TE OGH 2003/6/4 13Os69/03

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Veröffentlicht am 04.06.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juni 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Ratz, Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin, in der Auslieferungssache gegen George S***** wegen Auslieferung zur Strafverfolgung an die Italienische Republik, AZ 8 Ns 15/03 des Oberlandesgerichtes Linz, über die Beschwerde des George S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 11. April 2003 nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die Auslieferung des am 13. November 1963 in Jugoslawien geborenen, (zuletzt:) jugoslawischen Staatsangehörigen George S***** wegen im Einzelnen angeführter Straftaten ("kriminelle Vereinigung zur Begehung von Straftaten, im Besonderen" ua "wegen des Begehens der Tat zu Erwerbszwecken von drei oder mehr Personen zum Zwecke des Anwerbens von Personen für die Prostitution, Anwerbung von Personen zum Zwecke der Prostitution, Verleitung von Personen, sich zum Zwecke der Prostitution in ein Land zu begeben, wo sie nicht ihren ordentlichen Wohnsitz haben, Zuhälterei mit dem Erschwerungsgrund des Begehens der Tat zum Nachteil von mehreren Personen) nicht für unzulässig erklärt (vgl EvBl 2002/154 = JBl 2002, 670 mit Anmerkung von Burgstaller, 13 Os 51/03).Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die Auslieferung des am 13. November 1963 in Jugoslawien geborenen, (zuletzt:) jugoslawischen Staatsangehörigen George S***** wegen im Einzelnen angeführter Straftaten ("kriminelle Vereinigung zur Begehung von Straftaten, im Besonderen" ua "wegen des Begehens der Tat zu Erwerbszwecken von drei oder mehr Personen zum Zwecke des Anwerbens von Personen für die Prostitution, Anwerbung von Personen zum Zwecke der Prostitution, Verleitung von Personen, sich zum Zwecke der Prostitution in ein Land zu begeben, wo sie nicht ihren ordentlichen Wohnsitz haben, Zuhälterei mit dem Erschwerungsgrund des Begehens der Tat zum Nachteil von mehreren Personen) nicht für unzulässig erklärt vergleiche EvBl 2002/154 = JBl 2002, 670 mit Anmerkung von Burgstaller, 13 Os 51/03).

Rechtliche Beurteilung

Wie zu 13 Os 51/03 mit eingehender Begründung dargelegt, ist dagegen in analoger Anwendung des GRBG eine Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zulässig, welche auch rechtzeitig eingebracht wurde.

In einer solchen ist anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes des Betroffenen - vgl § 19 Z 1 (Art 3 und Art 6 EMRK), § 20 ARHG (Art 1 6. ZP EMRK) und § 22 ARHG (Art 8 EMRK) - erblickt. Auch diesem Erfordernis entspricht die vorliegende Beschwerde.In einer solchen ist anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes des Betroffenen - vergleiche Paragraph 19, Ziffer eins, (Artikel 3 und Artikel 6, EMRK), Paragraph 20, ARHG (Artikel eins, 6. ZP EMRK) und Paragraph 22, ARHG (Artikel 8, EMRK) - erblickt. Auch diesem Erfordernis entspricht die vorliegende Beschwerde.

Er macht einerseits unter Berufung auf "die Härteklausel" der Sache nach eine Verletzung des Grundrechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK mit der Behauptung geltend, dass er "den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht" habe, "hier vollkommen sozial integriert" sei, "seine gesamte" - aus einer "neuen" Lebensgefährtin, zwei leiblichen Kindern und zwei Schwestern, mit denen er "regen Familienkontakt" unterhalte, bestehende - "Familie in Österreich" lebe und er weder Italienisch noch Englisch spreche. Darüber hinaus führt er ins Treffen, gegen ihn sei ein inländisches Erkenntnisverfahren anhängig, und weiter: "Es betreffen diese Strafverhandlungen auch exakt jene Personen, die im Haftbefehl des italienischen Ansuchens genannt sind", was "nunmehr vor allem in Kombination mit der Aufschiebung bis zur rechtskräftigen Verurteilung in Österreich" bedeute, "dass der Einschreiter wegen ein und derselben Straftaten mehrmals abgeurteilt werden würde."Er macht einerseits unter Berufung auf "die Härteklausel" der Sache nach eine Verletzung des Grundrechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Artikel 8, EMRK mit der Behauptung geltend, dass er "den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht" habe, "hier vollkommen sozial integriert" sei, "seine gesamte" - aus einer "neuen" Lebensgefährtin, zwei leiblichen Kindern und zwei Schwestern, mit denen er "regen Familienkontakt" unterhalte, bestehende - "Familie in Österreich" lebe und er weder Italienisch noch Englisch spreche. Darüber hinaus führt er ins Treffen, gegen ihn sei ein inländisches Erkenntnisverfahren anhängig, und weiter: "Es betreffen diese Strafverhandlungen auch exakt jene Personen, die im Haftbefehl des italienischen Ansuchens genannt sind", was "nunmehr vor allem in Kombination mit der Aufschiebung bis zur rechtskräftigen Verurteilung in Österreich" bedeute, "dass der Einschreiter wegen ein und derselben Straftaten mehrmals abgeurteilt werden würde."

Da ein Grundrecht, während eines anhängigen Inlandsverfahrens wegen der diesem zugrunde liegenden Taten nicht ausgeliefert zu werden, weder besteht noch behauptet wird, erweist sich die Beschwerde insoweit als unzulässig. Außerdem wurde im angefochtenen Beschluss, die Übergabe des George S***** gem Art 19 Abs 1 EuAlÜbk aufgeschoben, bis den inländischen Strafverfahren (34 Hv 1045/01g und 17 Ur 260/02x des Landesgerichtes Linz) Genüge getan ist. Selbst Art 4 Abs 1 des 7. ZP EMRK kennt nur das Recht, wegen einer strafbaren Handlung, derentwegen bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates eine rechtskräftige Verurteilung oder ein solcher Freispruch erfolgt ist, in einem Strafverfahren desselben Staates nicht erneut vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden (vgl auch Art 54 SDÜ).Da ein Grundrecht, während eines anhängigen Inlandsverfahrens wegen der diesem zugrunde liegenden Taten nicht ausgeliefert zu werden, weder besteht noch behauptet wird, erweist sich die Beschwerde insoweit als unzulässig. Außerdem wurde im angefochtenen Beschluss, die Übergabe des George S***** gem Artikel 19, Absatz eins, EuAlÜbk aufgeschoben, bis den inländischen Strafverfahren (34 Hv 1045/01g und 17 Ur 260/02x des Landesgerichtes Linz) Genüge getan ist. Selbst Artikel 4, Absatz eins, des 7. ZP EMRK kennt nur das Recht, wegen einer strafbaren Handlung, derentwegen bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates eine rechtskräftige Verurteilung oder ein solcher Freispruch erfolgt ist, in einem Strafverfahren desselben Staates nicht erneut vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden vergleiche auch Artikel 54, SDÜ).

Ein aus Art 8 EMRK erfließendes Auslieferungshindernis hinwieder ist den im Verhältnis zur Italienischen Republik in Geltung stehenden Auslieferungsverträgen nicht bekannt, weswegen das Oberlandesgericht keine Veranlassung zur Anführung auf dieses Grundrecht bezogener Sachverhaltsannahmen hatte, sind doch die Vorschriften des ARHG (hier: § 22) zwischenstaatlichen Vereinbarungen gegenüber bloß subsidiär (§ 1 ARHG).Ein aus Artikel 8, EMRK erfließendes Auslieferungshindernis hinwieder ist den im Verhältnis zur Italienischen Republik in Geltung stehenden Auslieferungsverträgen nicht bekannt, weswegen das Oberlandesgericht keine Veranlassung zur Anführung auf dieses Grundrecht bezogener Sachverhaltsannahmen hatte, sind doch die Vorschriften des ARHG (hier: Paragraph 22,) zwischenstaatlichen Vereinbarungen gegenüber bloß subsidiär (Paragraph eins, ARHG).

Mit Blick auf das Vorbringen des S***** und die im angefochtenen Beschluss dargelegten Tatumstände hat der Oberste Gerichtshof schon deshalb keinen Anlass, gegen die Anwendung dieser Staatsverträge aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken zu hegen (Art 89 Abs 2 und 4 B-VG), weil darnach von einer im Auslieferungsverfahren relevanten Verletzung des Art 8 EMRK nicht die Rede sein kann (vgl JBl 2001, 331 mit Anm von Dedeyne-Amann).Mit Blick auf das Vorbringen des S***** und die im angefochtenen Beschluss dargelegten Tatumstände hat der Oberste Gerichtshof schon deshalb keinen Anlass, gegen die Anwendung dieser Staatsverträge aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken zu hegen (Artikel 89, Absatz 2 und 4 B-VG), weil darnach von einer im Auslieferungsverfahren relevanten Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht die Rede sein kann vergleiche JBl 2001, 331 mit Anmerkung von Dedeyne-Amann).

Die Auslieferung ist nicht nur gesetzlich vorgesehen, sondern fällt als Einschränkung familiärer Kontakte angesichts moderner Verkehrsverbindungen zum Häftlingsbesuch im Nachbarstaat unter Berücksichtigung der Schwere der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Straftaten gegenüber einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der "Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von Straftaten" kaum ins Gewicht (Art 8 Abs 2 EMRK; vgl auch Newsletter 1995, 184 [Zulässigkeitsentscheidung in der Sache Raidl gg Österreich]).Die Auslieferung ist nicht nur gesetzlich vorgesehen, sondern fällt als Einschränkung familiärer Kontakte angesichts moderner Verkehrsverbindungen zum Häftlingsbesuch im Nachbarstaat unter Berücksichtigung der Schwere der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Straftaten gegenüber einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der "Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von Straftaten" kaum ins Gewicht (Artikel 8, Absatz 2, EMRK; vergleiche auch Newsletter 1995, 184 [Zulässigkeitsentscheidung in der Sache Raidl gg Österreich]).

Selbst bei Anwendung des § 22 ARHG wäre mangels der dort verlangten Unverhältnismäßigkeit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen: Nach seinem eigenen Vorbringen in der öffentlichen Verhandlung (§ 33 Abs 2 ARHG) wohnen seine beiden Kinder im Alter von 18 und 9 Jahren bei den jeweiligen Müttern. Sein Kontakt zu den Kindern "war zuletzt nicht sehr gut" (vor dem Untersuchungsrichter hatte er eingeräumt, im letzten halben Jahr vor seiner Verhaftung keinen Kontakt mehr zu den Kindern gehabt zu haben; ON 14). Er hat diese deshalb "nur ganz wenig gesehen, weil" er "zuletzt keine Zahlungsmittel mehr gehabt habe, um hinzufahren." Die Adresse einer der beiden Mütter konnte er gar nicht angeben (vgl aber S 115). Seine jetzige, als Lebensgefährtin bezeichnete Partnerin "ist 19 Jahre alt und geht noch zur Schule."Selbst bei Anwendung des Paragraph 22, ARHG wäre mangels der dort verlangten Unverhältnismäßigkeit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen: Nach seinem eigenen Vorbringen in der öffentlichen Verhandlung (Paragraph 33, Absatz 2, ARHG) wohnen seine beiden Kinder im Alter von 18 und 9 Jahren bei den jeweiligen Müttern. Sein Kontakt zu den Kindern "war zuletzt nicht sehr gut" (vor dem Untersuchungsrichter hatte er eingeräumt, im letzten halben Jahr vor seiner Verhaftung keinen Kontakt mehr zu den Kindern gehabt zu haben; ON 14). Er hat diese deshalb "nur ganz wenig gesehen, weil" er "zuletzt keine Zahlungsmittel mehr gehabt habe, um hinzufahren." Die Adresse einer der beiden Mütter konnte er gar nicht angeben vergleiche aber S 115). Seine jetzige, als Lebensgefährtin bezeichnete Partnerin "ist 19 Jahre alt und geht noch zur Schule."

Damit erübrigen sich weitere Erwägungen zur Relevanz des reklamierten Grundrechtes als Auslieferungshindernis gegenüber einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (zum Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 "über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten" eingehend Fuchs, Europäischer Haftbefehl und Staaten-Souveränität, JBl 2003 [im Druck]).

Anmerkung

E69897 13Os69.03

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0130OS00069.03.0604.000

Dokumentnummer

JJT_20030604_OGH0002_0130OS00069_0300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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