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41/02 Asylrecht;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Gruböck & Gruböck, Rechtsanwälte OEG in 2500 Baden, Beethovengasse 4-6/III/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Jänner 2007, Zl. 143.345/4- III/4/07, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, heiratete am 8. April 2002 in der Türkei die österreichische Staatsbürgerin Alice M. Unter Berufung auf diese Ehe stellte der Beschwerdeführer am 11. April 2002 bei der österreichischen Botschaft in Ankara den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher". Nachdem die genannte Botschaft dem Beschwerdeführer ein Visum D mit Gültigkeit bis 10. August 2002 ausgestellt hatte, reiste er am 14. April 2002 nach Österreich ein.
Mit dem im Instanzenzug (im zweiten Rechtsgang) erlassenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Niederösterreich vom 13. Juli 2006 wurde über den Beschwerdeführer - ausgehend von der Annahme, dass es sich bei der erwähnten Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen um eine sogenannte "Aufenthaltsehe" handle - gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat - ausgehend von der Bescheidzustellung am 28. Juli 2006 somit bis 28. August 2006 - gewährt. Am 30. August 2006 wurde der Beschwerdeführer in Vollziehung des Aufenthaltsverbotes in die Türkei abgeschoben. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. August 2006 wurde der gegen das Aufenthaltsverbot erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Diese Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/21/0246, als unbegründet abgewiesen.
Der eingangs erwähnte Antrag auf Niederlassungsbewilligung wurde von der Bezirkshauptmannschaft Baden (als im Verordnungsweg ermächtigte Behörde) namens des Landeshauptmannes von Niederösterreich mit (im zweiten Rechtsgang erlassenem) Bescheid vom 4. August 2006 abgewiesen. Diese Entscheidung gründete sich auf das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 11 Abs. 1 Z 1 des (seit 1. Jänner 2006 geltenden) Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, wonach einem Fremden ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden darf, wenn gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG besteht.
Die dagegen am 22. August 2006 erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Jänner 2007 "gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 11 Abs. 1 Z 4 und 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz" ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der beiden im Spruch angeführten Bestimmungen des NAG und der eingangs wiedergegebenen Aktenlage aus, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe in ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch Beamte des Gendarmeriepostens Westendorf am 2. Jänner 2003 angegeben, die Ehe sei durch Bekannte vermittelt worden und sie habe gewusst, dass sie eine Scheinehe eingegangen sei, wofür sie ATS 40.000,-- erhalten habe. Weiters habe sie ausgesagt, nie mit dem Beschwerdeführer zusammengewohnt und keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt zu haben; sie hoffe, dass die Ehe "annulliert" werde. Aus diesen Gründen - so folgerte die belangte Behörde - liege im vorliegenden Fall eine Aufenthaltsehe vor, weshalb gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG die Erteilung eines Aufenthaltstitels zwingend zu versagen sei, zumal das Vorliegen einer Aufenthaltsehe auch im Berufungsschreiben nicht bestritten worden sei. Einer Aufforderung der belangten Behörde vom 13. Dezember 2006, Nachweise vorzulegen, welche die Annahme einer Aufenthaltsehe entkräften könnten, sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Er habe lediglich unter Hinweis auf das Beschwerdeverfahren betreffend das Aufenthaltsverbot den Standpunkt vertreten, es sei die diesbezügliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abzuwarten. Da jedoch der Aufenthaltstitel aufgrund der Aufenthaltsehe zwingend zu versagen sei, sei - so führte die belangte Behörde abschließend aus - ein Abwarten der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend das Aufenthaltsverbot nicht erforderlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Nach der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach dessen Bestimmungen zu Ende zu führen. Dem entsprechend haben die Behörden im vorliegenden Fall zutreffend die Bestimmungen des NAG angewendet und auf deren Basis das Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Erstniederlassungsbewilligung geprüft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 2007, Zl. 2007/18/0036).
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des NAG lauten:
"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG besteht;
...
4. eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
... .
Aufenthaltsehe und Aufenthaltsadoption
§ 30. (1) Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen."
Anders als die Erstbehörde hat die belangte Behörde die Versagung der Erstniederlassungsbewilligung - ohne dies zu begründen, aber offenbar im Hinblick darauf, dass der gegen das Aufenthaltsverbot erhobenen Beschwerde mittlerweile vom Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war - nicht auf den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG (Bestehen eines "aufrechten" Aufenthaltsverbotes), sondern im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG auf jenen nach der Z 4 leg.cit. (Vorliegen einer Aufenthaltsehe) gestützt.
Daran anknüpfend verweist die Beschwerde darauf, dass im erstinstanzlichen Bescheid an keiner Stelle der Vorwurf einer Aufenthaltsehe enthalten sei, sodass auch in der Berufung auf diese Frage nicht eingegangen worden sei. Die belangte Behörde habe - für den Beschwerdeführer überraschend und unter Verletzung seines Parteiengehörs - die Ermittlungsergebnisse aus dem fremdenpolizeilichen Verfahren zugrundegelegt und sich nur auf die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers gestützt, ohne auf das vom Beschwerdeführer in diesem Verfahren (zum Nichtvorliegen einer Aufenthaltsehe) erstattete Vorbringen einzugehen und ohne im angefochtenen Bescheid konkrete Feststellungen zu treffen und eine Beweiswürdigung vorzunehmen.
Dem letztangeführten Einwand kann nicht gefolgt werden, weil die belangte Behörde mit ausreichender - wie sich aus dem Beschwerdevorbringen ergibt: auch für den Beschwerdeführer erkennbarer - Deutlichkeit im angefochtenen Bescheid dargetan hat, dass sie die für glaubwürdig erachteten Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 2003 ihrer Entscheidung zugrunde legt, von einem dem entsprechenden Sachverhalt ausgeht und daraus das Vorliegen einer Aufenthaltsehe im Sinne des zitierten § 30 Abs. 1 NAG folgert.
Den weiteren Beschwerdeausführungen ist zwar zuzugestehen, dass der Vorwurf der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte in der Berufung das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nicht bestritten, nicht tragfähig ist, weil die Erstbehörde die Versagung der Niederlassungsbewilligung (noch) nicht auf diesen Tatbestand, sondern auf das Bestehen eines aufrechten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer gestützt hatte. Zu Recht wendet die Beschwerde daher ein, es hätte damals kein Anlass bestanden, auf diese Frage einzugehen.
Entgegen der Beschwerdemeinung wurde sein rechtliches Gehör im Berufungsverfahren aber ausreichend durch Übermittlung des Schreibens vom 13. Dezember 2006 gewahrt, in dem er darauf hingewiesen wurde, die belangte Behörde gehe nach der Aktenlage vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe aus, sie beabsichtige deshalb die Antragsabweisung und er werde (unter anderem) aufgefordert, zu diesem Vorhalt Stellung zu nehmen. Dass der (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer in Reaktion darauf keine inhaltliche Stellungnahme abgab, sondern sich auf den - nur unter dem Gesichtspunkt des Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG maßgeblichen - Hinweis auf den Stand des Aufenthaltsverbotsverfahrens (Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof) beschränkte, geht zu seinen Lasten. Jedenfalls kann angesichts des sich (insoweit) nur auf den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG beziehenden und jenen nach der Z 1 leg. cit. überhaupt nicht mehr ansprechenden Inhalts des Schreibens der belangten Behörde vom 13. Dezember 2006 nicht die Rede davon sein, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei für den Beschwerdeführer überraschend. Eine diesbezügliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor, wobei zur Vollständigkeit noch angemerkt wird, dass dem Beschwerdeführer der Inhalt der Aussage seiner Ehefrau vom 2. Jänner 2003 nicht nur aus dem fremdenpolizeilichen Verfahren bekannt sein musste, sondern ihm auch von der Erstbehörde (vor Erlassung des im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheides) mit dem seinem damaligen Vertreter zugestellten Vorhalt vom 5. August 2004 zur Kenntnis gebracht worden war.
Im Übrigen ist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auch auf die Entscheidungsgründe des erwähnten, das Aufenthaltsverbot des Beschwerdeführers betreffenden Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2006/21/0246, zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden Prüfungsbefugnis - keinen Grund fand, die behördliche Beweiswürdigung zur Annahme einer Aufenthaltsehe zwischen dem Beschwerdeführer und Alice M. zu beanstanden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. August 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210056.X00Im RIS seit
16.10.2007Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009