TE OGH 2004/4/14 3R57/04d

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Veröffentlicht am 14.04.2004
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Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Senatspräsident Dr. Doppler als Vorsitzenden sowie Dr. A. Neundlinger und Dr. Höllwerth in der Rechtssache des Klägers M***** S*****, vertreten durch Paischer & Schertler, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, gegen den Beklagten J***** S*****, vertreten durch Dr. Günther Nagele, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen € 27.000 s.A., infolge Rekurses des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 11.2.2004, 2 Cg 223/o3d-4, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

I.) Dem Rekurs wird Folge gegeben.römisch eins.) Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Der Rekurswerber hat die Rekurskosten selbst zu tragen. II.) Die Rekursbeantwortung des Klägers wird zurückgewiesen.Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Der Rekurswerber hat die Rekurskosten selbst zu tragen. römisch II.) Die Rekursbeantwortung des Klägers wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Antrag vom 3. Februar 2004 begehrte der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des (zugleich ausgeführten) Einspruches gegen den am 15.10.2003 zugestellten Zahlungsbefehl über € 27.000 s.A. (Schadenersatz für widerrechtlich entnommene Waren und nicht abgeführte Einnahmen aus Treibstoffverkäufen) mit der wesentlichen Begründung, auf Grund seines schlechten seelischen Befindens (er leide infolge krankheitsbedingt notwendiger Medikamenteneinnahme an Antriebsstörungen) zum Zeitpunkt der Zustellung den Zahlungsbefehl zwar entgegengenommen, geöffnet und angesehen, dann aber zur übrigen Post zur Seite gelegt und in der Folge die Zustellung aus der Erinnerung verdrängt bzw. verloren zu haben. Der Erinnerungsfehler sei allein durch sein schlechtes seelisches Befinden im Zeitpunkt der Zustellung hervorgerufen worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht diesen Antrag abgewiesen, ohne die angebotenen Bescheinigungsmittel aufzunehmen. Vergesse eine Partei auf Grund ihres schwachen Erinnerungsvermögens eine Frist oder einen Termin, könne dies die Wiedereinsetzung nur dann rechtfertigen, wenn das Vergessen als kausale Folge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren, unmittelbar vorangegangenen körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheitszustandes anzusehen sei. Sei die Krankheit chronisch oder seien die Auswirkungen des Gesundheitszustandes der Partei bekannt, könnten dadurch verursachte Versäumnisse nicht im Wiedereinsetzungswege geltend gemacht werden. Das Vergessen sei somit keineswegs ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis gewesen; vielmehr hätte der Beklagte damit rechnen müssen, dass er - angesichts seines gesundheitlichen Zustandes - auch wichtige Angelegenheiten leicht vergesse. Er hätte eine größere Sorgfalt bei der Behandlung des Gerichtsstückes aufwenden müssen, womit das Vergessen auch abwendbar gewesen wäre. Kausalität der Krankheit für das Vergessen liege hier (zu ergänzen ist: nach den Behauptungen) zwar vor, doch mangle es am unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Krankheit und Vergessen. Weiters könne auch ein minderer Grad des Versehens nicht angenommen werden. Mangels eines offensichtlich untauglichen Wiedereinsetzungsgrundes könne auf die Durchführung einer Bescheinigungstagsatzung verzichtet werden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der vorliegende Rekurs des Beklagten mit dem auf Bewilligung der Wiedereinsetzung abzielenden Abänderungsantrag.

Der Kläger hat eine Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Die Rekursbeantwortung ist zurückzuweisen, der Rekurs im Sinne des mitumfassten Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1) Zur Zurückweisung der Rekursbeantwortung der klagenden Partei:

Überall dort, wo nichts Gegenteiliges angeordnet ist, ist (grundsätzlich) von der Einseitigkeit des Rekursverfahrens auszugehen (EFSlg 44.131; Kodek in Rechberger ZPO § 521a Rz 1; RIS-Justiz RS0043937 [T3]). Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist - nach bisheriger Rechtsprechung - kein Ausnahmefall des § 521a Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0043937 [T5] = 9 ObA 103/98g; für die Einseitigkeit des Rekursverfahrens bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist sowie nach § 7 Abs 3 EO zuletzt noch OLG Graz 2 R 36/02k und 2 R 89/02d). Allerdings vertrat das OLG Linz erst jüngst die Ansicht, sowohl in Verfahren betreffend die Bewilligung einer Wiedereinsetzung als auch in Verfahren betreffend die Bewilligung der Verfahrenshilfe sei das Rechtsmittelverfahren zwar nicht in analoger Anwendung des § 521a ZPO, wohl aber unter Bedachtnahme auf Art 6 EMRK (Waffengleichheit), die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und verfassungsrechtlich gewährleistete Verfahrensgarantien zweiseitig und die Entscheidung 9 ObA 103/98g unter Bedachtnahme auf die durch den EMGR (Urteil vom 6.2.2001 Beer gegen Österreich = ÖJZ 2001, 516/19) eingeleitete Rechtsfortentwicklung überholt (2 R 16/04t; RIS-Justiz RL0000043, RL0000044; nur hinsichtlich Verfahrenshilfe ua unter Berufung auf Frauenberger-Pfeiler in JAP 2-2002/2003, 111 ff [114] auch OLG Linz 6 R 222/03i). Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in der nächsten Instanz könne sogar in die Rechtskraft von Entscheidungen eingegriffen werden, sodass iSd Waffengleichheit dem Gegner eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt sein müsse (OLG Linz 2 R 16/04t).Überall dort, wo nichts Gegenteiliges angeordnet ist, ist (grundsätzlich) von der Einseitigkeit des Rekursverfahrens auszugehen (EFSlg 44.131; Kodek in Rechberger ZPO Paragraph 521 a, Rz 1; RIS-Justiz RS0043937 [T3]). Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist - nach bisheriger Rechtsprechung - kein Ausnahmefall des Paragraph 521 a, Absatz eins, ZPO (RIS-Justiz RS0043937 [T5] = 9 ObA 103/98g; für die Einseitigkeit des Rekursverfahrens bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist sowie nach Paragraph 7, Absatz 3, EO zuletzt noch OLG Graz 2 R 36/02k und 2 R 89/02d). Allerdings vertrat das OLG Linz erst jüngst die Ansicht, sowohl in Verfahren betreffend die Bewilligung einer Wiedereinsetzung als auch in Verfahren betreffend die Bewilligung der Verfahrenshilfe sei das Rechtsmittelverfahren zwar nicht in analoger Anwendung des Paragraph 521 a, ZPO, wohl aber unter Bedachtnahme auf Artikel 6, EMRK (Waffengleichheit), die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und verfassungsrechtlich gewährleistete Verfahrensgarantien zweiseitig und die Entscheidung 9 ObA 103/98g unter Bedachtnahme auf die durch den EMGR (Urteil vom 6.2.2001 Beer gegen Österreich = ÖJZ 2001, 516/19) eingeleitete Rechtsfortentwicklung überholt (2 R 16/04t; RIS-Justiz RL0000043, RL0000044; nur hinsichtlich Verfahrenshilfe ua unter Berufung auf Frauenberger-Pfeiler in JAP 2-2002/2003, 111 ff [114] auch OLG Linz 6 R 222/03i). Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in der nächsten Instanz könne sogar in die Rechtskraft von Entscheidungen eingegriffen werden, sodass iSd Waffengleichheit dem Gegner eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt sein müsse (OLG Linz 2 R 16/04t).

Zur Frage der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens über die Verfahrenshilfe (vgl. dazu noch Rechberger in FS Matscher [1993] 373 ff, Rechberger-Oberhammer, Das Recht auf Mitwirkung im österreichischen Zivilverfahren im Lichte von Art 6 EMRK, ZZP 106 [1993], 347 ff, Rechberger in Schoibl, Rechtsschutz und Verfahrensgarantien im Zivilverfahren, 19) ist hier nicht Stellung zu nehmen. Zur Frage der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens über die Verfahrenshilfe vergleiche dazu noch Rechberger in FS Matscher [1993] 373 ff, Rechberger-Oberhammer, Das Recht auf Mitwirkung im österreichischen Zivilverfahren im Lichte von Artikel 6, EMRK, ZZP 106 [1993], 347 ff, Rechberger in Schoibl, Rechtsschutz und Verfahrensgarantien im Zivilverfahren, 19) ist hier nicht Stellung zu nehmen.

Bezüglich der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens bei Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Rechtsprechung des Senates 2 des OLG Linz nicht zu folgen, weil selbst der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung nach Art 6 EMRK unbedenklich ist. Der Oberste Gerichtshof hat diesen Rechtsmittelausschluss in bisher ständiger Rechtssprechung als eine - aus der Sicht der MRK - unbedenkliche Einschränkung des rechtlichen Gehörs beurteilt, weil die Garantien des Art 6 EMRK nicht für rein verfahrenstechnische Angelegenheiten gelten, die keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung und die Sache selbst haben (RdW 1996, 475; EvBl 1997/131; 6 Ob 44/99k;Bezüglich der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens bei Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Rechtsprechung des Senates 2 des OLG Linz nicht zu folgen, weil selbst der Rechtsmittelausschluss des Paragraph 153, ZPO gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung nach Artikel 6, EMRK unbedenklich ist. Der Oberste Gerichtshof hat diesen Rechtsmittelausschluss in bisher ständiger Rechtssprechung als eine - aus der Sicht der MRK - unbedenkliche Einschränkung des rechtlichen Gehörs beurteilt, weil die Garantien des Artikel 6, EMRK nicht für rein verfahrenstechnische Angelegenheiten gelten, die keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung und die Sache selbst haben (RdW 1996, 475; EvBl 1997/131; 6 Ob 44/99k;

Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² II/2 § 153 ZPO Rz 5 mwN;Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² II/2 Paragraph 153, ZPO Rz 5 mwN;

RIS-Justiz RS0102361) und an dieser Auffasssung auch in Auseinandersetzung mit der zitierten E des EMGR (ÖJZ 2001, 516/16) mit folgender Begründung festgehalten (6 Ob 282/01s): Während die Entscheidung über die Prozesskosten einen (wenngleich untergeordneten) Teil jenes Hauptanspruchs bilde, auf dessen Zuspruch die Klage unmittelbar gerichtet sei und dessen Abwehr die Einwendungen des Beklagten dienten, betreffe die Entscheidung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist eine rein verfahrensrechtliche Frage. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung habe keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung in der Sache selbst, sie hindere gerade nicht die Prüfung des im Verfahren geltend gemachten Anspruchs. Sie fördere vielmehr die Wahrheitsfindung und diene daher auch im Sinne des EGMR der Sicherung der ordentlichen Justizpflege. Ein zu schützendes Interesse des Gegners des Wiedereinsetzungswerbers an der Aufrechterhaltung eines durch Säumnis des Prozessgegners erlangten Exekutionstitels unabhängig davon, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt materiell berechtigt sei, sei nicht zu erkennen. Insoweit unterscheide sich aber die Entscheidung im Zwischenverfahren über einen Wiedereinsetzungsantrag ganz wesentlich von der der Entscheidung des EGMR zugrunde liegenden Konstellation. Der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO, der nach dem Willen des Gesetzgebers der Förderung der Wahrheitsfindung diene, ohne dass dadurch berechtigte Interessen einer Partei verletzt würden, begegne daher auch unter Berücksichtigung der genannten Entscheidung des EGMR keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.RIS-Justiz RS0102361) und an dieser Auffasssung auch in Auseinandersetzung mit der zitierten E des EMGR (ÖJZ 2001, 516/16) mit folgender Begründung festgehalten (6 Ob 282/01s): Während die Entscheidung über die Prozesskosten einen (wenngleich untergeordneten) Teil jenes Hauptanspruchs bilde, auf dessen Zuspruch die Klage unmittelbar gerichtet sei und dessen Abwehr die Einwendungen des Beklagten dienten, betreffe die Entscheidung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist eine rein verfahrensrechtliche Frage. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung habe keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung in der Sache selbst, sie hindere gerade nicht die Prüfung des im Verfahren geltend gemachten Anspruchs. Sie fördere vielmehr die Wahrheitsfindung und diene daher auch im Sinne des EGMR der Sicherung der ordentlichen Justizpflege. Ein zu schützendes Interesse des Gegners des Wiedereinsetzungswerbers an der Aufrechterhaltung eines durch Säumnis des Prozessgegners erlangten Exekutionstitels unabhängig davon, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt materiell berechtigt sei, sei nicht zu erkennen. Insoweit unterscheide sich aber die Entscheidung im Zwischenverfahren über einen Wiedereinsetzungsantrag ganz wesentlich von der der Entscheidung des EGMR zugrunde liegenden Konstellation. Der Rechtsmittelausschluss des Paragraph 153, ZPO, der nach dem Willen des Gesetzgebers der Förderung der Wahrheitsfindung diene, ohne dass dadurch berechtigte Interessen einer Partei verletzt würden, begegne daher auch unter Berücksichtigung der genannten Entscheidung des EGMR keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Auch wenn im Wiedereinsetzungsantrag und im Abweisungsantrag des Gegners die Geltendmachung prozessualer Rechtsschutzansprüche zu erkennen sein sollte, ist also der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO deshalb unbedenklich, weil damit einerseits die materielle Wahrheitsfindung gefördert wird und andererseits dem Gegner kein schützenswertes Interesse an einer materiell unrichtigen, bloß auf Säumnis beruhenden Anspruchsbejahung einzuräumen ist. Aus denselben Gründen verlangt dann aber Art 6 EMRK keine Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, um der (allfälligen) Bewilligung der Wiedereinsetzung in zweiter Instanz entgegentreten zu können. Im vorliegenden Fall handelt es sich überdies um einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung des Einspruchs gegen den im Mahnverfahren ergangenen bedingten Zahlungsbefehl und damit um einen sog unbedingt wirksamen Sicherungstitel iSd § 371 Z 3 EO, sodass der Kläger durch die dadurch erleichterte Möglichkeit der Sicherungsexekution auch vor allfälligen Nachteilen aufgrund der verlängerten Dauer der Prüfung der materiellen Berechtigung seines Anspruches weitgehend geschützt ist.Auch wenn im Wiedereinsetzungsantrag und im Abweisungsantrag des Gegners die Geltendmachung prozessualer Rechtsschutzansprüche zu erkennen sein sollte, ist also der Rechtsmittelausschluss des Paragraph 153, ZPO deshalb unbedenklich, weil damit einerseits die materielle Wahrheitsfindung gefördert wird und andererseits dem Gegner kein schützenswertes Interesse an einer materiell unrichtigen, bloß auf Säumnis beruhenden Anspruchsbejahung einzuräumen ist. Aus denselben Gründen verlangt dann aber Artikel 6, EMRK keine Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, um der (allfälligen) Bewilligung der Wiedereinsetzung in zweiter Instanz entgegentreten zu können. Im vorliegenden Fall handelt es sich überdies um einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung des Einspruchs gegen den im Mahnverfahren ergangenen bedingten Zahlungsbefehl und damit um einen sog unbedingt wirksamen Sicherungstitel iSd Paragraph 371, Ziffer 3, EO, sodass der Kläger durch die dadurch erleichterte Möglichkeit der Sicherungsexekution auch vor allfälligen Nachteilen aufgrund der verlängerten Dauer der Prüfung der materiellen Berechtigung seines Anspruches weitgehend geschützt ist.

Der Oberste Gerichtshof hat - worauf abschließend hinzuweisen ist - mehrfach ausgesprochen, dass es zur Umsetzung des Erfordernisses der Waffengleichheit iSd Art 6 EMRK nicht erforderlich ist, jeden anfechtbaren Beschluss im Zuge des Verfahrens dem Regime eines zweiseitigen Rechtsmittelverfahrens zu unterwerfen; vielmehr kommt es darauf an, ob mit dem angefochtenen Beschluss über einen Rechtsschutzanspruch abgesprochen wurde (RIS-Justiz RS0043996 [T3]; vgl. auch EvBl 2002/199 bezüglich des prozessleitenden Unterbrechungsbeschlusses). Damit wurde der von der Lehre (Klicka in Deixler-Hübner/Klicka, Zivilverfahren³, Rz 315) bereits geforderten generellen Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens nicht gefolgt. Die Rekursbeantwortung war daher als unzulässig zurückzuweisen.Der Oberste Gerichtshof hat - worauf abschließend hinzuweisen ist - mehrfach ausgesprochen, dass es zur Umsetzung des Erfordernisses der Waffengleichheit iSd Artikel 6, EMRK nicht erforderlich ist, jeden anfechtbaren Beschluss im Zuge des Verfahrens dem Regime eines zweiseitigen Rechtsmittelverfahrens zu unterwerfen; vielmehr kommt es darauf an, ob mit dem angefochtenen Beschluss über einen Rechtsschutzanspruch abgesprochen wurde (RIS-Justiz RS0043996 [T3]; vergleiche auch EvBl 2002/199 bezüglich des prozessleitenden Unterbrechungsbeschlusses). Damit wurde der von der Lehre (Klicka in Deixler-Hübner/Klicka, Zivilverfahren³, Rz 315) bereits geforderten generellen Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens nicht gefolgt. Die Rekursbeantwortung war daher als unzulässig zurückzuweisen.

2) Zum Rekurs:

Unvorhergesehen ist ein Ereignis iSd § 146 Abs 1 ZPO dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (subjektiver Maßstab; Fasching, LB² Rz 579; B.Fink, Wiedereinsetzung 67; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² II/2 § 146 Rz 6 mwN). Der Begriff "unvorhergesehen" ist dabei durch den Begriff "unverschuldet" zu ergänzen. Dieses Verschulden wurde durch die ZVN 1983 - um die immer wieder auftretenden Härtefälle zu vermeiden - dahingehend relativiert, dass ein minderer Grad des Versehens der Partei die Wiedereinsetzung nun nicht mehr hindert (EFSlg 90.892). Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt durch die Partei nicht verhindert werden konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (Deixler-Hübner aaO. Rz 7).Unvorhergesehen ist ein Ereignis iSd Paragraph 146, Absatz eins, ZPO dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (subjektiver Maßstab; Fasching, LB² Rz 579; B.Fink, Wiedereinsetzung 67; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² II/2 Paragraph 146, Rz 6 mwN). Der Begriff "unvorhergesehen" ist dabei durch den Begriff "unverschuldet" zu ergänzen. Dieses Verschulden wurde durch die ZVN 1983 - um die immer wieder auftretenden Härtefälle zu vermeiden - dahingehend relativiert, dass ein minderer Grad des Versehens der Partei die Wiedereinsetzung nun nicht mehr hindert (EFSlg 90.892). Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt durch die Partei nicht verhindert werden konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (Deixler-Hübner aaO. Rz 7).

Das Erstgericht hat die Judikatur zur Frage, wann nach diesen Grundsätzen eine Erkrankung oder das Vergessen einer Frist oder eines Termines im Zusammenhang mit einer Erkrankung - allgemein - einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen kann, zutreffend (unter Hinweis auf die Zitate bei Deixler-Hübner aaO. Rz 12 und 13 § 146 ZPO) dargelegt. Zu ergänzen ist, dass auch eine Fristversäumnis auf Grund seelischer Störungen grundsätzlich einen Wiedereinsetzungsgrund bildet (OLG Wien ZBl 1933/227). Die durch Krankheit beeinträchtigte Partei muss allerdings - nach den ihr subjektiv zumutbaren Fähigkeiten - vorhersehbaren Fehlleistungen Rechnung tragen; nur leichte Fahrlässigkeit hindert die Wiedereinsetzung aber nicht. Die Antragsbehauptungen und nunmehr darauf zutreffend Bezug nehmenden Rekursausführungen gehen dahin, dass die im Zeitpunkt der Zustellung (nach der gesamten Schilderung bereits seit einiger Zeit) bestandene seelische Beeinträchtigung (Antriebsstörung) Ursache für das Beiseitelegen des Zahlungsbefehls mit dem - "in weiterer Folge" (und insoweit als kausale Folge dargestellten) - anschließenden "Erinnerungsfehler" (der Beklagte habe die Zustellung aus der Erinnerung verdrängt bzw. verloren) war. Die vorgebrachte Antriebsstörung (schlechtes seelisches Befinden) kann dem Beklagten daher zwar nicht iSe "unvorhergesehenen" wohl aber eines im bestandenen Ausmaß (fraglichen) "unabwendbaren" Krankheitszustandes, der ihn hinderte, ausreichende Maßnahmen zur Sicherstellung der Fristwahrung bzw gegen ein Vergessen zu setzen, zu Gute kommen. Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang ist entgegen der Ansicht des Erstgerichtes durch die Behauptung des aktuell gegeben gewesenen schlechten seelischen Befindens (Antriebsstörung) hergestellt. Inwieweit der Beklagte nicht nur tatsächlich auf die erfolgte Zustellung vergaß, sondern auch - bejahendenfalls - ob und inwieweit sein Zustand so weitgehend beeinträchtigt war, dass das (vorsorgende und weitere) Unterbleiben von Maßnahmen gegen das Vergessen nur als leicht fahrlässig zu beurteilen wäre, bedarf deshalb nach Ansicht des Rekursgerichtes entsprechender, auf Grund der Vernehmung des Wiedereinsetzungswerbers, allenfalls auch der von ihm genannten Auskunftsperson (Arzt), zu treffender Feststellungen, wenn ihm das "Vergessen" geglaubt wird, daher auch über den Grad der behaupteten seelischen Störung und der dadurch bewirkten Einschränkung, nach der Zustellung tätig zu werden, um die rechtzeitige Erhebung des Einspruchs nicht zu vergessen, sondern sicherzustellen. Jedenfalls ein grobes Verschulden kann dem Beklagten unter bloßer Zugrundelegung der Antragsbehauptungen nicht gesichert angelastet werden. Letztlich hat auch das Erstgericht seine Entscheidung nicht (allein) auf das sich aus den Antragsbehauptungen ergegebende sondern auf das (angenommene) Fehlen eines "offensichtlich" tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes gestützt, wie abschließend ausgeführt wurde. Die zur Prüfung der Antragsbehauptungen daher erforderliche Aufnahme der Bescheinigungsmittel bietet insbesonders Gelegenheit zum gebotenen Vorhalt der bei der späteren Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses (ein geänderter Zustand wird nicht behauptet) sehr wohl möglichen Reaktion und Wahrung der Frist zur Erhebung des Wiedereinsetzungsantrages, der Klärung des (alternativ) behaupteten "Verdrängens" (iSe allenfalls bewussten Geschehens), gerade auch im Zusammenhang mit dem bei gegebener Geschäftsfähigkeit trotz schlechten seelischen Befindens nicht außer Acht zu lassenden Umstand, dass die Zustellung des wenngleich einmal zur Seite gelegten Zahlungsbefehls auf Grund der verwandtschaftlichen Nahebeziehung zum Kläger als sehr einschneidendes und daher besonders im Gedächtnis haften bleibendes Geschehen in Rechnung zu stellen ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei es sich erübrigt, näher auf die geltend gemachte Aktenwidrigkeit einzugehen. Aktenwidrigkeit liegt - was der Rekurswerber verkennt - nur vor, wenn Tatsachenfeststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, wenn diese also auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum beruhen, der aus den Prozessakten selbst erkennbar und behebbar ist (1 Ob 300/02b; 8 Ob 16/03s; EFSlg 32.091). Das Erstgericht hat kein Bescheinigungsverfahren durchgeführt und daher auch keine darauf gegründeten Feststellungen getroffen, die aktenwidrig sein könnten. Die unrichtige Wiedergabe des Parteienvorbringens erfüllt den Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nicht (Kodek in Rechberger² § 471 Rn 7).Das Erstgericht hat die Judikatur zur Frage, wann nach diesen Grundsätzen eine Erkrankung oder das Vergessen einer Frist oder eines Termines im Zusammenhang mit einer Erkrankung - allgemein - einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen kann, zutreffend (unter Hinweis auf die Zitate bei Deixler-Hübner aaO. Rz 12 und 13 Paragraph 146, ZPO) dargelegt. Zu ergänzen ist, dass auch eine Fristversäumnis auf Grund seelischer Störungen grundsätzlich einen Wiedereinsetzungsgrund bildet (OLG Wien ZBl 1933/227). Die durch Krankheit beeinträchtigte Partei muss allerdings - nach den ihr subjektiv zumutbaren Fähigkeiten - vorhersehbaren Fehlleistungen Rechnung tragen; nur leichte Fahrlässigkeit hindert die Wiedereinsetzung aber nicht. Die Antragsbehauptungen und nunmehr darauf zutreffend Bezug nehmenden Rekursausführungen gehen dahin, dass die im Zeitpunkt der Zustellung (nach der gesamten Schilderung bereits seit einiger Zeit) bestandene seelische Beeinträchtigung (Antriebsstörung) Ursache für das Beiseitelegen des Zahlungsbefehls mit dem - "in weiterer Folge" (und insoweit als kausale Folge dargestellten) - anschließenden "Erinnerungsfehler" (der Beklagte habe die Zustellung aus der Erinnerung verdrängt bzw. verloren) war. Die vorgebrachte Antriebsstörung (schlechtes seelisches Befinden) kann dem Beklagten daher zwar nicht iSe "unvorhergesehenen" wohl aber eines im bestandenen Ausmaß (fraglichen) "unabwendbaren" Krankheitszustandes, der ihn hinderte, ausreichende Maßnahmen zur Sicherstellung der Fristwahrung bzw gegen ein Vergessen zu setzen, zu Gute kommen. Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang ist entgegen der Ansicht des Erstgerichtes durch die Behauptung des aktuell gegeben gewesenen schlechten seelischen Befindens (Antriebsstörung) hergestellt. Inwieweit der Beklagte nicht nur tatsächlich auf die erfolgte Zustellung vergaß, sondern auch - bejahendenfalls - ob und inwieweit sein Zustand so weitgehend beeinträchtigt war, dass das (vorsorgende und weitere) Unterbleiben von Maßnahmen gegen das Vergessen nur als leicht fahrlässig zu beurteilen wäre, bedarf deshalb nach Ansicht des Rekursgerichtes entsprechender, auf Grund der Vernehmung des Wiedereinsetzungswerbers, allenfalls auch der von ihm genannten Auskunftsperson (Arzt), zu treffender Feststellungen, wenn ihm das "Vergessen" geglaubt wird, daher auch über den Grad der behaupteten seelischen Störung und der dadurch bewirkten Einschränkung, nach der Zustellung tätig zu werden, um die rechtzeitige Erhebung des Einspruchs nicht zu vergessen, sondern sicherzustellen. Jedenfalls ein grobes Verschulden kann dem Beklagten unter bloßer Zugrundelegung der Antragsbehauptungen nicht gesichert angelastet werden. Letztlich hat auch das Erstgericht seine Entscheidung nicht (allein) auf das sich aus den Antragsbehauptungen ergegebende sondern auf das (angenommene) Fehlen eines "offensichtlich" tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes gestützt, wie abschließend ausgeführt wurde. Die zur Prüfung der Antragsbehauptungen daher erforderliche Aufnahme der Bescheinigungsmittel bietet insbesonders Gelegenheit zum gebotenen Vorhalt der bei der späteren Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses (ein geänderter Zustand wird nicht behauptet) sehr wohl möglichen Reaktion und Wahrung der Frist zur Erhebung des Wiedereinsetzungsantrages, der Klärung des (alternativ) behaupteten "Verdrängens" (iSe allenfalls bewussten Geschehens), gerade auch im Zusammenhang mit dem bei gegebener Geschäftsfähigkeit trotz schlechten seelischen Befindens nicht außer Acht zu lassenden Umstand, dass die Zustellung des wenngleich einmal zur Seite gelegten Zahlungsbefehls auf Grund der verwandtschaftlichen Nahebeziehung zum Kläger als sehr einschneidendes und daher besonders im Gedächtnis haften bleibendes Geschehen in Rechnung zu stellen ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei es sich erübrigt, näher auf die geltend gemachte Aktenwidrigkeit einzugehen. Aktenwidrigkeit liegt - was der Rekurswerber verkennt - nur vor, wenn Tatsachenfeststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, wenn diese also auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum beruhen, der aus den Prozessakten selbst erkennbar und behebbar ist (1 Ob 300/02b; 8 Ob 16/03s; EFSlg 32.091). Das Erstgericht hat kein Bescheinigungsverfahren durchgeführt und daher auch keine darauf gegründeten Feststellungen getroffen, die aktenwidrig sein könnten. Die unrichtige Wiedergabe des Parteienvorbringens erfüllt den Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nicht (Kodek in Rechberger² Paragraph 471, Rn 7).

Der Ausspruch über die Rekurskosten stützt sich auf § 154 ZPO. Der Wiedereinsetzungswerber hätte auch die Kosten eines (letztlich) erfolgreichen Rekurses im Wiedereinsetzungsverfahren selbst zu tragen (Gitschthaler in Rechberger², § 154 Rz 4 mwN).Der Ausspruch über die Rekurskosten stützt sich auf Paragraph 154, ZPO. Der Wiedereinsetzungswerber hätte auch die Kosten eines (letztlich) erfolgreichen Rekurses im Wiedereinsetzungsverfahren selbst zu tragen (Gitschthaler in Rechberger², Paragraph 154, Rz 4 mwN).

Oberlandesgericht Linz, Abt. 3,

Anmerkung

EL00078 3R57.04d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2004:00300R00057.04D.0414.000

Dokumentnummer

JJT_20040414_OLG0459_00300R00057_04D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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