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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11997E049 EG Art49;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Erwin Wlaka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bösendorferstraße 2/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. März 2002, Zl. UVS- 07/A/25/4830/2001/18, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als Vorstandsmitglied und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (im Folgenden: ÖEWAG) mit Sitz in W für schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 25. März 1999 auf einer näher bezeichneten Baustelle die Arbeitsleistung von einundzwanzig namentlich genannten Ausländern, die von einem Untenehmen mit Sitz in Italien entsandt worden seien, entgegen § 18 Abs. 12 bis 16 Ausländerbeschäftigungsgesetz, i.d.F BGBl. I Nr. 78/1997, (AuslBG), nämlich ohne Vorliegen diesbezüglicher EU-Entsendebestätigungen, in Anspruch genommen habe.
Wegen dieser Übertretungen des § 18 Abs. 12 bis 16 AuslBG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. b leg. cit. in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 300,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Verzicht auf die Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 18 Abs. 12 bis 16 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 78/1997 lautet:
"§ 18. ...
(12) Die Beschäftigung von Ausländern, die nicht von § 1 Abs. 2 lit. m erfasst sind und die von einem ausländischen Arbeitgeber mit Betriebssitz im Staatsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, ist der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vor der Arbeitsaufnahme anzuzeigen. Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen sechs Wochen eine Anzeigebestätigung (EU-Entsendebestätigung) auszustellen. Für die Ausstellung der EU-Entsendebestätigung gelten, sofern in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen über die Entsendebewilligung. Sind die Voraussetzungen für die Ausstellung der EU-Entsendebestätigung nicht gegeben, gelten die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.
(13) Die EU-Entsendebestätigung ist auszustellen, wenn
1. der Ausländer im Staat des Betriebssitzes ordnungsgemäß und dauerhaft seit mindestens einem Jahr in einem direkten Arbeitsverhältnis zum entsendenden Arbeitgeber steht oder mit diesem einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat und über die entsprechenden Bewilligungen des Entsendestaates für die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen verfügt und
2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere gemäß § 7b Abs. 1 und 2 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.
(14) Die EU-Entsendebestätigung gemäß Abs. 12 ist für die Dauer von sechs Monaten auszustellen; sie kann jeweils um weitere sechs Monate, längstens jedoch für die Dauer der vom Arbeitgeber gemäß Abs. 12 zu erbringenden Dienstleistung, verlängert werden.
(15) Bei der Ausstellung der EU-Entsendebestätigung entfällt die Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1, 2 und 6). Die Abs. 10 und 11 sind nicht anzuwenden.
(16) Die Anzeige gemäß Abs. 12 ist vom Ausländer oder von dessen Arbeitgeber oder vom inländischen Auftraggeber des Arbeitgebers bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, in deren Sprengel die Arbeitsleistungen bzw. die Beschäftigung erbracht werden, schriftlich einzubringen."
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 21. September 2006 in der Rechtssache C-168/04, Kommission gegen Republik Österreich, § 18 Abs. 12 bis 16 AuslBG in der genannten Fassung auf die Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts untersucht und u.a. Folgendes ausgeführt:
"48 Die EU-Entsendebestätigung, wie sie in § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG geregelt ist, kann jedoch nicht als geeignetes Mittel zur Erreichung des geltend gemachten Zieles (der Notwendigkeit, darüber zu wachen, dass die Voraussetzungen einer Entsendung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit erfüllt seien) angesehen werden.
49 Zum einen berücksichtigt nämlich ein solches Verfahren, das auf die systematische Einhaltung der österreichischen Lohn- und Beschäftigungsbedingungen abstellt, nicht die sozialen Schutzmaßnahmen, insbesondere im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung, denen das entsendende Unternehmen nach dem im Herkunftsstaat geltenden Recht oder einem gegebenenfalls zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem betreffenden Drittstaat geschlossenen Kooperationsabkommen unterliegt und deren Anwendung geeignet ist, eine ernste Gefahr der Ausbeutung von Arbeitnehmern sowie der Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen auszuschalten (vgl. Urteil Vander Elst, Randnr. 25, und Kommission/Luxemburg, Randnr. 35).
50 Zum anderen geht die Bedingung, die die Erteilung der EU-Entsendebestätigung vom Bestehen von Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr oder von unbefristeten Arbeitsverträgen abhängig macht, über das hinaus, was im Namen des Zieles des sozialen Schutzes als notwendige Voraussetzung für die Erbringung von Dienstleistungen mittels Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer verlangt werden kann (Urteile Kommission/Luxemburg, Randnrn. 32 und 33, und Kommission/Deutschland, Randnr. 58).
51 Auch kann sich die österreichische Regierung nicht auf die vom Gerichtshof in Randnummer 26 des Urteils Vander Elst verwendete Formulierung berufen, wenn sie geltend macht, dass aufgrund dieses Erfordernisses kontrolliert werden könne, ob der entsandte drittstaatsangehörige Arbeitnehmer über eine ordnungsgemäße und dauerhafte Beschäftigung im Niederlassungsstaat seines Arbeitgebers verfüge. Der Gerichtshof hat nämlich den Begriff der 'ordnungsgemäßen und dauerhaften Beschäftigung' nicht mit der Bedingung eines Wohnsitzes oder einer Beschäftigung im Niederlassungsstaat des Dienstleistungsunternehmens von bestimmter Dauer verbunden (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 55).
52 Insoweit stellt die nach dem AVRAG bestehende Verpflichtung für ein Dienstleistungsunternehmen, den örtlichen Behörden vor einer Entsendung die bevorstehende Anwesenheit eines oder mehrerer zu entsendender Arbeitnehmer, die vorgesehene Dauer dieser Anwesenheit und die durch die Entsendung veranlasste(n) Dienstleistung(en) mitzuteilen, eine ebenso wirksame, aber weniger einschneidende Maßnahme als die streitige Bedingung dar. Durch sie sind die betreffenden Behörden nämlich in der Lage, die Einhaltung der österreichischen sozialrechtlichen und Lohnregelung während der Dauer der Entsendung zu kontrollieren und dabei die Verpflichtungen zu berücksichtigen, denen das Unternehmen bereits nach den im Herkunftsmitgliedstaat geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften unterliegt.
53 Daraus folgt, dass das Verfahren der EU-Entsendebestätigung über das hinausgeht, was zur Verfolgung des Zieles des Schutzes der Arbeitnehmer erforderlich ist."
Der EuGH kam in seinem Urteil zu folgendem Ergebnis (Tenor):
"Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus
Artikel 49 EG verstoßen, indem sie ... die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer durch ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen von der Einholung der 'EU-Entsendebestätigung' nach § 18 Abs 12 bis 16 Ausländerbeschäftigungsgesetz abhängig macht, die nur erteilt wird, wenn erstens der betreffende Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei dem betreffenden Unternehmen beschäftigt ist oder mit diesem einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat ..."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung jener Rechtsvorschriften bestraft, durch welche die Republik Österreich nach dem angeführten Urteil des EuGH gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer daher durch die Anwendung gemeinschaftsrechtwidriger Vorschriften in seinen Rechten verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. Oktober 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002090092.X00Im RIS seit
21.11.2006Zuletzt aktualisiert am
24.10.2011