TE OGH 2003/5/21 6Ob78/03v

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Veröffentlicht am 21.05.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 14. Dezember 2000 verstorbenen Ottilia G*****, über den Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Herma G*****, vertreten durch Dr. Markus Fink, Rechtsanwalt in Bezau, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 10. Dezember 2002, GZ 4 R 201/02t-76, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Bezau vom 14. November 2002, GZ 2 A 225/00s-73, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin war grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaften in EZ 38, 394 und 526 je Grundbuch M***** sowie EZ 101 Grundbuch S*****. Sie war Miteigentümerin zu 60/1589-Anteilen an EZ 176 Grundbuch M***** und zur Hälfte Miteigentümerin an der Liegenschaft EZ 297 Grundbuch M*****. Zu dieser EZ gehört auch das Grundstück 184 mit dem darauf errichteten Bauernhaus H*****. Weiterer Hälfteeigentümer dieser Liegenschaft ist der erblasserische Sohn Bartle G*****. Bei dem hinterlassenen Liegenschaftsbesitz handelt es sich um land- und forstwirtschaftliche Flächen. Der erblasserische Sohn hat darüber hinaus noch weiteren land- und forstwirtschaftlichen Besitz. Er betreibt wie schon zu Lebzeiten der Erblasserin auf seinen und den zur Verlassenschaft gehörenden Flächen eine Landwirtschaft in Form von Milchviehhaltung. Die Erblasserin besaß weiters sechs 2/3 Weiderechte bei der Alpgenossenschaft S***** sowie ein Weiderecht bei der großen Viehweide M*****. Der Rohertrag des Hofes beträgt unter Berücksichtigung der im Rahmen der "Agenda 2000" gewährten Förderungsmittel (das sind etwa 21.000 EUR jährlich) jährlich etwa 38.700 EUR. Die Förderung ist bei Einhaltung der Bedingungen bis zum Jahr 2005 garantiert, ihre Höhe wird jährlich neu festgesetzt. Der betriebliche Aufwand beläuft sich - ohne Berücksichtigung von Abschreibungen - auf jährlich etwa 21.000 EUR. Das landwirtschaftliche Einkommen aus der Bewirtschaftung der angeführten Flächen beträgt etwa 18.000 EUR jährlich. der Privatverbrauch für zwei Personen auf einem Hof dieser Größe beträgt im Durchschnitt jährlich etwa 13.400 EUR. Der erblasserische Sohn erzielt zusätzlich ein Einkommen als Skilehrer und als privater Zimmervermieter.

Die Erblasserin hinterließ drei volljährige Kinder, darunter den 1940 geborenen Sohn Bartle und die 1941 bzw 1942 geborenen Töchter Hedwig und Herma. Die Tochter Hedwig erklärte mit Schreiben vom 17. 8. 2002, ihren Erbteil aus dem Liegenschaftsbesitz der Erblasserin ihrem Bruder Bartle zu schenken. Zwischen den Geschwistern Herma und Bartle ist strittig, ob es sich bei dem zum Nachlass gehörenden landwirtschaftlichen Anwesen um einen Erbhof im Sinn des § 1 AnerbenG handle. Der erblasserische Sohn Bartle beantragte die beschlussmäßige Feststellung der Erbhofeigenschaft.Die Erblasserin hinterließ drei volljährige Kinder, darunter den 1940 geborenen Sohn Bartle und die 1941 bzw 1942 geborenen Töchter Hedwig und Herma. Die Tochter Hedwig erklärte mit Schreiben vom 17. 8. 2002, ihren Erbteil aus dem Liegenschaftsbesitz der Erblasserin ihrem Bruder Bartle zu schenken. Zwischen den Geschwistern Herma und Bartle ist strittig, ob es sich bei dem zum Nachlass gehörenden landwirtschaftlichen Anwesen um einen Erbhof im Sinn des Paragraph eins, AnerbenG handle. Der erblasserische Sohn Bartle beantragte die beschlussmäßige Feststellung der Erbhofeigenschaft.

Die erblasserische Tochter Herma meldete im Verlassenschaftsverfahren eine Forderung von zuletzt 70.383,73 EUR für die Pflege der Erblasserin zwischen April 1995 bis Dezember 2000 an.

Das Erstgericht bejahte die Erbhofeigenschaft. Es stellte noch fest, dass auf dem Hof keine Schulden lasten. Rechtlich vertrat es die Auffassung, der vorliegende Hof erfülle die Erfordernisse des § 1 AnerbenG. Die gewährten Förderungsmittel seien dem Ertrag hinzuzurechnen. Die gegen die Verlassenschaft angemeldete und vom erblasserischen Sohn bestrittene Forderung für geleistete Pflege sei keine auf dem Hof lastende Forderung und habe keinen Einfluss auf die Feststellung der Erbhofeigenschaft.Das Erstgericht bejahte die Erbhofeigenschaft. Es stellte noch fest, dass auf dem Hof keine Schulden lasten. Rechtlich vertrat es die Auffassung, der vorliegende Hof erfülle die Erfordernisse des Paragraph eins, AnerbenG. Die gewährten Förderungsmittel seien dem Ertrag hinzuzurechnen. Die gegen die Verlassenschaft angemeldete und vom erblasserischen Sohn bestrittene Forderung für geleistete Pflege sei keine auf dem Hof lastende Forderung und habe keinen Einfluss auf die Feststellung der Erbhofeigenschaft.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Leistungsfähigkeit des Hofes sei nach objektiven Kriterien zu beurteilen, wobei es auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf eine konkrete Bewirtschaftungsart ankomme. Das vom Erstgericht festgestellte Einkommen reiche zur angemessenen Erhaltung zweier erwachsener Personen. Die von der erblasserischen Tochter geltend gemachte Forderung für Pflegeleistung sei eine Schuld der Erblasserin und stehe mit der Bewirtschaftung des Hofes und der Erzielung des bäuerlichen Einkommens nicht in inhaltlichem Zusammenhang. Sie unterscheide sich daher grundlegend von den Betriebsschulden und sei daher - sollte sie zu Recht bestehen - erst bei der Berechnung des Übernahmspreises zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob Nachlassschulden, die aus der Versorgung der Erblasserin resultierten, bei der Beurteilung der Erbhofeigenschaft zu berücksichtigen seien, Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, das ihr für die Pflege der Erblasserin zustehende Entgelt sei eine typische Versorgungslast und mindere den landwirtschaftlichen Ertrag des Hofes. Es sei daher schon bei der Beurteilung der Erbhofeigenschaft des Betriebes und nicht erst bei Berechnung des Abfindungsanspruches zu berücksichtigen. Dem ist zu entgegnen:

Erbhof im Sinn des § 1 Abs 1 AnerbenG ist ein mit einer Hofstelle verbundener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, der mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag hat. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofes nach objektiven Kriterien geprüft, wobei es auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers oder des präsumtiven Hofübernehmers ankommt. Maßgeblich ist, welches landwirtschaftliche Nettoeinkommen (als rechnerische Größe) aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers von einem durchschnittlichen Landwirt bei ortsüblicher Bewirtschaftung erzielt werden kann. Unter landwirtschaftlichem Einkommen versteht die Rechtsprechung jenes Einkommen, das sich aus der Summe von Reinertrag vermehrt um den Lohnanspruch der Besitzerfamilie und verringert um Schuldzinsen und Ausgedingsbelastungen ergibt (SZ 73/104 mwN; JBl 1997, 250; RIS-Justiz RS0113948). Unter Schuldzinsen werden dabei Belastungen verstanden, die im Zusammenhang mit der Übernahme und der Bewirtschaftung des Hofes entstanden sind. Dazu zählen auch Ausgedingsbelastungen als Versorgungsleistung an einen früheren Hofeigentümer aufgrund eines Übergabsvertrages.Erbhof im Sinn des Paragraph eins, Absatz eins, AnerbenG ist ein mit einer Hofstelle verbundener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, der mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag hat. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofes nach objektiven Kriterien geprüft, wobei es auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers oder des präsumtiven Hofübernehmers ankommt. Maßgeblich ist, welches landwirtschaftliche Nettoeinkommen (als rechnerische Größe) aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers von einem durchschnittlichen Landwirt bei ortsüblicher Bewirtschaftung erzielt werden kann. Unter landwirtschaftlichem Einkommen versteht die Rechtsprechung jenes Einkommen, das sich aus der Summe von Reinertrag vermehrt um den Lohnanspruch der Besitzerfamilie und verringert um Schuldzinsen und Ausgedingsbelastungen ergibt (SZ 73/104 mwN; JBl 1997, 250; RIS-Justiz RS0113948). Unter Schuldzinsen werden dabei Belastungen verstanden, die im Zusammenhang mit der Übernahme und der Bewirtschaftung des Hofes entstanden sind. Dazu zählen auch Ausgedingsbelastungen als Versorgungsleistung an einen früheren Hofeigentümer aufgrund eines Übergabsvertrages.

Das von der erblasserischen Tochter geltend gemachte Entgelt für die persönliche Pflege der Erblasserin unterscheidet sich grundlegend von den im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des Hofes entstandenen Schuldzinsen und Ausgedingsbelastungen. Die Pflegeleistungen der erblasserischen Tochter konnten wohl zum Entstehen einer persönlichen Schuld der Erblasserin führen. Als Erblasserschulden sind sie aber - die Berechtigung der Forderung vorausgesetzt - erst bei Berechnung des Übernahmspreises zu berücksichtigen (Kralik, Erbrecht 388). Mit der Führung des landwirtschaftlichen Betriebes stehen diese Forderungen für Pflege in keinem Zusammenhang. Sie haben daher auch keinen Einfluss auf die nach objektiven Kriterien vorzunehmende Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit. Ob zur Finanzierung dieser Pflegeleistungen - wären sie nicht von der Tochter erbracht worden - allenfalls auch Grundstücke hätten veräußert werden müssen, und sich dadurch der Gutsbestand verringert hätte, ist für die Festlegung der Leistungsfähigkeit des Betriebes ohne Bedeutung. Bei der Ermittlung des im Gesetz geforderten "Durchschnittsertrags" kommt es darauf an, welcher Ertrag aus den zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorhandenen landwirtschaftlichen Gütern durchschnittlich erzielt werden kann (RIS-Justiz RS0050224).

Für die Außerachtlassung der von einem Miterben erbrachten Pflegeleistungen im Zusammenhang mit der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Hofes spricht auch die Regelung des Anerbengesetzes über die Abgeltung der von Miterben auf dem Erbhof erbrachten Arbeitsleistungen. Gemäß § 10 Abs 3 AnerbenG haben diejenigen Miterben, die auf dem Erbhof mitgearbeitet haben, Anspruch auf angemessene Abgeltung ihrer in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Erblassers geleisteten Dienste. Mangels Einigung hat das Verlassenschaftsgericht die Mitarbeit bei der Bestimmung der Abfindungsansprüche (nach Festlegung des Übernahmspreises) nach billigem Ermessen zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung dieser - für den Betrieb selbst erbrachten - Arbeitsleistungen im Zusammenhang mit der Ermittlung seines Ertrages sieht das Anerbengesetz nicht vor. Nach der gesetzlichen Konzeption finden daher sogar die von einem Miterben im Betrieb unmittelbar erbrachten Arbeitsleistungen erst im Rahmen der Verteilung des Übernahmspreises (und nicht schon bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Betriebes) Berücksichtigung.Für die Außerachtlassung der von einem Miterben erbrachten Pflegeleistungen im Zusammenhang mit der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Hofes spricht auch die Regelung des Anerbengesetzes über die Abgeltung der von Miterben auf dem Erbhof erbrachten Arbeitsleistungen. Gemäß Paragraph 10, Absatz 3, AnerbenG haben diejenigen Miterben, die auf dem Erbhof mitgearbeitet haben, Anspruch auf angemessene Abgeltung ihrer in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Erblassers geleisteten Dienste. Mangels Einigung hat das Verlassenschaftsgericht die Mitarbeit bei der Bestimmung der Abfindungsansprüche (nach Festlegung des Übernahmspreises) nach billigem Ermessen zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung dieser - für den Betrieb selbst erbrachten - Arbeitsleistungen im Zusammenhang mit der Ermittlung seines Ertrages sieht das Anerbengesetz nicht vor. Nach der gesetzlichen Konzeption finden daher sogar die von einem Miterben im Betrieb unmittelbar erbrachten Arbeitsleistungen erst im Rahmen der Verteilung des Übernahmspreises (und nicht schon bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Betriebes) Berücksichtigung.

Eine Forderung auf Abgeltung des für die Erblasserin im konkreten Fall erforderlich gewesenen Pflegeaufwands ist daher bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Betriebes im Sinn des § 1 Abs 1 AnerbenG nicht zu berücksichtigen. Als Erblasserschuld kann sie erst bei Bestimmung des Übernahmspreises Berücksichtigung finden.Eine Forderung auf Abgeltung des für die Erblasserin im konkreten Fall erforderlich gewesenen Pflegeaufwands ist daher bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Betriebes im Sinn des Paragraph eins, Absatz eins, AnerbenG nicht zu berücksichtigen. Als Erblasserschuld kann sie erst bei Bestimmung des Übernahmspreises Berücksichtigung finden.

Der Kostenbestimmungsantrag ist abzuweisen, weil Kostenersatz im Verlassenschaftsverfahren nicht zusteht.

Textnummer

E69698

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0060OB00078.03V.0521.000

Im RIS seit

20.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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