Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gottweis als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter B***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. März 2000, GZ 12 e Vr 4.644/99-68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, der Vertreterin des Finanzamts für den 23. Bezirk als Finanzstrafbehörde erster Instanz, Dr. Schmutzer, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Beck zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Peter B***** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zur Last liegende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG gemäß § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von
1,2 Millionen Schilling, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu vier Monaten Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen und der Angeklagte mit seiner Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter B***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.
Darnach hat er vom 29. März 1983 bis 9. April 1987 in Wien als Prokurist und faktischer Geschäftsführer der C***** Ges.m.b.H. in Liquidation vorsätzlich in mehreren Tathandlungen eine Verkürzung von Abgaben bewirkt, und zwar
A./ unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine in zu niedriger Festsetzung gelegene Verkürzung nachgenannter bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, indem er unrichtige, Erlöse und Gewinn zu gering ausweisende Jahreserklärungen abgab, sodass darauf beruhende Bescheide erlassen wurden, und zwar für das Veranlagungsjahr
1981 (Jahreserklärung 29. März 1983, Bescheid "13. Juni 1985")
Körperschaftsteuer 183.310 S
Gewerbesteuer 66.241 S
für 1982 (Jahreserklärung "25. November 1984" [richtig: 25. Jänner 1984], Bescheid 9. März 1984)
Körperschaftsteuer 771.175 S
Gewerbesteuer 237.180 S
für 1983 (Jahreserklärung 24. September 1984, Bescheid "8. Feber 1985")
Körperschaftsteuer 244.760 S
Gewerbesteuer 80.756 S
für 1984 (Jahreserklärung 20. Dezember 1985, Bescheid 25. Juni 1986)
Körperschaftsteuer 31.440 S
Gewerbesteuer 17.921 S
für 1985 (Jahreserklärung 9. April 1987, Bescheid 5. Mai 1987)
Körperschaftsteuer 2,217.575 S
Gewerbesteuer 668.618 S;
B./ eine in unterbliebener Entrichtung gelegene Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer für verdeckte Gewinnausschüttungen, indem er ihre Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr unterließ, und zwar
für 1984 um 30.680 S
für (ersichtlich, US 9 f) 1985 um 1,156.214 S.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b, 10 und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.
Der Mängelrüge (Z 5) ist vorerst zuzustimmen, dass der Bescheid über die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer für das Jahr 1981 nach dem zur Begründung zutreffend zitierten Akteninhalt vom 13. Juni 1983 (vgl US 10, S 587/I) stammt. Wenn das Erstgericht im Spruch das Bescheiddatum mit 13. Juni 1985 bezeichnet (US 3), handelt es sich hiebei um einen - schon aus der sonst zitierten zeitlichen Abfolge leicht ersichtlichen - Schreibfehler, dem zudem - wie noch zur Verjährungsproblematik darzulegen sein wird - keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.Der Mängelrüge (Z 5) ist vorerst zuzustimmen, dass der Bescheid über die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer für das Jahr 1981 nach dem zur Begründung zutreffend zitierten Akteninhalt vom 13. Juni 1983 vergleiche US 10, S 587/I) stammt. Wenn das Erstgericht im Spruch das Bescheiddatum mit 13. Juni 1985 bezeichnet (US 3), handelt es sich hiebei um einen - schon aus der sonst zitierten zeitlichen Abfolge leicht ersichtlichen - Schreibfehler, dem zudem - wie noch zur Verjährungsproblematik darzulegen sein wird - keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.
Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens anhand der Akten ergeben sich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5a). Für die Urteilsannahmen zur Bedeutung der liechtensteinischen "Briefkastenfirma" I*****, die der Angeklagte zur Begehung der Abgabenverkürzungen vorschob, um Gewinne der C***** Ges.m.b.H. zu verschleiern (US 5 bis 10), war nicht der vom Beschwerdeführer in den Mittelpunkt gerückte Umstand entscheidend, dass die I***** im März 1979, sohin vor der C***** Ges.m.b.H. gegründet wurde (deren Gesellschaftsvertrag nach den Feststellungen vom 6. April 1979 stammt). Ebensowenig war von zentraler Bedeutung, dass nach dem Schlussbericht des Finanzamtes für Körperschaften als Finanzstrafbehörde erster Instanz (ON 32) die Gründung der I***** von der C***** Ges.m.b.H. durch den Angeklagten "als uneingeschränkt Bevollmächtigten" initiiert wurde. Die Rolle der liechtensteinischen Firma im Verkürzungsgeschehen und den Hinterziehungswillen des Angeklagten hat das Erstgericht vielmehr aus einer Reihe anderer, in der Beschwerde nicht erwähnter Verfahrensergebnisse denkrichtig abgeleitet (vgl US 10 f und die dort angeführten Belegstellen).
Was die behauptete teilweise absolute Verjährung betrifft (Z 9 lit b), war das Erstgericht - wie unter Z 5 bemängelt - nicht gehalten, sämtliche jeweils in Geltung stehenden Rechtsvorschriften zu zitieren ("iura novit curia").
Der diesbezügliche zeitliche Ablauf stellt sich wie folgt dar:
Die Finanzstrafgesetznovelle 1975, BGBl Nr 335, sah für in die Zuständigkeit der Gerichte fallende Finanzvergehen keine absolute Verjährung vor (§ 31 Abs 5 FinStrG).
Mit Finanzstrafgesetznovelle 1985, BGBl Nr 571, wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 1986 der § 31 Abs 5 FinStrG dahin geändert, dass die Strafbarkeit jedenfalls erlischt, wenn seit dem Beginn der Verjährungsfrist bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung das Gericht zuständig ist, fünfzehn Jahre verstrichen sind. Laut Art II § 2 Abs 1 sind die Bestimmungen des Ersten Abschnittes des Finanzstrafgesetzes, soweit sie durch dieses Bundesgesetz geändert werden, in der geänderten Fassung auf Taten anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen worden sind. Auf frühere Taten sind sie dann anzuwenden, wenn die Bestimmungen, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren.Mit Finanzstrafgesetznovelle 1985, Bundesgesetzblatt Nr 571, wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 1986 der § 31 Abs 5 FinStrG dahin geändert, dass die Strafbarkeit jedenfalls erlischt, wenn seit dem Beginn der Verjährungsfrist bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung das Gericht zuständig ist, fünfzehn Jahre verstrichen sind. Laut Art II § 2 Abs 1 sind die Bestimmungen des Ersten Abschnittes des Finanzstrafgesetzes, soweit sie durch dieses Bundesgesetz geändert werden, in der geänderten Fassung auf Taten anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen worden sind. Auf frühere Taten sind sie dann anzuwenden, wenn die Bestimmungen, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren.
Das Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl I Nr 28/1999, beseitigte schließlich mit Wirkung vom 13. Jänner 1999 diesen Strafaufhebungsgrund bei gerichtlich zu verfolgenden Finanzvergehen (Art XI Z 4).
Vorliegend stammen die unrichtigen Jahreserklärungen für 1981 bis 1983 und die bezughabenden, den Erfolgseintritt bedingenden Bescheide sowie die 1984 und 1985 (ON 57 Blg 10 bis 16) zugekommenen verdeckten Gewinnausschüttungen, die Grundlage für die binnen einer Woche nach Zufluss der Beträge selbst zu berechnende und abzuführende Kapitalertragsteuer waren, durchwegs aus dem Zeitraum vor dem 1. Jänner 1986.
Damit kommt aber hinsichtlich dieser Fakten ein Günstigkeitsvergleich nicht in Betracht:
Nach § 4 Abs 2 FinStrG ist hiefür nämlich allein der Vergleich der Rechtslage zur jeweiligen Tatzeit mit jener im Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz maßgebend, wobei die für den Angeklagten günstigere den Ausschlag gibt.
Dies bedeutet, dass eine erst nach Tatbegehung geschaffene und für den Täter allenfalls günstigere Gesetzeslage, die aber - wie hier - zur Zeit der Entscheidung erster Instanz (einschließlich ihrer zitierten Rückwirkungsbestimmung) bereits wieder hinfällig war (sog. "Zwischengesetz"), beim Günstigkeitsvergleich nicht zu berücksichtigen ist (Leukauf/Steininger Komm3 § 61 RN 17; Dorazil/Harbich FinStrG § 4 E 74a).
Hinsichtlich der die Jahre 1984 und 1985 betreffenden Körperschaft- und Gewerbesteuer ergingen die - wegen Bewirkung des Erfolges maßgeblichen - Bescheide am 25. Juni 1986 und 5. Mai 1987, also nach Einführung der Bestimmung über die absolute Verjährung. Damit stellt sich aber die Problematik des hier schlagend werdenden Günstigkeitsvergleiches nicht, weil zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz diesbezüglich die 15-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen war.
Ein Fortsetzungszusammenhang zwischen jenseits und innerhalb der Fünfzehn-Jahres-Grenze begangenen Taten hat aber außer Betracht zu bleiben (JBl 1993, 256).
Soweit die Rüge (nominell Z 10, inhaltlich Z 11) die Anwendung eines unrichtigen Prozentsatzes (25 statt 20 %) in Bezug auf die abzuführende Kapitalertragsteuer behauptet, übersieht sie, dass das Erstgericht - den Berechnungen des Sachverständigen (ON 57) folgend - ohnehin von dem für den Angeklagten günstigeren Steuersatz von 20 % laut Einkommensteuergesetz 1972 ausgegangen ist: Nach § 95 Abs 1 des im Tatzeitpunkt gültigen Einkommensteuergesetzes 1972 hat der Schuldner der Kapitalerträge (also die C***** GesmbH) die Kapitalertragsteuer mit 20 % der Kapitalerträge einzubehalten und den Steuerabzug in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger (also dem Angeklagten als Empfänger der verdeckten Gewinnausschüttung) zufließen. Übernimmt der Schuldner der Kapitalerträge (C***** GesmbH) die Kapitalertragsteuer zugunsten eines Gläubigers (Angeklagter) so ist - wie vorliegend (vgl Tz 54 des Betriebsprüfungsberichts, S 154/I) - der übernommene Betrag als Leistung des Schuldners dem Kapitalertrag hinzuzurechnen, was, weil auch keine Verpflichtungserklärung des Beschwerdeführers vorliegt, in der er sich bereit erklärt hätte, die Steuer zu übernehmen, hier zu einem Effektivprozentsatz von 25 % führt (nach derzeit geltender Rechtslage 33,33 % bei Steuertragung durch die GesmbH).Soweit die Rüge (nominell Z 10, inhaltlich Z 11) die Anwendung eines unrichtigen Prozentsatzes (25 statt 20 %) in Bezug auf die abzuführende Kapitalertragsteuer behauptet, übersieht sie, dass das Erstgericht - den Berechnungen des Sachverständigen (ON 57) folgend - ohnehin von dem für den Angeklagten günstigeren Steuersatz von 20 % laut Einkommensteuergesetz 1972 ausgegangen ist: Nach § 95 Abs 1 des im Tatzeitpunkt gültigen Einkommensteuergesetzes 1972 hat der Schuldner der Kapitalerträge (also die C***** GesmbH) die Kapitalertragsteuer mit 20 % der Kapitalerträge einzubehalten und den Steuerabzug in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger (also dem Angeklagten als Empfänger der verdeckten Gewinnausschüttung) zufließen. Übernimmt der Schuldner der Kapitalerträge (C***** GesmbH) die Kapitalertragsteuer zugunsten eines Gläubigers (Angeklagter) so ist - wie vorliegend vergleiche Tz 54 des Betriebsprüfungsberichts, S 154/I) - der übernommene Betrag als Leistung des Schuldners dem Kapitalertrag hinzuzurechnen, was, weil auch keine Verpflichtungserklärung des Beschwerdeführers vorliegt, in der er sich bereit erklärt hätte, die Steuer zu übernehmen, hier zu einem Effektivprozentsatz von 25 % führt (nach derzeit geltender Rechtslage 33,33 % bei Steuertragung durch die GesmbH).
Hingegen zeigt die Strafzumessungsrüge (Z 11) zutreffend einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot durch Wertung des hohen Hinterziehungsbetrages als erschwerend auf (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 11).
Bei der nach Kassation des Strafausspruchs erforderlichen Strafneubemessung - das Schöffengericht hatte eine Geldstrafe von 3,420.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit acht Monate Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt - war erschwerend kein Umstand, als mildernd jedoch der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und die Tatsache zu werten, dass das gegen ihn geführte Verfahren - ohne dass es seiner Sphäre zuzurechnen wäre - unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB).
Mit Blick auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers (US 4) entspricht die - auch der aufgezeigten Sonderkonstellation des Entfalls der absoluten Verjährung Rechnung tragende - im Bereich von etwas mehr als 10 % des Strafrahmens ausgemessene Geldstrafe von 1,2 Mio S (für den Fall der Uneinbringlichkeit vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe) der tat- und täterbezogenen Schuld.
Die aufwendige Einschaltung einer "Briefkastenfirma" zum Zweck der Abgabenverkürzung verwehrt aus spezial- und generalpräventiven Sicht die Anwendung bedingter Strafnachsicht.
Die Kostenentscheidung ist im § 390a StPO begründet.
Textnummer
E60524European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0140OS00062..0130.000Im RIS seit
01.03.2001Zuletzt aktualisiert am
12.10.2010