Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Gerhard Prochaska und MinRat Mag. Genser als weitere Richter in den verbundenen und auf die Ansprüche nachstehender Personen eingeschränkten Rechtssachen der klagenden Parteien 14. Alois B*****, 48. Regina G*****, 50. Wolfgang G*****,
73. Franz H*****, 75. Heinz-Dieter H*****, 76. Brigitte H*****, 80. Brigitte J*****, 107. Robert L*****, 108. Anneliese L*****, 124. Friederike M*****, 198. Elisabeth W*****, sämtliche vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Eisenberger-Herzog-Nierhaus-Forcher & Partner, Rechtsanwaltssozietät in Graz, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Jänner 2002, GZ 10 Ra 404/01g-28, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 30. August 2001, GZ 25 Cga 127/00d-23, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die beklagte Partei ist Rechtsträgerin mehrerer Unfallkrankenhäuser und Rehabilitationszentren. Die klagenden Parteien sind als Mitarbeiter des Pflegedienstes in diesen Einrichtungen beschäftigt. Auf ihre Dienstverhältnisse ist die "Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs" (DO.A) anzuwenden.
§ 51 der DO.A lautet auszugsweise wie folgt:Paragraph 51, der DO.A lautet auszugsweise wie folgt:
"1) Gefahrenzulage
Zur Abgeltung einer durch Einwirkungen im Sinne des § 40 Abs 3, 5 und 6 ASchG hervorgerufenen Gesundheitsgefährdung gebührt eine Gefahrenzulage im Ausmaß der nachstehend angeführten Prozentsätze des Gehaltes nach Gehaltsgruppe B, Dienstklasse II Bezugsstufe C,Zur Abgeltung einer durch Einwirkungen im Sinne des Paragraph 40, Absatz 3,, 5 und 6 ASchG hervorgerufenen Gesundheitsgefährdung gebührt eine Gefahrenzulage im Ausmaß der nachstehend angeführten Prozentsätze des Gehaltes nach Gehaltsgruppe B, Dienstklasse römisch II Bezugsstufe C,
1. im Ausmaß von .............. 7,5 von 100
bei überwiegender Verwendung in einem der folgenden angeführten Bereiche:
Im Jahr 1994 erhoben die Angestelltenbetriebsräte der
Unfallkrankenhäuser und Rehabilitationszentren der beklagten Partei
gegen diese eine Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG, in der sie
die Feststellung begehrten, dass alle jene ... Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen der beklagten Partei, auf deren Arbeitsverhältnis
der Kollektivvertrag DO.A ... anzuwenden ist, und die überwiegend
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse beider Streitteile sind zulässig, weil das Berufungsgericht der Entscheidung 8 ObA 211/99h eine zu weitreichende Bedeutung beigemessen hat. Sie sind jedoch im Ergebnis nicht berechtigt, weil sich eine Verfahrensergänzung jedenfalls als unerlässlich erweist.
Bereits im "Vorverfahren" hat der Oberste Gerichtshof dargelegt, dass es Zweck der Regelung über die Gefahrenzulage gewesen sei, die erhöhte Gesundheitsgefährdung der betreffenden Arbeitnehmer durch den Kontakt mit in diesem Sinne gefährlichen, etwa "septischen", Patienten abzugelten. Da diese Patienten bei Abschluss des Kollektivvertrags auf eigenen septischen Stationen betreut wurden, sei im Sinne einer vernünftigen, zweckentsprechenden und praktisch durchführbaren Regelung als Kriterium die (überwiegende) Tätigkeit auf einer solchen Station herangezogen worden. Auch nach der Auflösung der "septischen Stationen" sei der Zweck der Gefahrenzulage nicht weggefallen, weil auch bei septischen Patienten (auch jenen der Wundkategorie B) eine Gefährdung des Betreuungspersonals dadurch gegeben sei, dass es Träger dieser Keime werde und dass diese im Falle abgeschwächter Immunabwehr gefährlich werden könnten. Die nachträglich eingetretene Sachverhaltsänderung hätten die Kollektivvertragsparteien offenbar nicht bedacht, weshalb eine ergänzende Rechtsfortbildung unter Zugrundelegung des noch immer aktuellen Normzwecks zu erfolgen habe.
Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an. Die daran anknüpfende Formulierung, den geänderten Verhältnissen werde bei Orientierung am immer noch aktuellen Normzweck dadurch am besten Rechnung getragen, dass auf die überwiegende Betreuung septischer Patienten abgestellt werde, beruht offenbar auf dem im damaligen Verfahren zu beurteilenden Begehren, das sich allein auf die Gefahrenzulage für solche Dienstnehmer bezog, die "überwiegend Patienten mit Wundinfektionen betreuen". Entgegen der Auffassung der beklagten Partei kann daraus aber keineswegs der Schluss gezogen werden, dass ausschließlich diese Dienstnehmer Anspruch auf die Gefahrenzulage haben. Mit einer solchen Abgrenzung würde man nämlich zahlreiche Dienstnehmer vom Bezug der Gefahrenzulage ausschließen, die vor Auflösung der "septischen Stationen" zweifelsfrei bezugsberechtigt waren und weiterhin einem gleichgebliebenen Risiko ausgesetzt sind.
Die beklagte Partei übersieht nämlich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der heranzuziehenden Vorschrift der DO.A bereits jene Dienstnehmer Anspruch auf die Gefahrenzulage hatten, die überwiegend, also mit mehr als der Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit, etwa auf einer "septischen Station" verwendet wurden. Die "überwiegende Betreuung septischer Patienten" könnte nur dann mit der (kollektivvertraglich geregelten) "überwiegenden Verwendung ... auf septischen Stationen" gleichgesetzt werden, wenn sich auf diesen Stationen ausschließlich "septische Patienten" befunden und die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers ausschließlich in der Betreuung dieser Patienten bestanden hätte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen befanden sich auf den "septischen Stationen" (bzw auf den "Querschnittsstationen") aber keineswegs ausschließlich "septische Patienten"; vielmehr lag der Anteil in manchen Anstalten generell unter 50 %. Ginge man nun etwa - für einen anschaulichen Beispielsfall - von einem Anteil derartiger Patienten von 50 % und einer (überwiegenden) Verwendung eines Dienstnehmers auf einer solchen Station im Ausmaß von 60 % seiner Arbeitszeit aus, so käme man - unter der Annahme, dass der Dienstnehmer auf dieser Station ausschließlich mit der Patientenbetreuung befasst ist - bezogen auf die Gesamtarbeitszeit auf eine Quote von 30 %, die auf die Betreuung septischer Patienten entfällt. Hatte ein Dienstnehmer unter den dargestellten Umständen - angesichts des (schon) mit einer derartigen Betreuungsquote verbundenen erhöhten Infektionsrisikos - unzweifelhaft Anspruch auf eine Gefahrenzulage, so kann sie nunmehr einem Dienstnehmer mit vergleichbarem Risiko nicht allein deshalb aberkannt werden, weil der bisherige formale Anknüpfungspunkt (Verwendung auf einer septischen Station) - durch alleinige Disposition der beklagten Partei als Dienstgeber - weggefallen ist. Andererseits gingen die Kollektivvertragsparteien zweifellos von einem gegenüber einer "Normalstation", auf der sich nur ausnahmsweise auch "septische Patienten" befinden, deutlich erhöhten Infektionsrisiko aus. Aus diesem Grund kann auch dem Rechtsstandpunkt der klagenden Parteien nicht gefolgt werden, die meinen, dass die Gefahrenzulage schon dann zuzuerkennen wäre, wenn der einzelne Dienstnehmer nur in irgendeinem (auch ganz untergeordneten) Ausmaß mit "septischen Patienten" befasst ist bzw an diesen Betreuungs- bzw Pflegehandlungen durchzuführen hat. Auch wenn es zutrifft, dass die Betreuung eines einzigen hoch infektiösen Patienten ein größeres Ansteckungsrisiko mit sich bringen kann als der Kontakt mit mehreren nur leicht infektiösen Patienten, so ist den klagenden Parteien doch entgegenzuhalten, dass der Wortlaut des § 51 Abs 1 der DO.A keine Basis dafür bietet, einem Dienstnehmer, der - außerhalb einer septischen Station - einzelne infektiöse Patienten betreut, den Anspruch auf eine Gefahrenzulage zuzubilligen. Entscheidend ist vielmehr der Gedanke, dass auf den "septischen Stationen" das Infektionsrisiko - auch auf Grund der räumlichen Konzentration derartiger Patienten - typischerweise gegenüber dem allgemeinen Infektionsrisiko auf anderen Stationen - mögen sich dort auch einzelne infektiöse Patienten aufhalten - nicht unwesentlich erhöht ist, was durch die besondere Zulage abgegolten werden soll. Auf diese Zielrichtung ist auch bei der sinngemäßen Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf die nunmehr geänderten Arbeitsbedingungen (Abschaffung der "septischen Stationen") Bedacht zu nehmen. Maßgebliches Kriterium für den Anspruch auf die Gefahrenzulage ist somit, dass der betreffende Dienstnehmer (weiterhin) einem Infektionsrisiko ausgesetzt ist, das etwa jenem entspricht, das bei Inkrafttreten der DO.A bei einer überwiegenden Tätigkeit im Bereich einer "septischen Station" bestanden hat. Da die beklagte Partei den Wegfall des praktikablen Anknüpfungspunktes für die Anspruchsberechtigung durch Auflösung der "septischen Stationen" zu vertreten hat, müssen allfällige Unklarheiten hinsichtlich dieses Infektionsrisikos in den fraglichen Zeiträumen zu ihren Lasten gehen. Den klagenden Parteien obliegt der Beweis, dass sie überwiegend in Bereichen eingesetzt waren, in denen (auch) "septische Patienten" zu betreuen waren und aus diesem Grund das Infektionsrisiko bei typisierender Betrachtung nicht unerheblich höher war als davor - also während des Bestehens "septischer Stationen" - auf jenen (allgemeinen) Stationen, die in der Aufzählung des § 51 Abs 1 Z 1 lit b DO.A nicht enthalten sind (vgl 9 ObA 2216/96i)Die beklagte Partei übersieht nämlich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der heranzuziehenden Vorschrift der DO.A bereits jene Dienstnehmer Anspruch auf die Gefahrenzulage hatten, die überwiegend, also mit mehr als der Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit, etwa auf einer "septischen Station" verwendet wurden. Die "überwiegende Betreuung septischer Patienten" könnte nur dann mit der (kollektivvertraglich geregelten) "überwiegenden Verwendung ... auf septischen Stationen" gleichgesetzt werden, wenn sich auf diesen Stationen ausschließlich "septische Patienten" befunden und die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers ausschließlich in der Betreuung dieser Patienten bestanden hätte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen befanden sich auf den "septischen Stationen" (bzw auf den "Querschnittsstationen") aber keineswegs ausschließlich "septische Patienten"; vielmehr lag der Anteil in manchen Anstalten generell unter 50 %. Ginge man nun etwa - für einen anschaulichen Beispielsfall - von einem Anteil derartiger Patienten von 50 % und einer (überwiegenden) Verwendung eines Dienstnehmers auf einer solchen Station im Ausmaß von 60 % seiner Arbeitszeit aus, so käme man - unter der Annahme, dass der Dienstnehmer auf dieser Station ausschließlich mit der Patientenbetreuung befasst ist - bezogen auf die Gesamtarbeitszeit auf eine Quote von 30 %, die auf die Betreuung septischer Patienten entfällt. Hatte ein Dienstnehmer unter den dargestellten Umständen - angesichts des (schon) mit einer derartigen Betreuungsquote verbundenen erhöhten Infektionsrisikos - unzweifelhaft Anspruch auf eine Gefahrenzulage, so kann sie nunmehr einem Dienstnehmer mit vergleichbarem Risiko nicht allein deshalb aberkannt werden, weil der bisherige formale Anknüpfungspunkt (Verwendung auf einer septischen Station) - durch alleinige Disposition der beklagten Partei als Dienstgeber - weggefallen ist. Andererseits gingen die Kollektivvertragsparteien zweifellos von einem gegenüber einer "Normalstation", auf der sich nur ausnahmsweise auch "septische Patienten" befinden, deutlich erhöhten Infektionsrisiko aus. Aus diesem Grund kann auch dem Rechtsstandpunkt der klagenden Parteien nicht gefolgt werden, die meinen, dass die Gefahrenzulage schon dann zuzuerkennen wäre, wenn der einzelne Dienstnehmer nur in irgendeinem (auch ganz untergeordneten) Ausmaß mit "septischen Patienten" befasst ist bzw an diesen Betreuungs- bzw Pflegehandlungen durchzuführen hat. Auch wenn es zutrifft, dass die Betreuung eines einzigen hoch infektiösen Patienten ein größeres Ansteckungsrisiko mit sich bringen kann als der Kontakt mit mehreren nur leicht infektiösen Patienten, so ist den klagenden Parteien doch entgegenzuhalten, dass der Wortlaut des Paragraph 51, Absatz eins, der DO.A keine Basis dafür bietet, einem Dienstnehmer, der - außerhalb einer septischen Station - einzelne infektiöse Patienten betreut, den Anspruch auf eine Gefahrenzulage zuzubilligen. Entscheidend ist vielmehr der Gedanke, dass auf den "septischen Stationen" das Infektionsrisiko - auch auf Grund der räumlichen Konzentration derartiger Patienten - typischerweise gegenüber dem allgemeinen Infektionsrisiko auf anderen Stationen - mögen sich dort auch einzelne infektiöse Patienten aufhalten - nicht unwesentlich erhöht ist, was durch die besondere Zulage abgegolten werden soll. Auf diese Zielrichtung ist auch bei der sinngemäßen Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf die nunmehr geänderten Arbeitsbedingungen (Abschaffung der "septischen Stationen") Bedacht zu nehmen. Maßgebliches Kriterium für den Anspruch auf die Gefahrenzulage ist somit, dass der betreffende Dienstnehmer (weiterhin) einem Infektionsrisiko ausgesetzt ist, das etwa jenem entspricht, das bei Inkrafttreten der DO.A bei einer überwiegenden Tätigkeit im Bereich einer "septischen Station" bestanden hat. Da die beklagte Partei den Wegfall des praktikablen Anknüpfungspunktes für die Anspruchsberechtigung durch Auflösung der "septischen Stationen" zu vertreten hat, müssen allfällige Unklarheiten hinsichtlich dieses Infektionsrisikos in den fraglichen Zeiträumen zu ihren Lasten gehen. Den klagenden Parteien obliegt der Beweis, dass sie überwiegend in Bereichen eingesetzt waren, in denen (auch) "septische Patienten" zu betreuen waren und aus diesem Grund das Infektionsrisiko bei typisierender Betrachtung nicht unerheblich höher war als davor - also während des Bestehens "septischer Stationen" - auf jenen (allgemeinen) Stationen, die in der Aufzählung des Paragraph 51, Absatz eins, Ziffer eins, Litera b, DO.A nicht enthalten sind vergleiche 9 ObA 2216/96i)
Soweit den klagenden Parteien der Beweis gelingt, dass sie in den maßgeblichen Zeiträumen einem nicht unerheblich höheren Infektionsrisiko ausgesetzt waren als vergleichbare Dienstnehmer auf sonstigen Stationen vor Auflösung der "septischen Stationen", liegt es an der beklagten Partei, nachzuweisen, dass das Ansteckungsrisiko im Einzelfall dennoch geringer war als jenes, das der kollektivvertraglichen Regelung der Gefahrenzulage zu Grunde gelegt wurde.
Da sich das Verfahren somit im aufgezeigten Sinn als ergänzungsbedürftig erweist, war den Rekursen der Streitteile im Ergebnis ein Erfolg zu versagen. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht die von den klagenden Parteien hilfsweise herangezogene Anspruchsgrundlage einer "Betriebsübung" verneint. Die klagenden Parteien gestehen in ihrem Rekurs selbst zu, dass ihnen zweifellos bekannt und bewusst war, dass die Auszahlung der Gefahrenzulage entsprechend den Bestimmungen der DO.A und dem dort normierten Anknüpfungspunkt der Verwendung auf "septischen Stationen" erfolgte. Sie können sich daher nicht gleichzeitig darauf berufen, dass ihnen die Gefahrenzulage auch dann gebührt, wenn das mit ihrer beruflichen Tätigkeit verbundene Infektionsrisiko geringer ist als jenes, das den einschlägigen kollektivvertraglichen Bestimmungen (als Untergrenze) zu Grunde gelegt wurde.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, ZPO.
Anmerkung
E65538 9ObA117.02zEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:009OBA00117.02Z.0522.000Dokumentnummer
JJT_20020522_OGH0002_009OBA00117_02Z0000_000