzubauen. Er legte ferner unter anderem ein Schreiben einer Bank vor, in welchem bestätigt wird, dass ihm zur Fortführung des besagten Unternehmens ein Investitionskredit und ein Betriebsmittelkredit eingeräumt worden seien, weiters einen Gewerberegisterauszug über die Gewerbeanmeldung zum 1. April 2005, ein "Unternehmenskonzept", die Unternehmenskaufvereinbarung vom 2. März 2003 und den Mietvertrag hinsichtlich der Geschäftsräumlichkeiten vom selben Tag.

Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 31. Oktober 2005 wurde der Beschwerdeführer aus besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes längstens (nur) bis 31. Dezember 2006 befreit. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in Kenntnis der bevorstehenden Zivildienstleistung alle seine persönlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände so einzurichten, dass vorhersehbare Schwierigkeiten bei Leistung des Zivildienstes vermieden würden. Der gewährte Befreiungszeitraum sei ausreichend, um finanzielle Verbindlichkeiten abzubauen bzw. für deren Stundung zu sorgen, sowie durch entsprechende personelle oder sonstige geeignete Vorsorgemaßnahmen für die Vertretung während der Zivildienstleistung zu sorgen.

Mit seiner Berufung beantragte der Beschwerdeführer der Sache nach die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes bis 31. Dezember 2007, weil er auf Grund der Übernahme des Unternehmens nicht in der Lage sei, sich derart kurzfristig einzuarbeiten und für Vertretung zu sorgen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 Zivildienstgesetz - ZDG ab und führte begründend im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer sei die befristete Befreiung gewährt worden, damit er seiner Harmonisierungspflicht im Sinne des § 13 ZDG entsprechen könne. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er seine Schulausbildung im Juli 2005 beende, er habe daher mit einer Zuweisung ab Herbst 2005 rechnen müssen. Der Beschwerdeführer habe keine Kasernierung zu erwarten und werde grundsätzlich seinen Dienst bei einer in der Nähe seines Wohnortes gelegenen Einrichtung leisten können, sodass er nach Maßgabe seiner Freizeit im Unternehmen arbeiten könne. Darüber hinaus gehörten Vorkehrungen wie für den Fall der Verhinderung im Fall von Krankheit und dergleichen zum üblichen Betriebsgeschehen und seien im Sinn der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Unternehmers von ihm zu treffen. Die belangte Behörde halte die von der Behörde erster Instanz ausgesprochene Befristung für angemessen, um die nachteiligen Auswirkungen auf die selbständige Berufsausübung des Beschwerdeführers so gering wie möglich zu halten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG hat die Zivildienstserviceagentur den Zivildienstpflichtigen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien, wenn und so lange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Auszugehen ist davon, dass die belangte Behörde, wie schon die erstinstanzliche Behörde, die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe dahin ausgelegt hat, dass rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers seine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes rechtfertigen. Strittig ist allein die Dauer der Befreiung. Die belangte Behörde ist auf die vom Beschwerdeführer für die Notwendigkeit einer befristeten Befreiung bis 31. Dezember 2007 in der Berufung vorgetragenen Argumente, insbesondere über die Notwendigkeit seiner persönlichen Anwesenheit in der Aufbauphase des Unternehmens für die Kundenakquirierung sowie für die Durchführung von Verkaufs-, Wartungs- und Reparaturaufträgen, vor allem aber für die persönliche Einschulung von Mitarbeitern, weil in der Branche des gegenständlichen Unternehmens kein Lehrberuf zur Verfügung stehe, was für den Fortbestand des Unternehmens erforderlich sei, nicht im Einzelnen eingegangen. Die belangte Behörde hat außerdem zwar angeführt, es sei auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen Bedacht genommen worden; in welchem Umfang dies geschehen sei, ist aber weder aus dem angefochten Bescheid noch aus dem mit diesem bestätigten erstinstanzlichen Bescheid erkennbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, wie die Behörde zu dem Ergebnis gelangte, dem Beschwerdeführer sei es möglich, innerhalb des festgesetzten Zeitraumes für eine Stundung bzw. Abtragung der in den Unterlagen erwähnten, vom Beschwerdeführer aufgenommenen Fremdmittel zumindest in einer Weise, dass der Fortbestand des Unternehmens gesichert ist, zu sorgen. Desgleichen hat die belangte Behörde nicht im Einzelnen dargelegt, wie es dem Beschwerdeführer möglich sein müsste, alsbald für eine Vertretung zu sorgen. Schließlich ist auch die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könne zur Aufrechterhaltung des Betriebes neben der Zivildienstleistung in seiner Freizeit im Unternehmen arbeiten, durch nichts belegt. Eine solche Annahme hätte konkreter Feststellungen bedurft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/11/0278). Aus den vorgelegten Aktenbestandteilen ist auch nicht ersichtlich, dass diesbezüglich ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden wäre oder die belangte Behörde den Beschwerdeführer, so sie seine Angaben für nicht ausreichend erachtete, zur Ergänzung seiner Darlegungen aufgefordert hätte.

Die belangte Behörde ist im Recht, wenn sie auf die den Beschwerdeführer treffende Harmonisierungspflicht, d.h. die Pflicht, in seinen wirtschaftlichen Angelegenheiten so zu disponieren, dass bei Leistung des Zivildienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden, verwiesen hat. Dies enthebt die belangte Behörde jedoch nicht, wenn sie selbst von der Rücksichtswürdigkeit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen wirtschaftlichen Interessen ausgeht, auch entsprechend zu begründen, dass die Befristung, die von ihr verfügt wurde, ausreichend ist. In diesem Umfang ist die angefochtene Entscheidung mangels zu den aufgezeigten Fragen getroffener Feststellungen nicht nachvollziehbar.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereits im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.

Wien, am 23. Mai 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006110041.X00

Im RIS seit

28.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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